Cybersecurity

China reguliert Tech-IPOs schärfer

Die chinesische Regierung erschwert Börsengänge einheimischer Unternehmen an ausländischen Börsen noch mehr als bisher schon: Künftig müssen diese auch Auskunft über den Umgang mit sämtlichen Nutzerdaten geben.

China reguliert Tech-IPOs schärfer

nh Schanghai

Chinas Internet- und Wertpapierregulatoren wollen im Rahmen des jüngsten Feldzugs gegen chinesische Technologieunternehmen neue Kontrollmechanismen einführen, die eine neue Genehmigungsschwelle für Börsengänge in den USA nach sich ziehen werden. Laut einem neuen Richtlinienvorschlag müssen sämtliche Unternehmen, die über Nutzerdaten von mehr als einer Million Kunden verfügen, künftig eine vorgeschaltete Genehmigung der Cyberspace Administration of China (CAC) erhalten, bevor sie ein Initial Public Offering (IPO) an einer ausländischen Börse anstrengen können.

Angesichts der niedrigen Schwelle für App-Nutzerzahlen sind damit praktisch alle chinesischen Start-up-Firmen, die einen Börsengang an der Wall Street erwägen, betroffen. Die CAC begründet die Aktion als Schutzmaßnahme vor missbräuchlicher Verwendung von chinesischen Personendaten seitens ausländischer Regierungen. In diesem Jahr haben bereits 37 chinesische Firmen ein IPO an einer der New Yorker Börsen absolviert und dabei knapp 13 Mrd. Dollar an Kapital aufgenommen.

Die neue Cybersecurity-Offensive steht im direkten Zusammenhang mit dem Ende Juni erfolgten Börsengang des chinesischen Fahrdienstriesen Didi an der New York Stock Exchange (Nyse), dem bislang zweitgrößten US-IPO einer chinesischen Adresse. Die CAC hatte Didi direkt nach dem Handelsstart in New York mit einem Ermittlungsverfahren wegen Verletzung von Datenschutzregeln konfrontiert und die Didi-App für Neukunden sperren lassen. Die regulatorische Attacke hat zu einem heftigen Absturz der neuen Didi-Aktie geführt und droht das Geschäft mit chinesischen Tech-IPOs an der Wall Street zumindest in den kommenden Monaten zu ersticken.

Datenschutz über alles

Chinesische Kommentatoren be­eilen sich zu versichern, dass der neue Regulierungsvorstoß nicht darauf abzielt, Börsengänge chinesischer Tech-Firmen kategorisch abzuwürgen. Vielmehr gehe es aus nationalen Sicherheitserwägungen he­raus um ein grundsätzliches Schutzbedürfnis für chinesische Tech-Firmen und ihren immensen Datenhort. Dabei wird auf den erbitterten Technologiestreit zwischen China und den USA verwiesen, der bereits dazu geführt hat, dass eine ganze Latte von (überwiegend staatskontrollierten) chinesischen Technologiefirmen wegen Sicherheitsbedenken Wa­shingtons mit Restriktionen belegt wurde. So wurden u. a. die in New York zweitnotierten chinesischen Telekomfirmen China Telecom und China Mobile vom Börsenzettel verbannt, während US-Investoren keine Wertpapierengagements bei den auf der Sperrliste stehenden chinesischen Adressen mehr tätigen können.

Die nur zwei Tage nach dem Börsenstart in New York lancierte Aktion gegen Didi gilt gewissermaßen als eine „Racheaktion“ an der Gesellschaft, die nun breitere Kreise zieht. Die bis dato öffentlich kaum in Erscheinung getretene CAC soll die über eine massive Datenansammlung zu Mobilitätsbewegungen ihrer mehr als 300 Millionen Nutzer verfügende Didi mit einer anstehenden Sicherheitsprüfung konfrontiert und zu einer zeitlichen Verschiebung des Börsengangs aufgefordert haben.

Didi jedoch soll dies zum Anlass genommen haben, das IPO in New York erst recht schnell über die Bühne zu bringen, weil ein Publikmachen des Regulierungsverfahrens die Emissionsbedingungen schwer be­lastet hätte. Dabei wurde den chinesischen Behörden vor Augen geführt, dass die bislang geltenden Rechtsstatuten der Regierung keine Handhabe geben, einen Börsengang im Ausland zu verhindern. Demgegenüber nehmen chinesische Regulatoren starken Einfluss auf IPOs an chinesischen Festlandbörsen, was einer der Gründe dafür ist, dass chinesische Tech-Firmen bevorzugt die Wall Street und bisweilen auch die Hongkonger Börse ansteuern.

Fragen zu Hongkong

Aus dem jetzt veröffentlichten Richtlinienvorschlag, der nach einer kurzen Kommentierungsfrist Ende Juli in Kraft treten soll, ist nicht direkt ersichtlich, ob IPO-Vorhaben an der Hongkonger Börse von den neuen Auflagen betroffen sind. Die Sonderverwaltungszone Hongkong ist chinesisches Territorium, aber wirtschaftsrechtlich ein Offshore-Platz und wird auch in Reisezoll- und Kapitalverkehrsbelangen als Ausland behandelt. Andererseits steht Hongkong seit einem Jahr unter einem extrem weitreichenden chinesischen Sicherheitsgesetz, das auch Internetkontrolle mit einschließt. Entsprechend gehen Experten zunächst davon aus, dass die neuen Maßnahmen zu einer Revidierung von IPO-Plänen chinesischer Tech-Firmen führen werden und der Hongkonger Börse neuen Zulauf bringen könnten.

In Hongkong selbst haben Anleger den Manövern um chinesische Tech-IPOs in den USA bislang denkbar wenig abgewinnen können. Vielmehr hat die jüngste Verschärfung einer bereits vor einigen Monaten gestarteten Regulierungsoffensive gegen führende Tech-Konzerne und Internetdienstleister im Reich der Mitte die Aktienkurse von Branchenriesen wie Alibaba, Tencent, Meituan, Pinduoduo und JD.com erneut auf Talfahrt gebracht. In der vergangenen Woche allein summierte sich der Marktwertverlust bei Tech-Firmen mit Listing im chinesischen Raum auf über 200 Mrd. Dollar. Allerdings waren chinesische Tech-Werte bereits im März von einer heftigen Korrekturbewegung erfasst worden. Entsprechende Sektorindizes, die zur Februarmitte ein Allzeithoch erklommen hatten, haben mittlerweile rund ein Drittel eingebüßt, was einer Marktwertschrumpfung von 1,1 Bill. Dollar gleichkommt.