Wettbewerb

Kartellwächter wollen Gewinne abschöpfen

Die Wettbewerbshüter sind vor dem Hintergrund von Inflation und Energiekrise schwer beschäftigt. Ein Schwerpunkt bleibt die Kontrolle der Digitalkonzerne. Der Kartellamtspräsident setzt auf mehr Durchgriffsrechte durch die Novelle des Wettbewerbsrechts.

Kartellwächter wollen Gewinne abschöpfen

ak Köln – Das Bundeskartellamt will mit der angekündigten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbs­beschränkungen (GWB) deutlich schlagkräftiger werden. „Von der GWB-Novelle verspreche ich mir eine starke Vereinfachung“, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Behörde. So sollen die Hürden für eine Gewinnabschöpfung gesenkt werden.

Kaum anwendbar

In Missbrauchsfällen ist dieses Instrument nach Darstellung von Mundt bislang kaum anwendbar. Mundt nannte als Beispiel die laufenden Verfahren gegen einige Digitalkonzerne. „Wenn wir Missbrauch feststellen, haben wir hinterher keine Gewinnabschöpfung, die daraus resultiert, dass eine bestimmte Verhaltensweise dem Unternehmen mehr Ertrag gebracht hat. Das zu können wäre sicher ein Gewinn für den Steuerzahler und den Staat.“

Verbote möglich

Die Digitalwirtschaft bleibt ein Schwerpunkt für die Arbeit des Kartellamts. Die Behörde habe bei Amazon, Alphabet/Google und Meta/Facebook eine „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“ festgestellt. Diese Klassifizierung ist seit Anfang 2021 mit dem Paragrafen 19a im Kartellrecht möglich. Bei Google und Meta sei dies rechtskräftig, sagte Mundt. Amazon habe Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingereicht. Bei Apple laufe das Verfahren noch. Die Einordnung eines Unternehmens in eine solche Kategorie sei nach dem neuen Gesetz der erste Schritt, auf den dann Verbote folgen könnten.

Das Bundeskartellamt geht in weiteren Verfahren gegen die vier Digitalkonzerne der Frage nach, ob bestimmte Verhaltensweisen der Unternehmen untersagt werden müssen, da sie den Wettbewerb beeinträchtigen bzw. ihre Machtposition absichern. Allein im Fall von Google gebe es drei Verfahren, erklärte Mundt.

Neben den Digitalkonzernen bescheren die Entwicklungen an den Energiemärkten den Kartellwächtern viel Arbeit. „Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten die Preisgestaltung der Mineralölkonzerne unter dem Brennglas betrachtet“, berichtete Mundt. Im April hatte das Kartellamt eine Sektoruntersuchung begonnen, mit der sich die Wettbewerbshüter die Raffinerieebene genau ansehen. Grund sei nicht der hohe Spritpreis per se gewesen, sondern der große Abstand im Frühjahr zwischen Rohöl auf der einen Seite und Raffinerie- und Tankstellenpreisen auf der anderen Seite. „Bislang weiß man wenig darüber, was zwischen Rohöleinkauf und dem Verkauf an der Tankstelle eigentlich passiert.“ Mundt kündigte für den Herbst erste Zwischenergebnisse an. „Wir gucken uns Kostenstrukturen, Marktstrukturen und die Gewinnmargen so gut an, um festzustellen, ob in den erhöhten Preisen möglicherweise auch ein missbräuchliches Instrument enthalten ist.“

In der zweiten Monatshälfte im August seien die Preise nach einer Delle zuvor wieder angestiegen, und die Raffinerie- und Tankstellenpreise würden sich schon wieder deutlich vom Rohölpreis abheben.

Teurer Sprit in Bayern

Mundt sprach auch von auffälligen regionalen Unterschieden. Es gebe ein starkes Nord-Süd-Gefälle mit hohen Kraftstoffpreisen vor allem in Bayern. „Wir haben inzwischen über Deutschland hinweg eine Preisspanne von 23 Cent bei Benzin und 25 Cent bei Diesel. Das ist sehr viel.“

Auch den Lebensmittelhandel hat das Kartellamt im Blick: „Wir kriegen viele Beschwerden zu den Preissteigerungen“, sagte Mundt. Im Lebensmittelhandel habe sich die Behörde deshalb bereits an die Branche gewandt und um Aufschluss über die Hintergründe von Preiserhöhungen gebeten. „Wir verfolgen das mit Argusaugen.“

Auch die Kartellverfolgung gewinnt wieder an Fahrt. Sie war durch die Pandemie erschwert worden, u. a. weil viele Beschäftigte im Homeoffice tätig sind und bei Durchsuchungen relevante Computer teilweise nicht in den Unternehmen waren. Doch jetzt komme die Arbeit voran, berichtete Mundt. In diesem Jahr habe es bereits 13 Durchsuchungen gegeben, in den beiden vergangenen Jahren waren es jeweils nur zwei.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.