Jörg zu Dohna

„Was Climeworks macht, macht für uns die Biomasse“

Die internationalen Klimaziele sind wohl nur noch erreichbar, wenn Kohlendioxid im großen Stil aus der Atmosphäre entnommen wird. Pflanzenkohle könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten, sagt Jörg zu Dohna, CEO von Pyreg.

„Was Climeworks macht, macht für uns die Biomasse“

Von Stefan Paravicini, Berlin

Die internationalen Klimaziele sind in Gefahr. Längst steht fest, dass sie wohl nur noch erreicht werden können, wenn neben Emissionseinsparungen auch Technologien zur Entnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre im großen Stil vorangebracht werden. Das hat auch Investoren schon auf den Plan gerufen. Die Schweizer Climeworks, die eine Technologie für Carbon Cap­ture and Storage entwickelt hat, schaffte im Frühjahr mit einem Volumen von rund 650 Mill. Dollar die bisher größte Finanzierungsrunde eines Start-ups aus dem Sektor. Die Bewertung lag dabei deutlich oberhalb von 1 Mrd. Dollar.

„Was Climeworks macht, nämlich Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen, macht für uns die Biomasse“, erklärt Jörg zu Dohna, CEO des Karbonisierungsspezialisten Pyreg. Das Unternehmen aus Dörth in Rheinland-Pfalz baut Maschinen zur Herstellung von Pflanzenkohle, die aus Biomasse gewonnen wird. Die Pflanzenkohle kommt in der Landwirtschaft und zunehmend in der Industrie zum Einsatz. Sie dient außerdem als Kohlenstoffsenke: Bis zu 60% des Kohlendioxids, das in der Biomasse gebunden ist, bleiben auf dem Weg der Karbonisierung im Rahmen eines Pyrolyse-Verfahrens in der Pflanzenkohle erhalten.

„Wir sind mit den bisher installierten Anlagen bei rund 3000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr“, rechnet Dohna das Volumen der Kohlenstoffsenken hoch, die mit derzeit rund 50 Maschinen von Pyreg jährlich geschaffen werden. Unternehmensgründer und CTO Helmut Gerber arbeitet bereits an der nächsten Anlagengeneration. So soll eine Maschine von Pyreg künftig mindestens 7200 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre in Pflanzenkohle binden können. Zum Vergleich: Climeworks baut auf Island derzeit an einer Anlage, mit der 4000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus der Atmosphäre gefiltert werden sollen.

Interesse an Kohlenstoffsenke

Als Pyreg vor etwas mehr als zehn Jahren startete, interessierten sich vor allem Kunden aus dem landwirtschaftlichen Sektor für Pflanzenkohle. Mit der wachsenden Bedeutung von Kohlenstoffsenken für die Dekarbonisierungsstrategie von Industrieunternehmen hat sich das geändert. „Wir bemerken, dass zum Beispiel auch Unternehmen aus der Stahl- und Automobilindustrie bei uns anklopfen, die verstanden haben, dass sie ihren Carbon Footprint reduzieren müssen“, sagt Dohna. Auch die Bauwirtschaft suche nach Lösungen, wie etwa Kunststoff durch Pflanzenkohle substituiert werden könne, nennt er ein weiteres Beispiel für das Interesse aus neuen Branchen. „Es gibt viele Themen an denen wir derzeit mitarbeiten, um für die Pflanzenkohle als Kohlenstoffsenke auch im industriellen Bereich neue Anwendungsfelder zu schaffen“, sagt Dohna.

Für Unternehmen, die ihren CO2-Fußabdruck­ reduzieren müssen, lohnt sich der Einsatz von Pflanzenkohle doppelt, denn für die Bindung von CO2 erhalten sie sogenannte Carbon Credits. „Unser Geschäftsmodell funktioniert aber auch ohne Carbon Credits“, betont Dohna. Die Kunden von Pyreg könnten neben der Pflanzenkohle auch Energie verkaufen, die während des Karbonisierungsprozesses entsteht. Mit dem Betrieb einer einzigen Anlage von Pyreg könnten etwa bis zu 470 Haushalte dauerhaft mit grüner Fernwärme beheizt werden. Das sei auch für Kommunen interessant, die sich in ihrer Energieversorgung unabhängiger machen wollen.

Die Nachfrage nach den Anlagen wachse rasant, von der Laboranlage bis hin zu Maschinen im industriellen Maßstab. Die Preise reichten von 0,5 Mill. bis 5,5 Mill. Euro. Im vergangenen Jahr habe sich der Auftragseingang etwa verdreifacht, und in diesem Tempo gehe es weiter, sagt Dohna. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen die 50. Maschine ausliefern und damit die Position als Marktführer in Europa untermauern. Immer mehr Geschäft kommt aber aus den USA, wo Pyreg unter anderem mit der holzverarbeitenden Industrie zusammenarbeitet. So entstehe im US-Bundesstaat Maine gerade eine der weltweit größten Produktionsanlagen für Carbon Credits.

„Um einen relevanten Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten zu können, müsste Pyreg zwischen 3000 bis 5000 Maschinen pro Jahr bauen“, sagt Dohna mit Blick auf die Herausforderungen durch den Klimawandel. Bis 2050 müssten rund 800 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden, um die Klimaziele noch zu erreichen, zitiert er den jüngsten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change. Die Wissenschaft geht davon aus, dass 30% davon durch Biomasse geleistet werden müssen. „Das heißt, dass bis 2050 etwa 300000 bis 400000 Maschinen, so wie wir sie hier bauen, up and running sein müssen“, rechnet Dohna vor. Derzeit könne Pyreg am Standört Dörth bis zu 40 Maschinen pro Jahr bauen. „Das ist eine Herausforderung, die ein Investor nicht alleine stemmen kann. Daher bereiten wir uns auf die Finanzierung einer weltweiten Skalierungsstrategie vor“, sagt der CEO.

Eine Finanzierungsrunde wie bei Climeworks ist allerdings nicht in Sicht. Er werde zwar jede Woche von interessierten Investoren angesprochen, sagt Dohna. „Die großen Namen sind aber noch nicht dabei.“ Erster Finanzierungspartner nach der Ausgründung 2009 war die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Rheinland-Pfalz. Hinzu kamen eine Reihe von privaten Business Angels. Später übernahm die Private-Equity-Gesellschaft Hevella Capital aus Hamburg, die auch Dohna zu Pyreg gelotst hat, die Mehrheit. „Wir setzen auf ein starkes Wachstum und sind für die richtigen Partner, die unseren Zukunftskurs teilen, offen“, sagt er über mögliche Investoren. Neben Beteiligungsgesellschaften könnten strategische Investoren aus der Industrie Interesse zeigen.

Vor zwei Jahren hat BASF rund 16 Mill. Euro in das saarländische Unternehmen Pyrum investiert, das auf die Pyrolyse von Altreifen spezialisiert ist. Die Berliner Made of Air sammelte vor einem Jahr 5 Mill. Euro bei Investoren wie der schwedischen EQT Foundation ein.

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