Sonderprüfung

KPMG stellt Mängel bei Adler fest

Beim Wohnimmobilienkonzern Adler Group hat es laut KPMG-Sonderprüfung keinen systematischen Betrug gegeben, wohl aber Mängel in der Dokumentation und Abwicklung von Transaktionen.

KPMG stellt Mängel bei Adler fest

hek Frankfurt

Die forensische Abteilung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat diverse Mängel bei Adler Group gefunden. Vom Vorwurf systematisch betrügerischer oder ausplündernder Transaktionen mit angeblich nahestehenden Personen sieht sich der Wohnimmobilienkonzern aber entlastet. Materiell, in der Sache und im Ton, seien die Vorwürfe von Viceroy Research vollkommen überzogen und daher nicht haltbar, sagt der seit Februar 2022 amtierende Verwaltungsratschef Stefan Kirsten. In der Dokumentation und Abwicklung einiger Transaktionen habe KPMG Forensic aber Mängel aufgedeckt. „Es ist kein Freispruch erster Klasse“, räumt Kirsten ein.

Der mit Spannung erwartete Bericht befasst sich vor allem mit den Transaktionen und dem Einfluss von nahestehenden Personen, der Be­wertung der Immobilien und den Auswirkungen auf die Anleihebedingungen. Auslöser war die Attacke des britischen Leerverkäufers Fraser Perring. Dessen Researchfirma Viceroy hält Adler schwerwiegende Verfehlungen wie Betrug, finanzielle Falschdarstellung und Geschäfte mit verbundenen Parteien zulasten von Anleihegläubigern und Aktionären vor. Ein Netzwerk um den Investor Cevdet Caner habe das Unternehmen systematisch ausgeplündert.

Daraufhin hat Adler Group im Oktober 2021 KPMG Forensic mit der Sonderuntersuchung beauftragt. KPMG prüft auch den Jahresabschluss, allerdings eine andere Abteilung. Caner hatte die Viceroy-Vorwürfe energisch bestritten. In einer Stellungnahme zeigt er sich nun erfreut, das der KMPG-Bericht die rufschädigenden Anschuldigungen von Viceroy widerlegt habe.

„Es gab unbotmäßigen versuchten Einfluss durch Dritte, aber von einer systematischen und umfassenden Bereicherung zulasten anderer Stakeholder kann meines Erachtens überhaupt keine Rede sein“, versichert Kirsten in seiner Gesamtbewertung. „Betrug und Täuschung gab es nicht.“ Das Thema Viceroy sei damit für ihn erledigt. Adler Group sei „angeschlagen, aber vital“. Die im SDax vertreten Aktie reagierte am Freitag zunächst mit kräftigen Kursaufschlägen, die aber im Handelsverlauf abschmolzen.

Governance-Schwachstellen

Kirsten räumt ein, dass die Untersuchung diverse Schwachpunkte aufdeckt, die ein mangelndes Verständnis von guter Corporate Governance offensichtlich machten. Nach seiner Einschätzung gab es „ein Maß an Hemdsärmeligkeit, das unangemessen ist für eine börsennotierte Gesellschaft“. Die Mängel würden jetzt beseitigt. Dazu soll es Mitte Mai mit der Einladung zur Hauptversammlung eine Präsentation geben. Das Aktionärstreffen findet am 29. Juni statt. Den wegen der Sonderprüfung verschobenen Jahresabschluss will Adler Ende April vorlegen.

Die an Berater wie Caner gezahlten Honorare stuft Kirsten, der als früherer Vonovia-CFO über reichlich Erfahrung im Immobiliengeschäft verfügt, als marktgerecht ein.

Für „in Bausch und Bogen widerlegt“ hält der Verwaltungsratschef die Vorwürfe von Viceroy zur Bewertung der Mietwohnungen. Wertdifferenzen gibt es aber bei den Immobilienprojekten. KPMG Forensic hat zwei Drittel des Projektportfolios analysiert und kommt dabei auf einen Marktwert, der um 411,8 Mill. Euro oder 17,6% unter dem Betrag liegt, den der für Adler tätige Gutachter NAI Apollo ermittelt hat. Vereinfacht hochgerechnet auf das Gesamtportfolio ergäbe sich eine Differenz von 600 Mill. bis 700 Mill. Euro. Spannend wird nun sein, wie sich KPMG in der Abschlussprüfung zu diesem Thema positioniert. Adler hatte den Vorwurf, die Immobilienwerte in den Bilanzen seien überhöht, bereits im Oktober als „nachweislich falsch“ zurückgewiesen und betont, dass es sich nicht um interne, sondern um externe unabhängige Bewertungen handele. Gutachter des Vermietungsportfolios ist CBRE, der weltgrößte Immobiliendienstleister.

„Offener Dissens“

Einen, so Kirsten, „offenen Dissens“ zwischen Adler Group und KPMG Forensic gibt es zur sogenannten Gerresheim-Transaktion, die ein Entwicklungsprojekt der Adler-Enkelgesellschaft Brack Capital im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim be­trifft. Aus Sicht des Sonderprüfers sei zweifelhaft, ob die dem Verkauf der Projektgesellschaft zugrunde liegende Bewertung von 375 Mill. Euro dem Fair Value entspricht. KPMG Forensic hält eine bilanzielle Korrektur für notwendig. Adler hingegen ist nach wie vor der Ansicht, dass der Fair Value der Projektgesellschaft korrekt ist. Er sei in mehreren Jahresabschlüssen testiert worden. Bei dem Gerresheim-Deal ging es um einen Verkauf des Projekts an ein Unternehmen von Caners Schwager Josef Schrattbauer. Laut Viceroy war der Veräußerungspreis für die Projektgesellschaft überhöht.

Die von KPMF Forensic geforderte Korrektur würde den Angaben zufolge dazu führen, dass die in Anleihebedingungen festgelegte Obergrenze für den Verschuldungsgrad (Loan to Value, LtV) von 60% zum Stichtag 30. September 2019 einmalig überschritten wurde, und zwar auf der Ebene der Tochtergesellschaft Adler Real Estate. „Der Rest ist eine sehr theoretische, ja fast akademische Analyse ohne rechtliche oder faktische Relevanz für die heutige Adler-Gruppe“, sagt Kirsten.

Widerlegt habe KPMG Forensic den Vorwurf, dass Adler die LtV-Berechnung geändert habe, um einen Bruch der Anleihebedingungen zu vermeiden. Allerdings monieren die Prüfer Abweichungen zwischen den aus den Anleihebedingungen abgeleiteten Verschuldungsgraden und den textlichen Angaben. Angepasste Berechnungen von KPMG Forensic hätten aber keine Überschreitung der LtV-Schwellenwerte ergeben.

Das Thema LtV ist sensibel, weil Adler sich in hohem Maße über Bonds finanziert. Das Unternehmen hat aktuell Anleihen im Volumen von 4,4 Mrd. Euro draußen. Die Erkenntnisse der Sonderprüfung beschnitten weder die Fähigkeit, die Schulden zu bedienen, noch würden sie zu einer Verletzung der Anleihebedingungen führen, versichert Kirsten.

Den 137 Seiten umfassenden Bericht der Sonderprüfer hat Adler, versehen mit Schwärzungen, ins Internet gestellt. Die Prüfer monieren, dass ihnen nicht alle angeforderten Informationen, etwa E-Mails, übergeben worden seien. Kirsten führt dafür rechtliche Gründe an.

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