Sebastian Schulte

Deutz rückt ein Stück von China ab

Der neue CEO Sebastian Schulte soll nach einem aufsehenerregenden Führungswechsel den Fokus wieder aufs Geschäft lenken. Von der starken Ausrichtung auf den chinesischen Markt rückt der neue CEO ab.

Deutz rückt ein Stück von China ab

Von Antje Kullrich, Köln

Es war viel los in den vergangenen Monaten bei Deutz. Der traditionsreiche Motorenbauer lieferte Stoff für eine ganze Kurzserie im Genre Kapitalmarktkrimi. Nach einem drastischen coronabedingten Geschäftseinbruch und tiefroten Zahlen folgten ein hartes Restrukturierungsprogramm, der Einstieg eines aktivistischen Investors und der alles andere als geräuschlose Wechsel an der Vorstandsspitze nach einem teilweise öffentlich ausgetragenen Streit zwischen CEO und Aufsichtsratschef.

Mit dem neuen Vorstandschef Sebastian Schulte – einem ehemaligen Thyssenkrupp-Manager, der vor gut einem Jahr als CFO zu Deutz kam – soll ein Neuanfang gelingen. Auf der anstehenden Hauptversammlung am Donnerstag wird Deutz sowohl Vergangenheitsbewältigung betreiben als auch eine Perspektive für die Zukunft aufzeigen müssen. Konfliktfrei wird die Veranstaltung wohl nicht über die Bühne gehen. Der Stimmrechtsberater Glass Lewis hat bereits ein Votum gegen die Entlastung des Aufsichtsrats veröffentlicht. Denn dieser hatte den ausgeschiedenen CEO Frank Hiller erst im Februar 2021 mit einem neuen Fünfjahresvertrag ausgestattet, ehe wenige Monate später die Spannungen zwischen Aufsichtsratschef Bernd Bohr und Hiller eskalierten. Vordergründig ging es um die Besetzung einer Vorstandsposition mit einer Frau, doch das dürfte nur die Spitze des Eisbergs gewesen sein. Am Ende war für Hiller nach fünf Jahren als CEO Schluss, Bohr musste den Vorsitz im Aufsichtsrat räumen, bleibt aber weiter einfaches Mitglied. Seit 12. Februar ist nun Sebastian Schulte Vorstandschef des Motorenbauers. Er soll den SDax-Konzern in ruhigere Bahnen lenken, so dass sich die Belegschaft wieder aufs Tagesgeschäft konzentrieren kann.

Arden Livvey derzeit still

Ein Unruhestifter war im vergangenen Jahr auch der neue Aktionär Arden Livvey. Die zuvor unbekannte in den Niederlanden angesiedelte Investmentgesellschaft, hinter der die Prevent-Gruppe stehen soll, hatte mehrfach öffentlich harsche Kritik an der Managementleistung bei Deutz geübt. Vergangenen November hatte Arden Livvey den Ausbau der Beteiligung auf über 5% gemeldet und war damit zum größten Einzelaktionär aufgestiegen. Schulte kommentiert im Gespräch mit der Börsen-Zeitung das Verhältnis zu dem aktivistischen Anteilseigner betont gelassen: „Der Dialog mit Arden Livvey war bislang tadellos. Es ist ein professionelles Verhältnis, wie wir es zu jedem Investor pflegen.“ Im Zuge des turbulenten Führungswechsels im Februar hatte der Investor sich öffentlich nicht geäußert.

Strategisch heißt eine der größten Baustellen bei Deutz China. In den vergangenen zwei Jahren hatte der Produzent großer Dieselmotoren diesen wichtigen Markt stark in den Vordergrund gestellt und mit großen Ambitionen ein Joint Venture mit dem chinesischen Baumaschinenkonzern Sany gestartet. In das Gemeinschaftsunternehmen haben beide Partner zusammen 100 Mill. Euro investiert.

Doch mit dem Ukraine-Krieg hat auch bei Deutz ein Umdenken eingesetzt. „Wir dürfen uns nicht in eine zu große Abhängigkeit begeben“, sagt Schulte. „Es gab in der Vergangenheit Aussagen wie: Die Zukunft von Deutz liegt in China. Das würde ich heute anders formulieren.“

So enthält die vorab veröffentlichte diesjährige Hauptversammlungsrede von Schulte auch nur drei dürre Sätze zu den Aktivitäten in China. Dafür betonte der CEO: „Unser wichtigster Wachstumsmarkt ist und bleibt die EMEA-Region, also Europa, der Mittlere Osten und Afrika.“

Problem Mega-Stau

Schon vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine war der Deutz-Motor in China etwas ins Stottern geraten. Im November hatten die Kölner einräumen müssen, das ursprüngliche Absatzziel für 2021 im Reich der Mitte deutlich zu verfehlen und nur gut die Hälfte der eigentlich geplanten Zahl an Motoren verkaufen zu können. Grund war ein temporärer Nachfrageeinbruch im Lkw-Markt. Aktuell belasten die coronabedingten Lockdowns in vielen Städten, allen voran Schanghai. „Wir haben Produktionsunterbrechungen, aber nicht in dem Umfang, dass wir wochenlang stillstehen“, erläuterte Schulte. Größere Sorgen bereiten ihm nach eigenen Angaben die Auswirkungen auf die Lieferketten und die Teileverfügbarkeit in Deutschland. Denn durch den Lockdown hat sich ein riesiger Stau von Containerschiffen im Hafen von Schanghai gebildet.

Vakant ist bei Deutz der CFO-Posten. Die Suche nach einer Finanzchefin läuft. Schulte leitet als bisheriger CFO das Ressort derzeit kommissarisch mit. Denn auch hier hat Deutz Handlungsbedarf: „Wir stellen gerade unsere Finanzierung neu auf, sie wird künftig auch eine ESG-Komponente enthalten.“ Mit den Hausbanken verhandelt Schulte gerade eine neue Kreditlinie mit Nachhaltigkeitsaspekt. Das passt zum steigenden Fokus auf Wasserstoff- und E-Motoren, auch wenn der Diesel für die schweren Maschinen der Deutz-Kunden noch lange nicht ausgedient haben dürfte.

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