Susanne Schröter-Crossan, LEG Immobilien

„Wir wollen nur ausgeben, was wir verdienen“

Nach Jahren der Expansion zwingt der rapide Zinsanstieg viele Immobilienunternehmen zum Tritt auf die Bremse. Der Wohnungskonzern LEG richtet daher seine Geschäftsstrategie neu aus. Im Fokus stehen nun Cashflow und Liquidität. Das hat Folgen für die Bemessung der Dividende.

„Wir wollen nur ausgeben, was wir verdienen“

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Kapitaldisziplin ist das Gebot der Stunde im Immobiliensektor. Denn der rapide Zinsanstieg hat das Umfeld der kapitalintensiven Branche grundlegend verändert. Der Wohnungskonzern LEG Immobilien hat im November eine Neuausrichtung seiner Geschäftsstrategie verkündet. Der neue Leitsatz lautet: höchstmögliche Kapitaleffizienz.

„Wir wollen nur ausgeben, was wir selbst verdienen“, gibt Finanzvorstand Susanne Schröter-Crossan die Richtung vor. Das Unternehmen werde stärker über den Cashflow gesteuert. „Wir haben Akquisitionen gestoppt, wickeln unser kleines Neubaugeschäft ab, verringern die Ausgaben für die Modernisierung des Bestands und haben die Dividende für das Geschäftsjahr 2022 unter den Vorbehalt der Marktentwicklung gestellt“, sagt Schröter-Crossan im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Analysten erwarten Kürzung

Die Ausschüttung bemisst LEG bisher am operativen Ergebnis, dem Funds from Operations (FFO) aus der Vermietung. 70% dieses Gewinns fließen an die Aktionäre. Künftig richtet sich die Dividende nach dem sogenannten AFFO, dem um aktivierte Investitionen in den Bestand bereinigten FFO.

Diese Kennzahl veröffentlicht LEG bisher schon, doch im Vordergrund stand – wie bei den anderen börsennotierten Immobilienkonzernen – der FFO. Neben dem vollen AFFO will LEG für das neue Geschäftsjahr auch einen Teil der Nettoerlöse aus Immobilienverkäufen ausschütten. Die Dividende für 2022 soll sich noch am FFO orientieren.

Der größte Ausgabenposten, die werterhöhenden Investitionen in den Bestand, werde beim FFO nicht abgezogen, erläutert die Finanzchefin. Diese Ausgaben würden aktiviert. „Folglich schüttet man mehr aus, als man verdient, wenn der FFO Grundlage für die Dividende ist. Das ist im veränderten Zinsumfeld kein nachhaltiges Geschäftsmodell mehr.“

Für Investoren geht die neue Ausrichtung mutmaßlich mit deutlich geringeren Ausschüttungen einher. Analysten rechnen im Schnitt mit 2,46 Euro Dividende je Aktie für das Geschäftsjahr 2023. Die Schätzung für 2024 liegt bei 2,74 Euro. Zum Vergleich: Für 2021 hat LEG 4,07 Euro je Aktie gezahlt.

Der Ergebnisausblick für 2023 sieht einen AFFO von 110 Mill. bis 125 Mill. Euro vor. Das entspricht 27% des erwarteten FFO von 425 Mill. bis 440 Mill. Euro, bezogen auf die Mitte der Spannen. Je Aktie entspricht das einem Betrag von grob 1,60 Euro – sozusagen die Basisdividende für 2023. Sie wird noch durch Einnahmen aus Immobilienverkäufen aufgebessert, deren Höhe naturgemäß noch offen ist. Die Entwicklung der Transaktionsvolumina und -erlöse sei ein wichtiger Indikator dafür, „ob beziehungsweise wie lange das Umfeld schwierig bleibt“, sagt Schröter-Crossan.

In der Vergangenheit mit steigenden Bewertungen und fallenden Zinsen sei es möglich gewesen, 70% des FFO auszuschütten. Alle Immobilienunternehmen hätten ihre Dividende damit in Teilen indirekt durch neues Fremdkapital finanzieren können. Im aktuellen Umfeld, in dem zehnjähriges Geld 5% kostet statt vorher 1%, sei das nicht mehr sinnvoll. Stattdessen wolle LEG das erwirtschaftete Geld im Unternehmen halten, unter anderem, um perspektivisch die bestehende Verschuldung zurückzufahren.

Investoren hätten zu dem Umschwenken auf den AFFO viele Fragen gehabt, räumt Schröter-Crossan ein. Zumal diese Kennzahl in der Branche eher wenig verbreitet ist. Inzwischen werde die neue Ausrichtung mehr und mehr verstanden. Das zeige der Aktienkurs, der den Rückschlag vom Herbst wieder aufgeholt hat. „Alle Investoren unterstützen den Ansatz, mehr auf den Cashflow zu achten und perspektivisch die Verschuldung zu verringern.“

Von der Neuausrichtung erhofft sich LEG auch ein verändertes Ausgabeverhalten des Managements. Bisher hätten Mitarbeiter die Bestandsinvestitionen auf Aktivierung hin ausgesteuert, was aus FFO-Perspektive richtig sei, aber einer Cashflow-Optimierung unter Um­ständen entgegenstehe. Nun stünden Cashflow und Liquiditätserhalt im Vordergrund. „Allein durch den Fokus auf Ausgabenminimierung verringern wir den Cashabfluss um gut 70 Mill. Euro“, sagt die CFO. Das sei etwa ein Siebtel der Investitionsausgaben.

„Maßnahme für Krisenzeit“

Die Neuausrichtung bezeichnet Schröter-Crossan als „Maßnahme für die Krisenzeit“. Sie sei vorübergehend. Derzeit warte die gesamte Branche ab, wo sich ein neues Gleichgewicht aus Zinsen, Inflation, Immobilienbewertungen und Mietrenditen einpendele. Daran werde die Dividendenpolitik der Zukunft bemessen.

Ein Vorteil der LEG sei, dass bezahlbarer Wohnraum auf längere Zeit Mangelware bleibe und das Portfolio höhere Mietrenditen abwerfe als bei Wettbewerbern, die sich stärker auf teure Toplagen fokussiert haben. LEG komme im Schnitt auf gut 4% Mietrendite. Das sei mit Blick auf den Zinsanstieg hilfreich, ändere aber nichts daran, dass die Zinsen für neue Finanzierungen meist höher sind, so dass Akquisitionen derzeit keine Option seien.

An der Erwartung, dass für das zweite Halbjahr 2022 mit Bestandsabwertungen um 3 bis 5% zu rechnen ist, hält die Managerin fest: „Diese Range halten wir nach wie vor für zutreffend.“ Wobei die Guidance dadurch erschwert wird, dass es seit Monaten praktisch keine größeren Transaktionen gibt.

Eine Ausnahme ist der Verkauf von 2700 Wohnungen in Leipzig von Brack Capital Properties (BCP) an die Londoner Investment-Management-Boutique Tristan Capital Partners. Brack erwartet aus dem Deal nach eigenen Angaben einen Verlust von 11% des Transaktionsvolumens.

An der in Israel börsennotierten BCP ist LEG mit 35,7% beteiligt. Was mit diesem Minderheitsanteil passiert, ist offenbar offen. Am Steuerrad sitzt nach wie vor die deutsche Adler-Tochter Adler Real Estate, die 63% hält. Auf den geplanten Erwerb dieses Pakets hatte LEG angesichts der Zinswende verzichtet. Eine „interessante Option“ könne es sein, für einen neuen Mehrheitseigentümer das Asset- und Bestandsmanagement der Brack-Immobilien zu übernehmen, sagt Schröter-Crossan. Eine andere sei der Verkauf der Beteiligung, „falls der Erwerber einen vernünftigen Preis zahlt“.

Eher schleppend kommen die Pläne von LEG für Immobilienverkäufe voran. Aufgrund des daniederliegenden Transaktionsmarkts ist die Vermarktung zu einer kleinteiligen Angelegenheit geworden. Das Ziel, bis Jahresende 5000 Wohnungen zu veräußern, sei verfehlt worden, sagt die Finanzchefin. Für einzelne Mehrfamilienhäuser oder kleine Portfolien fänden sich aber Erwerber zu Preisen in Höhe des Buchwerts oder sogar darüber. Auf diesem Wege habe LEG 2022 rund 700 Einheiten verkauft.

4,5 Mrd. Euro Anleihen

Den Ausblick für das Baa1-Rating hat Moody’s Ende November auf „negativ“ gesenkt. Diesen Schritt hält Schröter-Crossan für verständlich, denn das Umfeld habe sich ohne Zweifel verschlechtert. Die Wettbewerber Vonovia und TAG seien sogar herabgestuft worden: „Im Verhältnis dazu ist ein negativer Ausblick zufriedenstellend.“

Die weitere Entwicklung hänge unter anderem von der Immobi­lienbewertung ab. Moody’s kal­kuliere mit 10% Preisrückgang bis Ende 2023. Angesichts des komfortablen Abstands zum Sub-Investment-Grade sei eine Herabstufung zwar unerfreulich, aber auch „kein Drama“.

Die nächste größere Fälligkeit steht erst 2024 an – dann läuft ein 500-Mill.-Euro-Bond aus. 2025 folgt eine Wandelanleihe über 400 Mill. Euro. Die Refinanzierung der 2024er Anleihe will die Finanzchefin bereits im ersten Halbjahr 2023 angehen. Das Gesamtvolumen der ausstehenden Unternehmensanleihen liegt bei 4,5 Mrd. Euro, das der Convertibles bei 950 Mill. Euro.

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