Telekommunikation

Glasfaser wird fürs Klima gebraucht

Die Telekomfirmen brauchen messbare Kennzahlen und klare Managementvorgaben, um ihren CO2-Ausstoß besser zu kontrollieren. 5G und Glasfaser sind deutlich energieeffizienter als herkömmliche Netze und können so die Emissionen senken.

Glasfaser wird fürs Klima gebraucht

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Fast alle großen Unternehmen der Telekombranche haben sich hehre Klimaziele gesetzt. Die direkten und indirekten CO2-Emissionen durch eigenen Energieverbrauch und zugekauften Strom (Scope 1 und 2) haben die Unternehmen gut im Griff. Klimaneutral bis 2025 lautet das Nahziel. Dennoch dürfte sich der gesamte CO2-Fußabdruck der ICT-Branche (Information and Communications Technologies) bis 2030 im Vergleich zu 2019 glattweg verdoppelt haben, „wenn eine klare und möglichst automatisierte Erfassung von Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausbleibt und es nicht gelingt, aus diesen Daten klare Managementvorgaben abzuleiten“, meint Roman Friedrich, Experte der Boston Consulting Group (BCG), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Gemäß dem jüngsten Telco-Sustainability-Index von BCG könnte der CO2-Ausstoß der Branche von 1,1 auf 2,2 Gigatonnen steigen. Denn die wachsende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, die z.B. durch weniger Berufsverkehr und mehr Homeoffice zu einer geringeren Schadstoffbelastung durch Autos und andere Verkehrsträger beitragen soll, steuert aufgrund der Datenexplosion infolge von Videokonferenzen und immensen Datentransfers auf einen negativen Nettosaldo zu.

Drei Viertel schwer fassbar

Ursache dafür sind im Wesentlichen die sogenannten Scope-3-Emissionen, die den Schadstoffausstoß entlang der gesamten Wertschöpfungskette reflektieren. Das betrifft die Kohlendioxidbelastung der Umwelt bei der Herstellung von Smartphones genauso wie die Energie, die durch sogenannte „Down­stream-Aktivitäten“ wie Musik- und Video-Streaming und die Umweltbelastung, die insgesamt durch Lieferanten und Kunden von Telekomprodukten und -Services entsteht.

Wenig überraschend steht Scope 3 daher für drei Viertel der dem Telekomsektor zuzurechnenden Emissionen. Diese sind auch deutlich schwerer in den Griff zu kriegen. Deswegen dominieren bei den Selbstverpflichtungen Fernziele: 2040 ist das Jahr, das die Branche zum Maßstab gemacht hat.

Dennoch hapert es bei der Umsetzung, und das hat aus der Sicht von Friedrich vor allem einen Grund: „Leider fehlt es bisher an einer standardisierten Messung und Berichterstattung von Scope-3-Emissionen.“ Auch Manager-Boni sind noch nicht überall mit ESG-Zielen verknüpft, vor allem in der obersten Führungsetage. „In der Ankündigung passiert viel, auf der Performance-Seite aber noch zu wenig“, so der Manager.

Das liegt daran, dass die Dekarbonisierung für die Unternehmen auch ein finanzieller Kraftakt ist. „So ist Glasfaser um den Faktor 10 effizienter als das Kupferkabel“, erläutert Friedrich. Auch deshalb müssten die Telekomfirmen den Anteil von Glasfaser an ihren Netzen dringend erhöhen. Deutschland zählt seit Jahren zu den Schlusslichtern in Europa und auch im OECD-Vergleich, was den Glasfaserausbau angeht. Inzwischen fließt jedoch viel Geld, um diese Lücke zu schließen. Vor allem Finanzinvestoren stecken Kapital in zahlreiche Glasfaser-Vehikel, einzeln oder in Konsortien. Auch die Deutsche Telekom macht deshalb mehr Tempo bei der neuen Infrastruktur. Allerdings kann deren Effizienzgewinn nur gehoben werden, wenn in einem Gebiet lückenlos Glasfaser bis zum Haus (FTTH) vorhanden ist. Nur dann kann das Kupferkabel abgeschaltet werden. Entsprechend geht es hier nur zäh voran; eine substanzielle Verkleinerung des CO2-Abdrucks lässt auf sich warten.

Etwas besser sind die Voraussetzungen im Mobilfunk. Für den Ausbau von 5G-Netzen – ein Standard, der ebenfalls deutlich energieffizienter als die Vorgängertechnik 4G (LTE) ist – hat die Bundesnetzagentur klare Vorgaben gemacht. So hat die Deutsche Telekom aktuell 92% der Bevölkerung mit 5G versorgt; Telefónica Deutschland, die als Netzbetreiber eine Aufholjagd gestartet hat, liegt immerhin schon bei 50%. Allerdings sagt dies noch nichts über die tatsächliche Migration der Kunden auf den neuen Standard. Auch hier gilt: Energieeinsparungen und damit weniger CO2-Produktion können erst stattfinden, wenn 5G-Antennen in spürbarem Ausmaß 4G-Antennen ersetzen. Dennoch bescheinigt der Telco-Sustainability-Index von BCG gerade europäischen Telekomfirmen gute Fortschritte bei der Energieeffizienz. Sie konnten ihren Score an dieser Stelle um zwölf Punkte verbessern und sind damit führend im Vergleich zur restlichen Welt.

Recycling läuft an

Ein zweites sehr großes Spielfeld für die Scope-3-Emissionen der Branche ist elektronischer Abfall (E-Waste). „Alle größeren europäischen Player haben dazu inzwischen Recy­cling-Programme angestoßen“, weiß Friedrich. Dabei geht es vielfach um die Rücknahme „gebrauchter Smartphones“. Kunden und Hersteller sind im Boot. Letztere dokumentieren zunehmend, in welchem Umfang welche Geräte recyclefähig sind, und bemühen sich, die entsprechende Palette auszudehnen. Kunden messen diesen Kriterien immer mehr Bedeutung bei, und sie lassen auch Zahlungsbereitschaft erkennen. „Für Telekomfirmen rentiert sich eine effektive ESG-Strategie daher mehrfach: „Nicht nur, dass Energieeffizienz Ersparnis bringt, eine gute CO2-Hygiene zahlt sich auch bei allen Stakeholdern aus, bei Investoren, Kunden und Mitarbeitern. Alle drei Gruppen machen Druck“, so Friedrich.

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