Gastgewerbe

Abschied vom Feierabendbier

Im britischen Gastgewerbe sitzt die Angst vor erneuten Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen tief. Doch auch die Arbeit aus dem Homeoffice und steigende Lebenshaltungskosten machen der Branche Sorgen.

Abschied vom Feierabendbier

hip London

Das Geschäft von JD Wetherspoon hat sich in den vergangenen Wochen etwas erholt. „Aber als Ergebnis der Zunahme von Arbeits- und Reparaturkosten sowie der potenziell negativen Auswirkungen des Anstiegs von Zinsen und Energiekosten auf die Wirtschaft ist es schwer, feste Vorhersagen abzugeben“, sagte Chairman Tim Martin bei der Vorstellung der Bilanz für das Ende Juli abgelaufene Geschäftsjahr. Er hält die Möglichkeit weiterer Lockdowns und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung von Sars-CoV-2 für die „vielleicht größte Bedrohung des Gastgewerbes“. Seine Wettbewerber klagen über ausbleibende Laufkundschaft in zentralen Lagen, weil vor allem montags und freitags viele im Homeoffice bleiben. Pendler, die mit Kollegen noch schnell ein Feierabendbier trinken, hatten vor der Pandemie kräftig zum Erlös beigetragen.

Die Aktienkurse von Ketten wie Marston’s und JD Wetherspoon liegen um zwei Drittel unter den vor der Pandemie erreichten Werten (siehe Grafik). Eine weitere wesentliche Bedrohung der Branche sind Martin zufolge die steuerlichen Vorteile, die Supermärkte im Vergleich zu Gaststättenbetreibern genießen. „Das Gastgewerbe zahlt viel mehr Umsatz- und Gewerbeimmobiliensteuer als Supermärkte“, sagte Martin. Das werde zu einer langfristigen finanziellen Schwäche der Branche führen, „die auch schädlich für die Mitarbeiter, das Schatzamt und die Wirtschaft insgesamt sein wird“. Ansonsten sei er „vorsichtig optimistisch“, was die künftigen Aussichten seines Geschäfts angeht.

Kunden haben weniger Geld

Es ist nicht der erste Wirtschaftsabschwung, mit dem JD Wetherspoon konfrontiert ist. Die Pubkette, der mehr als zwei Drittel der von ihr genutzten Immobilien gehören, hat auch reichlich Erfahrung im Um­gang mit nervösen Schuldenmärkten. Der vergleichbare Umsatz stieg in den neun Wochen zum 3. Oktober im Vorjahresvergleich um 10,1 %. „Die Frage ist, wie lange das so weitergehen kann“, sagt Derren Nathan, der Leiter des Aktienresearchs von Hargreaves Lansdown. „Auf die Pubkundschaft kommen zweifelsohne größere finanzielle Tiefschläge zu, seien es höhere Energiekosten oder steigende Raten für ihre Hypo­theken.“

In den zwei Jahren der Finanzkrise ging die Rentabilität der Pubketten um ein Fünftel zurück, erholte sich aber binnen zweieinhalb Jahren wieder komplett. „Es gibt Gründe dafür, dieses Mal eine ähnliche, beherrschbare Reaktion zu erwarten“, schreibt Stifel-Analyst Mark Irvine-Fortescue in einer aktuellen Branchenstudie.

Es sei positiv, dass die meisten Kunden von JD Wetherspoon die jüngsten Preiserhöhungen offenbar akzeptiert haben, so Analyst Douglas Jack von Peel Hunt in einer ersten Einschätzung der Geschäftszahlen. „Aber die Volumina sind immer noch rückläufig und die Kosteninflation bleibt stark.“ Die britische Re­gierung hat zwar die Energierechnungen der privaten Haushalte bei 2 500 Pfund eingefroren. Damit zahlen sie im Schnitt aber immer noch fast zwei Drittel mehr als vor dem Ukraine-Krieg.

Die Energielieferverträge von JD Wetherspoon laufen Ende nächsten Jahres aus. Jack hält es allerdings für wahrscheinlich, dass die Regierung dem immer noch unter den Folgen der Pandemie leidenden Gastgewerbe weiter unter die Arme greifen wird. Die Nettoverschuldung ist im abgelaufenen Jahr auf 892 (i.V. 846) Mill. Pfund gestiegen. Allerdings hat sich das Unternehmen mit seinen Schuldnern darauf geeinigt, die Kreditklauseln bis Oktober 2023 auszusetzen und durch eine Mindestanforderung von 100 Mill. Pfund an Liquidität zu ersetzen.

Die jüngsten Verwerfungen am Markt für britische Staatsanleihen wirkten sich vor allem auf Bonds von Ketten aus, deren Geschäft für riskanter gehalten wird, etwa Punch Pubs und Stonegate. Dividenden sind von den meisten Firmen so schnell nicht zu erwarten.

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