Corporate Governance

Virtuelle HV nähert sich Präsenz­veranstaltung an

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Online-Hauptversammlung gebilligt, das Tauziehen zwischen Unternehmen und Anlegern geht weiter.

Virtuelle HV nähert sich Präsenz­veranstaltung an

swa Frankfurt

Unternehmen können auch nach der Pandemie zu virtuellen Hauptversammlungen (HV) einladen. Das Kabinett hat einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums gebilligt. Aus dem Provisorium solle eine dauerhafte Lösung werden, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP). Bundesrat und Bundestag werden sich nun mit dem Regierungsentwurf befassen.

Gegenüber dem anfangs vorgelegten Referentenentwurf hat das Justizministerium die Aktionärsrechte deutlich ausgeweitet, um der Vorgabe im Koalitionsvertrag der Ampel nachzukommen, wonach Online-Hauptversammlungen „dauerhaft unter uneingeschränkter Wahrung der Aktionärsrechte“ ermöglicht werden sollen. Daher habe man bei der Umsetzung dieses Ziels darauf geachtet, dass die Aktionäre ihre Rechte ebenso und weitestgehend vergleichbar wahrnehmen können wie in einer Präsenzveranstaltung, heißt es in der Gesetzesbegründung

Die Hauptversammlung solle „als das wichtigste Beschlussorgan der Gesellschaft und als Forum der Anleger“ auch im digitalen Raum erhalten bleiben, so der Anspruch. Den Anlegern müsse es gestattet sein, in der HV dem Vorstand ihre Fragen und Meinungen in Redebeiträgen zu übermitteln. Es müsse online ein vergleichbarer Dialog entstehen können wie in Präsenzveranstaltungen.

Ein großer Teil des Auskunftsverlangens der Aktionäre könnte dem Entwurf zufolge schon vor der HV abgearbeitet werden. So kann der Vorstand vorgeben, dass Fragen vorher auf elektronischem Wege einzureichen sind. Auch Stellungnahmen können vorab eingereicht werden. Der Umfang an Fragen kann „angemessen“ beschränkt werden. Die Gesellschaft muss die vorab eingereichten Fragen bis spätestens einen Tag vor der HV beantworten. Der Vorstand darf dann in der Versammlung die Auskunft zu diesen Fragen verweigern. Den Aktionären bleibt jedoch ein umfassendes Nachfrage- und Fragerecht in der Online-HV.

Den Aktionären wird zudem in der virtuellen HV ein Rederecht im Wege der Videokommunikation gewährt. Dabei dürfen sie auch Fragen stellen, was im Referentenentwurf so noch nicht vorgesehen war. In der Gesetzesbegründung wird vorgeschlagen, mit Beginn der Online-HV einen „virtuellen Meldetisch“ einzurichten. Die Redner würden nach Aufruf durch den Versammlungsleiter zugeschaltet. Ihm bleibe der Instrumentenkasten, Redezeiten zu beschränken oder die Rednerliste zu schließen.

Der Gesetzentwurf findet ein unterschiedliches Echo. Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbands BVI, hält den Kabinettsentwurf für einen Schritt in die richtige Richtung. „Er geht in wesentlichen Punkten wie zum Beispiel der Ermöglichung einer Generaldebatte in der virtuellen HV auf unsere Kritik ein und bietet jetzt eine gute Diskussionsgrundlage für das weitere Gesetzgebungsverfahren.“

Nach Einschätzung des Deutschen Aktieninstituts schafft der Gesetzentwurf „Rechtsunsicherheit“. Der Emittentenverband sieht „die Gefahr, dass wegen einer zu hohen Zahl von gleichzeitig elektronisch übermittelten Wortmeldungen ein ordnungsgemäßer Ablauf der Hauptversammlung nicht mehr gewährleistet werden kann“. Der Entwurf müsse dringend nachgebessert werden. Union Investment hält die rein virtuelle HV generell für den falschen Weg und setzt auf Präsenzveranstaltungen oder hybride Formate.

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