Verkehrstechnikkonzern

Infrastruktur­programme heizen Vossloh an

Der Bahnzulieferer Vossloh profitiert zunehmend von den weltweit aufgelegten Infrastrukturprogrammen, die u.a. dem Klimaschutz dienen sollen. So hat der Konzern in kurzer Zeit mehrere Großaufträge aus China an Land gezogen.

Infrastruktur­programme heizen Vossloh an

md Frankfurt

Viele Länder haben Investitionsprogramme für die Bahninfrastruktur auf den Weg gebracht, um so dem Klimawandel entgegenzuwirken und gleichzeitig veraltetes Material auszutauschen oder moderne Technik zu implementieren. Ein Profiteur dieses Megatrends ist der Bahnzulieferer Vossloh. So ist der Verkehrstechnikkonzern gerade zum dritten Mal innerhalb der vergangenen vier Monate damit beauftragt worden, Schienenbefestigungssysteme für den Neubau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in China zu liefern. Diese Bestellungen seien der „Ritterschlag für unsere Problemlösungskompetenz bei Hochgeschwindigkeitsstrecken“, sagte Vorstandschef Oliver Schuster. Der jüngste Auftrag habe ein Volumen von rund 50 Mill. Euro.

Rückstau nicht aufgearbeitet

Im Schlussquartal 2021 sei ein Rekordauftragseingang verzeichnet worden, hatte Schuster vor kurzem in einem Pressegespräch erklärt. Auch 2022 sei u.a. mit Großorders aus Australien und China „sehr gut losgegangen“. Vossloh erwarte im Gesamtjahr einen Auftragseingangsrekord, auch weil der Rückstau bei den Bestellungen, der sich in den Pandemie-Jahren gebildet habe, „bei weitem noch nicht aufgearbeitet“ sei. Als Beispiel nannte er die französische Staatsbahn SNCF, die zuletzt mit Aufträgen geizte – auch weil sie hohe operative Verluste einfuhr und deswegen bei den Investitionen auf die Bremse treten musste.

China sei für Vossloh ein wichtiger Wachstumsmarkt, betonte Schuster. Dass die Bestellungen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 32 Mill. auf 948 Mill. Euro gestiegen sind, war vor allem der positiven Entwicklung im Bereich Core Components zu verdanken und hier in erster Linie dem Geschäftsfeld Fastening Systems (Schienenbefestigungen), denn es kamen Großaufträge aus China sowie aus Indien und Australien herein. Australien – ein weiterer bedeutender Markt für Vossloh – steuerte im vergangenen Jahr 103 (i.V. 28) Mill. Euro zum Konzernumsatz von 943 (870) Mill. bei. Der Erlössprung erklärt sich durch Großaufträge, wie sie für den Bahnzulieferer typisch sind – die aber eben nur in unregelmäßigen Abständen gewonnen und abgearbeitet werden.

Die Umsätze in Asien, die vor allem aus dem China- und Indien-Geschäft resultieren, kletterten im Vorjahr auf 187 (113) Mill. Euro. Die Region ist inzwischen nach Westeuropa mit 239 (231) Mill. Euro die zweitwichtigste für das Unternehmen.

„Die geplanten Umsätze im Geschäftsfeld Fastening Systems in China sind für das laufende Jahr durch gewonnene Aufträge bereits abgedeckt“, sagte Schuster nach Eingang des jüngsten Großauftrags. Mit der nun gewonnenen Order seien darüber hinaus auch die für 2023 erwarteten Umsätze im Bereich Befestigungssysteme für Hochgeschwindigkeitsstrecken in China zum Großteil abgesichert. „Das sind hervorragende Voraussetzungen, um unsere ehrgeizigen Wachstums- und Profitabilitätsziele zu erreichen.“ Denn mittelfristig, das heißt laut Schuster 2024, soll eine zweistellige Ebit-Marge (Ergebnis vor Zinsen und Steuern zum Umsatz) in jeder der drei Divisionen – Core Components (10,9%), Customized Modules (8,1%) und Lifecycle Solutions (8%) – erreicht werden. Das sei ein „realistisches Ziel“. Im Gesamtkonzern soll dies 2026 geschafft werden.

Im laufenden Jahr peilt Vossloh bis zu 1 Mrd. Euro Umsatz an. Unter anderem wird für das Geschäftsfeld Lifecycle Solutions (Instandhaltung von Schienen und Weichen, stationäres Schweißen) ein deutlicher Erlösanstieg in Aussicht gestellt. „Die Service-Umsätze werden prozentual in den nächsten Jahren stärker steigen als die Produkt-Umsätze“, sagte Schuster. Seiner Ansicht nach wird die Streckenverfügbarkeit das „Thema Nummer 1 in den nächsten 20 Jahren“ werden. Es gehe verstärkt darum, bestehende Strecken betriebsbereit zu halten.

2022 soll die Ebit-Marge zwischen 7,5 und 8,5% liegen, nach 7,7% im Vorjahr. Es wird jedoch betont, dass mögliche Auswirkungen „aus den jüngsten politischen Ereignissen in Osteuropa“ auf den Ausblick möglich seien. Darunter fallen steigende Energiepreise. Als Beispiel wies Schuster auf die Produktion von Spannklemmen (Geschäftsfeld Fastening Systems) hin, die unter hohem Energieeinsatz in einem Hochtemperaturofen hergestellt werden. Würden die Energiepreise und Material- sowie Logistikkosten weiter steigen, wären wohl auch die unteren Ende der Zielspannen für Umsatz und Ebit-Marge gefährdet. Allerdings waren bei der Prognosestellung Mitte März die zu dieser Zeit bereits deutlich erhöhten Energiepreise in die Ziele eingearbeitet worden.

Dagegen ist die direkte Wirkung des Ukraine-Krieges für Vossloh gering. 2021 sei etwa 1% des weltweiten Umsatzes auf Russland, Belarus und die Ukraine entfallen. Allerdings habe man vor dem Krieg die Erwartung gehegt, das Russland-Geschäft ausbauen zu können. In der aktuellen Situation werde aber kein Neugeschäft mehr in Russland verfolgt. Es würden nur bestehende vertragliche Verpflichtungen erfüllt, da die Geschäfte nicht von Sanktionsmaßnahmen betroffen seien.

Weitergabe höherer Kosten

Die Weitergabe von Preissteigerungen „bewegt uns maßgeblich“, sagte Schuster. Verhandlungen mit der öffentlichen Hand, die oftmals ein Bahnmonopol in ihrem Land haben, seien „nicht ganz einfach“. Die Möglichkeit zu Preisgleitklauseln, die zu einer Anpassung der vereinbarten Abnahmepreise bei anziehenden Kosten führen, wenn diese bestimmte Grenzen überschreiten, sei nur eingeschränkt möglich. Zudem erfolge die Anpassung zeitversetzt – etwa nach sechs bis zwölf Monaten – und es gebe Obergrenzen. Dennoch zeigten sich die Vossloh-Kunden in der Regel gesprächsbereit, da sie laut Schuster „kein Interesse daran haben, die Zahl ihrer Lieferanten zu reduzieren“. Letztlich könnten rund zwei Drittel der Preiszuwächse weitergegeben werden.

Vossloh sei in mehr als 100 Ländern im Einsatz. Im Markt für Schienenbefestigungssysteme sei der Konzern Weltmarktführer, bei Weichen die Nummer 2. In Deutschland habe man einen Anteil von rund 85% am Auftragsvolumen der Deutschen Bahn. Wie Vertriebschef Jan Furnivall sagte, zeigen die weltweit anlaufenden Infrastrukturprogramme mehr und mehr Wirkung. So plane die Deutsche Bahn für 2022 mit einer Erhöhung der Investitionen um rund 900 Mill. auf 13,6 Mrd. Euro; u.a. sollen rund 1800 Kilometer Gleise und 2000 Weichen erneuert werden. „Das wird zum Teil auch in unseren Taschen landen“, sagte der COO.

Die jüngste Word Rail Market Study vom europäischen Bahnverband Unife sagte für 2021 ein Wachstum von 2,2% für den relevanten Markt von Vossloh voraus. Dieser Wert wurde vom Konzern mit einem Erlösanstieg von 8,4% weit übertroffen. Für dieses Jahr wird eine Umsatzveränderung zwischen minus 2% und plus 6% erwartet.

Innovative Kunststoffschwelle

Eine Innovation von Vossloh, über deren Umsatzpotenzial nur spekuliert werden kann, ist die Kunststoffschwelle, die laut Schuster „kurz vor der Serienreife“ steht. Auf die Frage, ob die vom Unternehmen oft angeführte Nachhaltigkeit des Geschäfts mit der Substitution der traditionellen Holz- durch eine Kunststoffschwelle vereinbar ist, fällt die Antwort des CEOs eindeutig aus: Die Kunststoffschwelle biete gegenüber der Holzschwelle beachtliche ökologische, technische und wirtschaftliche Vorteile, u.a. weil sie außergewöhnlich stabil und damit langlebig sei, weil sie vollständig recycelbar sei und weil die Behandlung mit stark umweltbelastenden Teerölen wie bei der Holzschwelle entfalle.

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