Investment Banking

Dealmaker schreiben 2022 noch nicht ab

Zumindest eine Handvoll Börsengänge könnten 2022 noch kommen, glaubt Matthias Reschke von J.P. Morgan Chase. Der massive Markteinbruch sei auch als Folge des außerordentlichen Vorjahres zu werten.

Dealmaker schreiben 2022 noch nicht ab

lee Frankfurt

Trotz Zinswende und der Verwerfungen an den Märkten seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine wollen die Investmentbanker von J.P. Morgan Chase und die Transaktionsberater der Kanzlei Freshfields das Jahr noch nicht verloren geben. In einem Pressegespräch machten sie sich am Montag Mut damit, dass der seit Jahresbeginn zu verzeichnende Einbruch nicht bloß der vertrackten Marktlage, sondern auch der außerordentlichen Stärke des Vorjahres geschuldet sei.

So ist der globale Markt für Firmenübernahmen und Fusionen (Mergers & Acquisitions/M&A) nach Daten von Dealogic in den ersten fünf Monaten des Jahres zwar um ein Fünftel auf 1,97 Bill. Dollar eingebrochen. Damit rangiert er aber noch über dem Durchschnitt der vergangenen zwei Jahre von 1,67 Bill. Dollar. Auch das deutsche M&A-Geschäft hat Bremsspuren verzeichnet. Das Gesamtvolumen per Ende Mai liegt laut Dealogic mit 49 Mrd. Euro jedoch nur 7% unter dem Durchschnitt der vergangenen zwei Jahre.

Das Hauptproblem bestehe derzeit in den unterschiedlichen Bewertungsvorstellungen, sagt Michele Iozzolino. „Die Kapitalkosten sind zwar gestiegen, stellen aber in der Regel nicht den Dealbreaker dar“, so der Co-Head Investment Banking Deutschland von J.P. Morgan Chase.

Auch den Markt für schuldenfinanzierte Übernahmen, sogenannte Leveraged Buy-outs, hält Iozzolino nicht für tot: „Wir finanzieren das noch, es ist aber teurer geworden.“ Außerdem sei der Markt selektiver geworden: In zyklischen Branchen gehe aktuell kaum etwas und bei Unternehmen, die aus einer Restrukturierung kommen, schon mal gar nicht. Bei „soliden Namen“ sei dagegen schon etwas zu machen.

Einen tiefen Fall verzeichnet hat auch das 2021 boomende Geschäft mit Aktienemissionen (Equity Capital Markets/ECM). Stefan Weiner, der dieses Geschäft der US-Bank in Nordeuropa verantwortet, mag dabei lediglich von „Abflüssen“ sprechen: „Von einem Closed Shop kann aber keine Rede sein“, sagt er und führt zum Beleg die Kapitalerhöhung an, die der Essener Baukonzern Hochtief in der vergangenen Woche zwecks Refinanzierung der Komplettübernahme der australischen Tochter Cimic platzierte.

Auf dem IPO-Markt werde sich dagegen angesichts der hohen Volatilität an den Börsen vor der Sommerpause „sicher nichts mehr“ tun. Doch die Pipeline sei gut gefüllt, wie auch Freshfields-Partner Christoph Gleske unterstrich. Weiner bemühte den Vergleich zum Jahr 2020, in dem die Berater hinter den Kulissen trotz des Pandemieschocks im Frühjahr weiter an den Transaktionen gearbeitet hätten, wodurch bereits im November wieder erste Börsengänge möglich gewesen seien.

Auch wenn die aktuelle Situation wegen der Parallelität von Zinswende und Rezessionssorgen ungleich komplexer sei, will er daher nicht ausschließen, dass es im zweiten Halbjahr noch eine Handvoll IPOs gebe. Auch bei den Anleiheemissionen (Debt Capital Markets/DCM) machten sich die Wachstumssorgen bemerkbar, sagte Matthias Reschke, Head of Investment Grade DCM in Westeuropa. Er unterstrich zudem die Auswirkungen der geldpolitischen Wende auf das Preisniveau, namentlich das zum 1. Juli angekündigte Ende der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB).

Rückkehr der Normalität

„Hatte die EZB bei Platzierungen bisher 40 % des Emissionsvolumens gekauft, sind es jetzt schon nur noch 20 %“, veranschaulichte Reschke den Effekt dieser Entscheidung, die seiner Meinung nach eine Normalisierung der Märkte herbeiführen wird. Das Preisniveau habe sich zuletzt dem Durchschnitt der vergangenen 30 bis 40 Jahre angenähert, sagte er.

Das Volumen sei bei guten Bonitäten recht robust, da zuletzt einige Industrieunternehmen, vor allem aber Banken den Markt angezapft hätten, weil sie für die zweite Jahreshälfte weiter anziehende Preise erwarteten. Im Hochzinsbereich sei das Emissionsvolumen dagegen um 75 bis 80 % eingebrochen, was Reschke jedoch nicht als Ausdruck eines generellen Käuferstreiks wertet. Die Unternehmen, die es könnten, wollten auf dem aktuellen Preisniveau den Markt nicht anzapfen.

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