Rolf Buch

„Ein Mann, ein Wort“

Vonovia-Chef Rolf Buch sieht sein Unternehmen nach der gescheiterten Übernahme von Deutsche Wohnen nicht unter Handlungsdruck – schließt jedoch eine neue Offerte nicht aus.

„Ein Mann, ein Wort“

Annette Becker.

Herr Buch, auch im zweiten Anlauf ist die Übernahme der Deutsche Wohnen (DW) gescheitert. Ist das auch eine persönliche Niederlage?

Am Freitag war kein guter Tag. Das ist so. Das Ergebnis ist sehr enttäuschend, auch wenn wir dieses Mal wahrscheinlich vieles richtig gemacht haben. Unsere Berater sagen, es ist ein technisches Scheitern.

Sie machen Hedgefonds für das Verfehlen der Annahmequote verantwortlich. Trifft Vonovia und Deutsche Wohnen keine Schuld?

Wenn man das Ziel nicht erreicht hat und sagt, ich habe keine Verantwortung dafür, dann ist das zu kurz gesprungen. Wir müssen jetzt genau analysieren, was wir hätten anders machen können. Wie wir hören, wollten die Hedgefonds den Deal auch.

Warum haben Ihre Investmentbanken nicht reagiert. Angesichts der zahlreichen Stimmrechtsmeldungen von Goldman Sachs & Co war doch ersichtlich, dass Zocker am Werk sind?

Bis zum Mittwoch war das Einlieferungsverhalten genau so, wie es bei solchen Transaktionen üblich ist. Man konnte auch am Mittwochmorgen nichts sehen. Als die Banken realisierten, dass es knapp wird, war es zu spät. Das liegt daran, dass die Aktie eine andere Kennnummer bekommt, sobald sie getendert ist. In diesen Aktien findet kein Handel mehr statt, ihr Beleihungswert ist deutlich niedriger. Ein Hedgefonds hat Interesse daran, möglichst viele Aktien zu beleihen. Das Umbuchen belastet das Beleihungsvolumen. Da momentan extrem viele Transaktionen laufen, brauchen die Hedgefonds ihr maximales Kreditvolumen. Daher hatte jeder Hedgefonds ein Interesse daran, spät und möglichst wenig zu tendern. Jeder hat sich offenbar darauf verlassen, dass der benachbarte Hedgefonds schon ausreichend Aktien tendert, damit die 50%-Schwelle genommen wird.

Spieltheorie at its best.

Ja, das klassische Dilemma. Das ist dieses Mal so ausgegangen, wie es ausgegangen ist. Das System hat sich praktisch selbst ein Bein gestellt – wie schon in anderen Transaktionen.

Gemäß der Angebotsunterlage kaufen Sie jetzt die Aktien, die Deutsche Wohnen als Treasury Shares hält. Es geht um 3,5 %. Warum haben Sie diese Aktien nicht zuvor erworben? Sie haben am Markt ja auch zugekauft.

Das war im Business Combination Agreement so nicht vorgesehen.

Nach der Ankündigung haben Sie Aktien der Deutsche Wohnen am Markt gekauft. Warum haben Sie nicht mehr gekauft?

Wir haben mit der Liquidität, die wir hatten, Aktien gekauft. Wir haben das Geld aus der Bondemission für den Kauf von 18 % Deutsche- Wohnen-Aktien verwendet, die wir jetzt halten. Außerdem hätten wir ja nur die Aktien erwerben können, die auch getendert worden wären. Diejenigen, die nicht getendert haben, hätten uns ihre Aktien zu diesem Zeitpunkt sicher nicht verkauft.

Vom Verkauf der DW-Aktien bis zu einem neuen Angebot will Vonovia jetzt alle Optionen prüfen. Das hört sich so an, als wüssten Sie selbst nicht recht, was Sie wollten.

Ich halte es für besser, jetzt zu überlegen, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Außerdem werden wir die nächsten Schritte mit unserem Aufsichtsrat besprechen, was für uns nach einer derart unerwarteten Wendung der beste Weg ist. Mit unserer Aussage am Freitag haben wir erst einmal aufgezeigt, welche Optionen es überhaupt gibt. Wir haben keinen Handlungszwang.

Unter welchen Bedingungen ist ein erneutes Angebot überhaupt möglich. Nach einem gescheiterten Versuch sind Sie doch eigentlich für ein Jahr gesperrt, oder?

Das ist richtig, aber da gibt es auch Ausnahmen.

Als Option nannten Sie auch, weitere Aktien am Markt zu kaufen. Beim Überschreiten der 30%-Schwelle müssten sie ein Pflichtangebot unterbreiten. Dass es Ihnen damit gelingt, die 50% zu nehmen, wäre aber ungewiss. Was sollte das bringen?

Sie haben das sehr gut analysiert.

Was bedeutet das Scheitern für die strategische Ausrichtung von Vonovia?

De facto nichts. Wir haben die Transaktion ja nicht gebraucht, um ein Problem zu lösen. Die Strategie von Vonovia ist intakt. Durch den Zusammenschluss hätten wir uns nur verstärkt. Sie wäre eine Chance gewesen, die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt noch besser zu lösen.

Sie hatten den Zusammenschluss auch mit Blick auf die Herausforderungen beim Klimaschutz begründet. Gemeinsam ließe sich die energetische Sanierung leichter bewerkstelligen. Was heißt das im Umkehrschluss?

Dass es jetzt wieder genauso schwierig ist wie vorher. Beide Firmen müssen die gleichen komplexen Fragestellungen beantworten. Das wollten wir künftig gemeinsam machen. Jetzt muss zunächst jeder für sich die Lösung finden, wie er CO2-neutral Wärme produziert – ohne die Mieter finanziell zu überfordern.

Ihr freiwilliges Klimaziel – Klimaneutralität bis 2050 – reicht nach den neuen EU-Vorgaben nicht.

Bis heute steht für den Gebäudesektor noch nicht fest, was genau bis 2045 erreicht werden soll. Wir haben einen verbindlichen Klimapfad bis 2050 mit jährlich messbaren Zielen, den wir auch auf 2045 umbauen können. Es würde bedeuten, dass wir unseren Bestand nach 2030 schneller sanieren müssten. Zudem erwarten wir ja auch weitere Technologiefortschritte in den nächsten Jahren.

Sollten Sie das Geld nicht besser in Klimaprojekte stecken als in Akquisitionen?

Klimaschutz hat bei uns oberste Priorität, das können wir aus dem normalen Cash-flow des Unternehmens finanzieren. Wir haben uns mit dem Klimapfad für die nächsten 30 Jahre verpflichtet, in die energetische Sanierung und in die alternative Strom- und Wärmeversorgung zu investieren. Das ist sehr langfristig und unabhängig von den aktuellen Ereignissen geplant und abgesichert. Die Akquisition wäre mit Eigenkapital und Bonds finanziert worden.

Darf man daraus rückschließen, dass Sie die DW-Aktien wieder verkaufen?

Nicht unbedingt. Die Aktien sind ja durch die jüngst emittierten Anleihen finanziert.

Was wird aus dem Verkauf von 20 000 Wohnungen an das Land Berlin, den Sie dem Berliner Senat für die Zustimmung zu der geplanten Fusion versprochen hatten? Wie viele Wohnungen wären aus Ihrem Bestand gekommen?

Die Antwort darauf ist einfach: Ein Mann, ein Wort. Ich habe dem Senat den Verkauf von etwa 8 000 Wohnungen aus unserem Bestand angeboten. Und dabei bleibt es. Wir haben die Zusage gemacht, weil wir glauben, dass wir den Unzustand in Berlin beheben müssen und eine neue Art der Kooperation brauchen. Wir bleiben auch bei der Zusage, die Mietentwicklung in Berlin in den kommenden fünf Jahren zu begrenzen und neue Wohnungen zu bauen. Es ist sehr erfreulich, dass die Deutsche Wohnen sich ähnlich äußert. Den Mietern entstehen keine Nachteile.

Zur Finanzierung wollten Sie bis zu 25 000 Wohnungen aus Ihrem Bestand veräußern. Behalten Sie diese Wohnungen jetzt?

Selbstverständlich. Es ist ja nicht unser Geschäftsmodell, Wohnungen zu verkaufen. Das war ja keine Ankündigung, sondern nur eine Finanzierungsoption für den Fall, dass die Annahmequote sehr hoch gewesen wäre.

Das Interview führte