Industriegasekonzern

Linde stoppt Milliardenauftrag von Gazprom

Der amerikanisch-deutsche Industriegasekonzern reagiert auf die Sanktionen gegen Russland. Das Geschäft in dem Land wird zurückgefahren und der Verkauf von Anlagen vorbereitet, die Linde betreibt.

Linde stoppt Milliardenauftrag von Gazprom

jh München

Linde fährt das Geschäft in Russland herunter. Die Sanktionen, unter anderem von europäischen Staaten und den USA, gegen das Land zwingen den amerikanisch-deutschen Industriegase­konzern dazu. In den ersten Tagen nachdem Russland am 24. Februar die Ukraine angegriffen hatte, hatte Linde mit Verweis auf vertragliche Verpflichtungen an einem Großauftrag von Gazprom festgehalten (vgl. BZ vom 2. März). Im Herbst 2021 hatte der Anlagenbau von Linde den Zuschlag des staatlichen russischen Gaskonzerns für zwei Projekte nahe der Grenze zu Estland erhalten: Gasverarbeitungsanlagen und eine Anlage für Flüssiggas im Gesamtwert von 6 Mrd. Dollar.

Nun ruhen offenbar zumindest bis auf Weiteres die Vorbereitungen für diesen Auftrag. Mit den Geschäftszahlen für das erste Quartal teilte Linde am Donnerstag mit, in Russland auch „alle Geschäftsentwicklungen für neue Projekte ausgesetzt“ zu haben und die Aktivität und Präsenz in dem Land zu verringern. Dafür sei die Belieferung bestimmter Kunden eingestellt und ein Verkauf von Industrieanlagen eingeleitet worden. Der Konzern warnt vor möglichen „Wertminderungen und anderen Belastungen“, wenn diese Schritte verwirklicht und weitere Sanktionen in Kraft treten würden.

Das Umsatzvolumen der Anlagenbauprojekte, „die derzeit oder voraussichtlich von den Sanktionen betroffen sind und daher abgewickelt werden“, beziffert Linde auf rund 350 Mill. Dollar. Zum Vergleich: Im ersten Quartal dieses Jahres erhielt der Anlagenbau Aufträge im Wert von 645 Mill. Dollar. Der Auftragsbestand verringerte sich ohne den Großauftrag von Gazprom von 9,6 Mrd. Dollar zum Jahresende 2021 auf 2,2 Mrd. Dollar. Für Anlagenbauprojekte in Russland weist Linde in der Bilanz zum 31. März Vertragsverbindlichkeiten von rund 2 Mrd. Dollar aus. Darin dürfte ein erster Teil des Gazprom-Auftrags enthalten sein.

Auch an Pipeline beteiligt

Von dem Gasunternehmen hatte Linde unter anderem schon Ende 2015 einen großen Auftrag mit einer Laufzeit bis 2024 erhalten. Dabei geht es um das Pipeline-Projekt „Power of Siberia“, das Erdgasfelder in Ostsibirien mit Nordostchina verbindet. Sanjiv Lamba, seit März dieses Jahres CEO von Linde, hatte im vergangenen Herbst in einer Konferenz mit Analysten Gazprom als Kunde von sehr hoher Qualität gelobt, mit dem es exzellente Geschäftsbeziehungen gebe.

Im vergangenen Jahr machte Russland 1% des Konzernumsatzes von Linde im Geschäft mit Industriegasen aus. Auch das Vermögen in dem Land wird auf etwa 1% beziffert. Ende März stand in der Bilanz ein Vermögen von 82,8 Mrd. Dollar.

Obwohl Linde einen Beitrag von Russland für das zweite Halbjahr streicht, erhöhte der Konzern leicht die Ergebnisprognose für dieses Jahr. Erwartet wird nun ein um Sondereffekte bereinigter Gewinn je Aktie von 11,65 bis 11,90 Dollar. Das wären 9 bis 11% mehr als im vergangenen Jahr. Im ersten Quartal stieg dieses Ergebnis um 18% (siehe Tabelle). Bilanzierungseffekte des im Herbst 2018 vollzogenen Zusammenschlusses der Linde AG mit Praxair und Kosten für Effizienzprogramme sind in den bereinigten Zahlen nicht enthalten. Einschließlich dieser Effekte betrug der operative Gewinn 1,48 (1,12) Mrd. Dollar.

Höhere Preise

Der Umsatz nahm auf vergleichbarer Basis um 9% zu. 3 Prozentpunkte habe die größere Menge beigetragen, 6 Prozentpunkte höhere Preise, berichtet Linde. In Europa entfiel das Wachstum von 11% vollständig auf den Preiseffekt. Air Liquide, der größte Konkurrent des Weltmarktführers, steigerte den Umsatz bereinigt um die Veränderungen von Währungskursen und Energiepreisen um knapp 8% auf 6,9 Mrd. Euro.

Zum Ausblick sagte CEO Lamba, das geopolitische und makroökonomische Umfeld seien unsicherer geworden. „Aber ich bin zuversichtlich, dass das Unternehmen seine Zusagen gegenüber den Aktionären weiterhin erfüllen wird.“

Linde
Konzernzahlen nach US-GAAP *
1. Quartal      
in Mill. Dollar20222021
Umsatz82117243
Operativer Gewinn19051688
 Marge (%)23,223,3
Nettoergebnis15001312
Ergebnis je Aktie (Dollar)2,932,49
Operativer Cashflow20002109
Nettoschulden1199211654
*) bereinigt, fortgeführtes GeschäftBörsen-Zeitung
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