Immobilienmarkt

Megafusion statt Mietendeckel in Berlin

Mit dem mittlerweile gekippten Berliner Mietendeckel wollte der rot-rot-grüne Berliner Senat den bedrängten Wohnungsmarkt der Bundeshauptstadt stabilisieren. Nun ruhen die Hoffnungen für eine Beruhigung der angespannten Lage auf dem Mietmarkt ausgerechnet auf der Fusion der beiden größten privaten Wohneigentümer.

Megafusion statt Mietendeckel in Berlin

Von Stefan Paravicini, Berlin

Der Berliner Mietendeckel ist vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Jetzt will der Berliner Senat die Megafusion der beiden größten privaten Eigentümer auf dem Berliner Mietwohnungsmarkt nutzen, um für eine Stabilisierung der Mieten in der Bundeshauptstadt zu sorgen. Als Teil der geplanten Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia will Berlin das Angebot der Konzerne nutzen, rund 20000 Wohnungen aus dem Portfolio der Fusionspartner zurückzukaufen. Mehr Wohnungen in kommunaler Hand bedeuteten mehr Einfluss auf den Wohnungsmarkt und sozialverträgliche Mieten, begründete der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) das Interesse der Kommune. Eine konkrete Kaufsumme wurde nicht genannt. Nach Einschätzung des Berliner Finanzsenators Matthias Kollatz (SPD) könnte sich Berlin den Erwerb des angebotenen Wohnungsportfolios aber etwas mehr als 2,1 Mrd. Euro kosten lassen, die zuletzt für den Rückkauf des Stromnetzes aufgewendet wurden.

Enteignungsinitiative läuft

Die Berliner SPD-Vorsitzende und Spitzenkandidatin bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September, Franziska Giffey, wertete die Zusagen von Vonovia und Deutsche Wohnen als „gutes Signal“ als für den sozialen Frieden in der Stadt. Neben dem Verkauf der 20000 Wohnungen wollen sich die Konzerne auch verpflichten, die Mietpreissteigerungen in den nächsten Jahren zu deckeln. Vertreter von FDP und CDU im Berliner Abgeordnetenhaus äußerten sich ebenfalls positiv. Auf Skepsis stieß das Angebot der Unternehmen bei Grünen und Linken.

Die Initiatoren des laufenden Volksbegehrens zur Enteignung von großen Wohnungsunternehmen zeigten sich ebenfalls wenig beeindruckt. „Es ändert sich nichts“, sagte die Sprecherin der Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, Jenny Stupka. Es sei „zutiefst erschreckend“, wie eindeutig sich der Senat den Interessen der beiden Unternehmen andiene, kritisierte sie. Die zugesagte Mietbegrenzung betreffe einen zu kurzen Zeitraum. Größere Mietsprünge seien aufgrund des Mietenspiegels ohnehin nicht möglich. Die Initiative setzt sich dafür ein, Immobilien von Unternehmen in Berlin gegen eine Milliardenentschädigung zu verstaatlichen, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen. Noch bis zum 25. Juni muss sie dafür 175000 gültige Unterschriften sammeln. Die Pläne für die Megafusion dürfte es den Initiatoren erleichtern, die noch fehlenden Unterschriften zu mobilisieren. SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat sich bereits den Vorschlägen distanziert, während die Linke sie begrüßt.

Nicht nur in Berlin ist der Wohnungsmarkt ein Wahlkampfthema. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz erklärte auf einer Veranstaltung von Bloomberg, dass der Bund an neuer Regulierung gegen steigende Mieten sowie gegen den Wohnungsmangel in Ballungszentren arbeite. „Wir arbeiten an Vorschlägen, die es uns ermöglichen, den Mietpreisanstieg zu kontrollieren,” sagte Scholz. Ziel sei es außerdem, der Hälfte der Bevölkerung in Großstädten das Recht auf subventionierte Wohnungen zu ermöglichen. Daher müsse die Bundesregierung auch mehr für den Neubau durch Genossenschaften und den öffentlichen Sektor unternehmen. Derzeit bleibe Deutschland mit dem Bau von 300000 Wohnungen pro Jahr hinter dem Bedarf von 400000 Einheiten zurück. „Wir sind weit weg von dem, was wir brauchen”, erklärte Scholz.

Sein Parteikollege Müller kündigte an, mit Deutsche Wohnen und Vonovia im Detail zu besprechen, um welche Bestände es sich bei den angebotenen 20000 Wohnungen genau handele. „Mir liegen soziale Brennpunkte am Herzen, mir liegen Großsiedlungen am Herzen“, sagte der Regierende Berliner Bürgermeister. Als Beispiele nannte er die Thermometer-Siedlung in Lichterfelde und das Falkenhagener Feld in Spandau. Nach Angaben von Finanzsenator Kollatz befinden sich die meisten der in der Debatte befindlichen Wohnungen außerhalb des S-Bahn-Rings, eine „vierstellige Zahl“ aber auch in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte.

Momentan verfügt Berlin über rund 340000 kommunale Wohnungen. Der rot-rot-grüne Senat strebt bis Ende der Legislaturperiode einen kommunalen Wohnungsbestand von 400000 Einheiten an. Sowohl mit Deutsche Wohnen als auch mit Vonovia, die zusammen etwas mehr als 150000 Wohnungen oder knapp 9% der 1,67 Millionen Mietwohnungen in Berlin verwalten, sei der Senat deshalb schon länger im Gespräch und habe vor allem von der Deutsche Wohnen bereits einige Tausend Einheiten erworben, sagte Kollatz.

Wie der Finanzsenator weiter erläuterte, will das Land die neuen Wohnungen „ungefähr zum Ertragswert“ kaufen. Wenn die Prüfungen dazu zu einem positiven Resultat führten, „werden wir zwei, maximal drei Monate brauchen, um zu einem Ergebnis zu kommen“. Gestemmt werden soll der Deal demnach von den sechs kommunalen Wohnungsgesellschaften – und zwar außerhalb des Landeshaushalts über Eigenmittel und Kredite. Auch nach einem Verkauf von 20000 Einheiten bliebe der fusionierte Konzern in Berlin mit Abstand größter privater Vermieter in der Stadt (siehe Tabelle).

Kritik vom Mieterbund

Der Deutsche Mieterbund warnte vor zusätzlichen Belastungen im Zuge der geplanten Großfusion. Bei manchen Zusagen zur Begrenzung von Mieterhöhungen oder der Modernisierungsumlage handele es sich um Selbstverständlichkeiten, die den Unternehmen wenig abverlangten, kritisierte Mieterbund-Präsident, Lukas Siebenkotten. Die Interessenvertretung befürchtet, dass die Mieter die Kosten der Fusion tragen müssen, ohne dass sich für sie irgendetwas verbessern wird. „Auch die geplante Fusion ändert nichts daran, dass wir dringend einen Mietenstopp im Bestand brauchen, und zwar nicht nur in Berlin, sondern bundesweit.“ Darüber hinaus sei eine flächendeckende scharfe Mietpreisbremse ohne Ausnahmen und eine Begrenzung der Mieterhöhung nach Modernisierung bei maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter nötig. „Nur so funktioniert wirksamer Mieterschutz“, fügte Siebenkotten hinzu.

Hauptstadtvermieter
Top 10 Berliner Wohnungseigentümer
UnternehmenZahl
Deutsche Wohnen115 500
Stadt und Land*68 000
Degewo*67 700
Gewobag*60 100
Howoge*59 700
Vonovia44 000
Gesobau*41 300
WBM*30 200
ADO Group22 200
Covivio15 800
*) kommunales Wohnungsunternehmen
Quelle: SavillsBörsen-Zeitung