Automobilindustrie

Ansturm auf die Tesla-Bastion

Mit der diesjährigen Shanghai Auto Show wird vollends zum Angriff in Sachen Elektromobilität geblasen. Der chinesische Markt ist der Taktgeber für den unaufhaltsamen Trend in Richtung batteriegetriebene Fahrzeuge und bietet extreme Wachstumschancen...

Ansturm auf die Tesla-Bastion

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Mit der diesjährigen Shanghai Auto Show wird vollends zum Angriff in Sachen Elektromobilität geblasen. Der chinesische Markt ist der Taktgeber für den unaufhaltsamen Trend in Richtung batteriegetriebene Fahrzeuge und bietet extreme Wachstumschancen in allen Größen- und Preisklassen. Noch liegen die Verkäufe von New Energy Vehicles (NEV) bei knapp unter 5% des chinesischen Gesamtmarktes, aber die flotten Wachstumsprognosen für die kommenden Jahre machen deutlich, dass die von der chinesischen Regierung angepeilte 20-Prozent-Marke bis Dekadenmitte relativ locker erreicht werden kann.

Richtiger Riecher

Ein besonders rasch wachsender Kuchen lindert Verteilungskämpfe, aber die Experten sind sich einig, dass der derzeit noch unangefochtene Marktführer beim Absatz von Batteriefahrzeugen, Tesla, sich warm anziehen müssen wird, um seine Marktposition auch nur annähernd verteidigen zu können. Tesla hat mit der als großes Wagnis geltenden Entscheidung für eine sogenannte Gigafabrik in Schanghai und damit einer kostengünstigen Vor-Ort-Produktion der globalen Erfolgsmodelle Tesla Model 3 und Tesla Model Y zweifelsohne den richtigen Riecher bewiesen. Eine besondere Aura und ein gewisser Exklusivitätsanspruch der Marke wissen sich nun mit wettbewerbsfähigen Preisen zu verbinden und bieten Chinas aufstrebender Mittelschicht, die sich keine wahren Luxusautos gönnen kann, eine Gelegenheit, sich ein technologisch anspruchsvolles und zeitgemäß elektrifiziertes Statussymbol leisten zu können. Aber es gibt eine Handvoll chinesischer Rivalen, die auf der von Tesla wesentlich mit angestoßenen Welle nun bestens mitschwimmen können.

Dabei ragen vor allem zwei Namen heraus, nämlich die ähnlich wie einst Tesla als Technologie-Start-ups aufgezogenen chinesischen Elektroautobauer Nio und Xpeng. Nio konnte im ersten Quartal mit gut 20000 verkauften Fahrzeugen den Absatz um 420% steigern, während Xpeng mit 13300 verkauften Edelbatterieautos auf ein Plus von 490% kam. Beide Hersteller glänzen mit hohen Reichweiten pro Batterieladung, die Tesla derzeit sogar in den Schatten stellen, und haben sich auf die Masche verlegt, ihre Kunden über eine Clubmitgliedschaft als Fangemeinde an sich zu binden.

Fanboutique

Auf der Messe in Schanghai wissen Nio und Xpeng die Besucher nicht nur mit ihrer Fahrzeugpalette, sondern auch kleinen Lounges zu locken, in denen alle möglichen Artikel mit Firmenbranding vom Mahjong-Spielset bis zum peppigen Klappfahrrad angeboten werden und den Autokauf zu einem weiterführenden Lifestyle-Erlebnis machen sollen. Dahinter steht nicht nur das Kalkül, einen chinesisch angehauchten Mythos aufzubauen, der der westlichen Tesla Paroli bieten kann, sondern auch, sich von etablierten chinesischen Autobauern wie BYD, GAC oder SAIC, abzusetzen, die sich zwar ebenfalls bei hochwertigeren Elektrofahrzeugen zu etablieren beginnen, aber eigentlich keine besondere Markenaura genießen.

Geely mischt mit

Für den größten privaten chinesischen Autobauer Geely wiederum, der bislang eher den chinesischen Normalverbraucher anzusprechen wusste, gilt es nun ebenfalls mit einer neuen Marke in exklusivere Sphären vorzustoßen. Pünktlich zur Messe in Schanghai hat Geely eine Marke namens Zeekr herbeigezaubert und präsentiert sich nun mit einer vollelektrischen Sportlimousine, die eindeutig in Richtung Statussymbol geht, als erstem Modell. Der Zeekr-Messestand steht denn auch weitab von den herkömmlichen Geely-Modellen und in direkter Nachbarschaft zu den Schauplätzen Nio und Xpeng. Und auch bei der brandneuen Zeekr hat man sich eine kleine Ansammlung von Lifestyle-Produkten zugelegt, mit der man den modernen Großstadtchinesen zu einer Art Clubanhängerschaft für gehobene Elektromobilität zu locken gedenkt.