Susanne Schröter

LEG Immobilien hat Rating fest im Blick

Die großen Wohnimmobilienkonzerne betreiben bei der angeschlagenen Adler Group Cherry Picking. Die LEG Immobilien holte Ende 2021 gar zum Doppelschlag aus und bricht damit endgültig aus NRW aus.

LEG Immobilien hat Rating fest im Blick

Annette Becker.

Frau Schröter, wie lässt sich der jüngst von der LEG getätigte Doppelschlag an der Akquisitionsfront einordnen?

Die Transaktion bringt die LEG auf dem Weg zu einem deutschlandweiten Spieler für bezahlbares Wohnen ein deutliches Stück nach vorn. Künftig liegen 20 % unserer Bestände außerhalb Nordrhein-Westfalens, bisher waren es 8 %.

Trotzdem hatte es den Anschein, als müsste LEG zum Jagen getragen werden. Sie waren nicht sofort Feuer und Flamme, sich aus dem Portfolio der Adler-Gruppe ein Stück abzugreifen. Was hat Sie zum Umdenken gebracht?

Wir sind ein konservativer Spieler im Markt, der immer erst grundlegend analysiert, ob Bestände auch passen. Das haben wir auch hier getan. Am Ende war klar, dass die Bestände von Adler, die wir jetzt erwerben, sehr gut zu unserem geografischen Footprint und mit einer Durchschnittsmiete von unter 6 Euro auch perfekt zu unserem Kernsegment „bezahlbares Wohnen“ passen. Andere Bestände der Adler, etwa in Berlin, kommen dagegen für uns nicht in Frage.

Wenn Sie die Call-Option ziehen, kostete Sie die Doppeltransaktion 2,5 Mrd. Euro. Warum wollen Sie das komplett mit Fremdkapital finanzieren?

Die Fremdfinanzierung bezieht sich zunächst nur auf den ersten Teil der Transaktion, die 15 400 Einheiten. Das können wir grundsätzlich sehr gut innerhalb unserer Verschuldungsziele mit Fremdkapital finanzieren. Wir freuen uns sehr, dass wir die ursprüngliche Brückenfinanzierung inzwischen durch unsere bisher größte Anleiheemission ablösen konnten. Bezüglich der Option, sollten wir sie ziehen, gibt es noch keine Entscheidung zur Finanzierung. Wir hoffen aber, dass wir die Option am Ende auch ziehen werden. Wir haben bis Ende September 2022 Zeit.

Auch durch die Verwerfungen rund um die Adler Group dürften Investoren genauer auf die Verschuldungskennziffern schauen. Was erwarten Ihre Investoren?

Die Investoren haben eine differenzierte Sicht auf das Thema. Ihnen ist wichtig, dass wir eine nachhaltige Kapitalstruktur haben, die künftiges Wachstum nicht einschränkt. Zu­gleich sind die Investoren aber auch damit einverstanden, dass man bei größeren Transaktionen vorübergehend, also für zwölf bis 18 Monate, einen höheren Verschuldungsgrad in Kauf nehmen kann. Mir ist wichtig, dass wir unser „Baa1“-Rating behalten. Das ist entscheidend für die Finanzierungskosten. Von daher berücksichtigen wir bei der Aussteuerung der Kapitalstruktur insbesondere auch die Erwartungen der Ratingagenturen.

Die beständigen Bestandsaufwertungen befeuern die M&A-Maschinerie bei Immobilien. Denn mit jeder Aufwertung sinkt der Loan to Value (LTV). Verführt das zu laxeren Akquisitionskriterien?

Für die LEG kann ich nur sagen, dass wir neben dem LTV auch auf die Nettoverschuldung in Relation zum Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; die Red.) schauen – gerade weil diese Kenngröße diesen Punkt berücksichtigt. Die Aufwertung drückt den LTV oder anders ausgedrückt: Hat man heute einen LTV von 43 % und vergleicht das mit einem LTV von 43 % von vor drei Jahren, dann ist die Verschuldung heute größer. Daher ist es wichtig, auch die Nettoverschuldung in Relation zum Ebitda anzuschauen. Die Kennzahl veranschaulicht das Einkommenspotenzial. Dieses ist zwar auch gestiegen, aber nicht so stark wie die Aufwertung.

Haben Sie eine Richtschnur?

Wir haben keine offizielle Zielgröße. Allerdings kann man dem jüngsten Moody’s-Report entnehmen, dass unser Net Debt zu Ebitda in der Zielstruktur bei 13,5 bis 14,5 liegen wird. Das ist eine ganz gute Richtgröße. Wie beim LTV gilt hier aber auch, dass die Richtung mittel- bis langfristig stimmt. So berücksichtigt man, dass die Kennziffer hinterherläuft. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr ist der größte Teil der Ankäufe erst zum Jahresende in unseren Besitz übergegangen, finanziert wurden sie aber vorher. Entsprechend ist der Ankauf schon in der Verschuldung zum Bilanzstichtag 2021 enthalten, während die Ebitda-Beiträge aus diesen Beständen erstmals in diesem Jahr einfließen. Da es sich um eine Stichtagsbetrachtung handelt, geht es vor allem um die Perspektive.

Sie scheinen den Blick in der Investorenkommunikation stärker auf die Debt-Investoren zu richten. Ist das korrekt?

Nein, in keinem Fall. Wir stehen natürlich mit beiden Investorengruppen im Austausch. Ich bin aber davon überzeugt, dass das Rating und die Kapitalstruktur für die Aktieninvestoren genauso im Fokus steht wie für Debt-Investoren. Wir haben über Jahre starke Aufwertungen gesehen. Mit Adler haben wir zudem einen Spieler im Markt, der aufgrund der Verschuldung mit dem Vertrauen der Aktieninvestoren zu kämpfen hat. In der Aktienkommunikation gibt es natürlich weitere wichtige Aspekte wie beispielsweise Neubau oder die ESG-Thematik. Vom Wachstum auf der Portfolioseite profitiert man aber nur, wenn die Finanzierungs- bzw. Kapitalstruktur, so wie das bei uns der Fall ist, passt.

Was macht das erworbene Portfolio so attraktiv?

Die Bestände, die aus dem Portfolioankauf zum Jahreswechsel auf uns übergegangen sind, befinden sich zum Großteil in Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen. Dort hatten wir in den vergangenen Jahren mit der Expansion außerhalb Nordrhein-Westfalens (NRW) be­gonnen. Mit der Akquisition bauen wir die Präsenz aus, so dass die dortigen Bestände künftig wesentlich effizienter bewirtschaftet werden können. 90 % des Portfolios sind an Standorten, an denen wir schon vertreten waren. Im Zusammenhang mit dem Ankauf werden wir nun erstmals auch eine Niederlassung außerhalb NRW eröffnen. Das ist für uns ein großer Meilenstein.

Wie gehen Sie mit dem vergleichsweise hohen Leerstand in diesem Portfolio um?

Genau an diesem Punkt verfügt die LEG über eine besondere Expertise. Da macht uns keiner etwas vor. Dass wir in der Lage sind, Bestände mit höherem Leerstand besser zu bewirtschaften als andere, zeigt der Blick auf unsere Bestände in höher rentierlichen Märkten. Dort haben wir den Leerstand im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal im Durchschnitt um 107 Basispunkte reduziert und sind vielerorts praktisch voll vermietet.

Sie wollen aus dem Portfolio 1 300 Wohnungen in Leipzig verkaufen. Zugleich sagen Sie, den Leipzig-Bestand des BCP-Portfolios – dort geht es um 4 300 Wohnungen – in jedem Fall behalten zu wollen. Das ist widersprüchlich?

Die Wohnungen aus dem bereits erworbenen Adler-Portfolio liegen, anders als im BCP-Portfolio, überwiegend nicht in Leipzig-Downtown. Es handelt sich um sehr kleine, weit verstreute Bestände in Thüringen und Sachsen und eben nicht in Ballungszentren. Dadurch ist die Be­wirtschaftungseffizienz nicht ge­geben. 20 Einheiten hier und 50 Einheiten dort, das passt nicht zur LEG.

Diesem Problem sehen sich aber auch etwaige Käufer gegenüber.

Wir haben schon mehrere Interessenten für die zum Verkauf stehenden Wohnungen. Wir sind an dieser Stelle sehr zuversichtlich, dass wir die Wohnungen zeitnah verkaufen können.

Die zweite Transaktion, die Übernahme der Brack Capital Properties (BCP), haben Sie im Wege eines Minderheitserwerbs samt Call-Option eingeleitet. Warum haben Sie die Gesellschaft nicht sofort gekauft?

Die LEG hat noch nie zuvor ein Portfolio mit 15 400 Einheiten erworben. Wir übernehmen keine Plattformen, sondern bestandshaltende Gesellschaften. Entsprechend müssen wir zum Beispiel unsere IT ausrollen und die neue Niederlassung aufbauen. Das sind große Aufgaben, vor denen wir durchaus Respekt haben. Zunächst müssen wir uns auf die Integration der erworbenen Bestände konzentrieren, was erfreulicherweise sehr gut anläuft. Die BCP-Transaktion kommt danach. Dort kommen aufgrund der Börsennotierung der BCP in Israel auch rechtliche Themen auf uns zu.

Ist es also lediglich eine Frage des Wann und nicht des Ob?

Wenn wir für eine Option Geld ausgeben, gehen wir natürlich davon aus, die Option auch zu ziehen. Aber natürlich werden wir uns die Bestände nochmals im Detail anschauen. Mit der Option haben wir die dafür erforderliche Zeit gewonnen. Ich gehe nicht davon aus, dass es zu Problemen kommt. Die Bestände machen einen sehr guten Eindruck, es handelt sich ja um ein sehr bekanntes Portfolio.

Das Portfolio ist unter anderem durch den relativ hohen Projektentwicklungsanteil bekannt. Wie groß ist denn der Anteil des Projektentwicklungsgeschäfts?

Der Anteil dürfte zwischen 13 und 14 % liegen. Es gibt verschiedene Entwicklungsprojekte, auch das Glasmacherviertel im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim gehört dazu. Das ist bislang aber kein Projekt, sondern ein recht großes Baugrundstück. Daneben gibt es zwei Entwicklungsprojekte in Düsseldorf, die so gut wie abgeschlossen sind. Es gibt ein Projekt im Luxussegment, das nicht so gut zur LEG passt. Hier werden wir sehen, wie wir damit umgehen. Das Aachener Projekt ist dagegen ein öffentlich gefördertes Projekt und würde sehr gut zu uns passen. Das Gerresheimer Grundstück ist sehr groß, angesichts der Lage aber auch sehr attraktiv. Die BCP hat es mit 164 Mill. Euro in der Bilanz stehen, ein externes Bewertungsgutachten taxiert den Wert dagegen auf 270 Mill. Euro. Für dieses Grundstück gibt es also verschiedenste Möglichkeiten.

Vor einem Jahr haben Sie Projektentwicklung noch rundheraus abgelehnt. Was ist heute anders?

Wenn Sie sich die Größenordnung im Verhältnis zu unserem Kerngeschäft, der Bestandsbewirtschaftung, anschauen, macht die Projektentwicklung weiterhin nur einen sehr kleinen Teil unseres Geschäftes aus. Aber: Es gibt im Wesentlichen zwei Themen, die sich gegenüber früher grundlegend geändert haben. Zum einen das Thema Neubau. Die neue Bundesregierung legt einen besonderen Fokus auf Neubau, speziell mit Blick auf bezahlbaren Wohnraum. Als zweitgrößter Be­standshalter der Republik müssen wir dazu einen Beitrag leisten und wollen ab 2026 jedes Jahr 1 000 Einheiten bauen statt bisher geplanten 500 Einheiten. Dazu sind wir eine Kooperation zum modularen Bau mit der Firma Goldbeck eingegangen. Größere Baugrundstücke passen dabei prima ins Konzept. Zum anderen sind wir insgesamt größer geworden. Inklusive des Adler-Portfolios brachten wir es zum Jahresende auf 166 000 Einheiten, inklusive BCP sind es sogar 172 000 Wohnungen. Das erhöht unseren Spielraum auf der Projektentwicklungsseite, wobei wir mit Blick auf das Rating immer im Auge behalten, dass der Anteil im Entwicklungsgeschäft aufgrund des höheren Risikoprofils überschaubar bleibt.

Im Gesamtkomplex Adler haftet aber insbesondere dem Projektgeschäft ein schaler Beigeschmack an. Wie stellen Sie sicher, dass Sie die Risiken im Griff haben?

Viele der Themen, die in der Presse thematisiert werden, beziehen sich auf den Adler-Unternehmensteil Consus. Zu Consus haben wir aber keinerlei Exposure. Die Entwicklungsprojekte in der Brack Capital gehören dieser Gesellschaft. BCP ist eine börsennotierte Gesellschaft mit einer Reihe von Minderheitsaktionären. Dadurch ist eine gewisse externe Kontrolle sichergestellt.

Das BCP-Paket von 31 % wurde zu einem Abschlag auf den Nettovermögenswert (NTA) von 4 % erworben. Adler spricht von einem Kaufpreis auf Höhe des NTA. Also fiel der Abschlag für die BCP-Minderheiten höher aus. Das schürt Zweifel an der Werthaltigkeit.

Zur Preisgestaltung sagen wir nichts. Beim Kauf haben wir 6,8 % von Adler erworben und 24,1 % von Minderheitsaktionären. Wir haben einen attraktiven Preis geboten. Wir haben eine Prämie auf den Börsenkurs von BCP bezahlt. Außerdem ist die Aktie sehr illiquide, so dass sich Aktionäre nicht so leicht über die Börse von größeren Anteilen trennen können.

In der Call-Option ist der Preis festgelegt, zu dem die Option gezogen werden kann. Dieser liegt 10 % über dem NTA. Wird das Portfolio noch aufgehübscht?

Die Option ist bis 30. September 2022 gültig. Der Referenz-NTA wurde zum Stichtag 30. September 2021 ermittelt. Wenn man sich die Wertentwicklung von Immobilien in den vergangenen Jahren anschaut, kann man davon ausgehen, dass zum Jahresende noch einmal aufgewertet wird und vermutlich auch zum ersten Halbjahr 2022. Das heißt, der Aufschlag auf den NTA zum Kaufzeitpunkt wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf 10 % belaufen. Das relativiert die Preisfindung. Zudem geht es um ein attraktives Portfolio mit guter Qualität, das auch gut bewirtschaftet ist. Es unterscheidet sich von den Adler-Beständen, da es in einer eigenständigen Gesellschaft liegt. Außerdem werden im Transaktionsmarkt teilweise deutliche höhere Prämien insbesondere für größere Portfolien aufgerufen.

Noch sind die Rahmenbedingungen für die Immobilienwirtschaft ideal, doch der Wendepunkt an der Zinsfront naht. Wie begegnen Sie diesen Risiken?

Wir haben das Thema auf dem Schirm, sind mittelfristig aber nicht sonderlich betroffen und nicht übermäßig besorgt. Wir haben 2021 schon deutliche Volatilität gesehen. Im historischen Kontext – und historisch meint zwei bis drei Jahre – bewegen wir uns aber noch immer auf niedrigem Niveau. Wir haben auf der Finanzierungsseite einen hohen Anteil an fixen Verzinsungen, weniger als 8 % unserer Verbindlichkeiten werden variabel verzinst. Zudem haben wir auf langfristige Finanzierungen gesetzt. Allein im vorigen Jahr haben wir Anleihen mit Laufzeiten von zehn, elf und zwölf Jahren begeben. Bis 2024 haben wir keine größere Fälligkeit. Bei Neufinanzierungen schlagen höhere Zinsen natürlich durch. Hier kann man zum Beispiel hinsichtlich Größenordnung und Kaufpreis bei Akquisitionen reagieren. Es ist aber auch wichtig zu verstehen, dass unser Mittelzufluss jährlich wächst. Das erhöht den Spielraum.

Der Markt ist heißgelaufen. Wie schätzen Sie das Potenzial für weitere Wertsteigerungen ein oder geht es eher um Abwertungen?

Für mich gibt es Anhaltspunkte, dass das Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Zum einen ist die operative Portfolioentwicklung – zumindest bei uns – sehr positiv. Wir haben rekordniedrigen Leerstand, haben 2021 ein Mietwachstum auf vergleichbarer Fläche von 3 % erzielt und erwarten das auch 2022. Dazu kommt, dass es im Transaktionsmarkt eine unverändert hohe Nachfrage gibt. Das haben wir am eigenen Leib erfahren.

Wie meinen Sie das?

In den vergangenen Monaten sind wir gleich bei zwei Portfolien mit je rund 500 Einheiten nicht zum Zug gekommen. Da waren andere bereit, deutlich höhere Preise zu zahlen. Im Markt ist viel Liquidität, die Anlage zu positiven Renditen sucht und im deutschen Wohnimmobilienbereich ist die Rendite immer noch deutlich positiv. Auch das treibt die Bewertung. Der dritte Punkt ist die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum – ein Segment, das dauerhaft stark gesucht sein wird. Unsere durchschnittliche Bewertung im Bestand liegt bei 1 600 Euro pro Quadratmeter, Neubau ist mit mehr als 3 000 Euro pro Quadratmeter deutlich teurer. Das zeigt: Bezahlbares Wohnen wird sich künftig nur darstellen lassen, wenn man mit den existierenden Beständen arbeitet.

Das Interview führte

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.