Infrastruktur

Nachhaltigkeit als wesent­licher Standort­faktor

Für Porsche geht Nachhaltigkeit über die Produktion von Elektroautos hinaus. Porsche-Vorständin Barbara Frenkel und Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz sprachen sich anlässlich der Jubiläumsfeier der Börsen-Zeitung in Stuttgart für mehr Tempo beim Ausbau nachhaltiger Infrastruktur aus.

Nachhaltigkeit als wesent­licher Standort­faktor

fed Stuttgart

Die Transformation der Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren trotz Gegenwind aus dem Halbleitersektor und anderen Herausforderungen in der Lieferkette kräftig Fahrt aufgenommen. Und das dürfte so weitergehen, wie Porsche-Vorständin Barbara Frenkel anlässlich der Feier des 70. Jubiläums der Börsen-Zeitung in Stuttgart erläuterte. „In den kommenden Jahren werden wir mehr Veränderungen erleben als in den 50 Jahren zuvor.“

Eine Frage des Timings

Beim Thema Elektromobilität sei wie bei allen neuen Technologien vor allem das richtige Timing entscheidend, ergänzte sie. „Zu früh ist nicht gut, zu spät aber auch nicht.“ Frenkel warb dafür, Nachhaltigkeit als gesamthaft getragene Verantwortung wahrzunehmen. Porsche habe nicht darauf gewartet, dass der Gesetzgeber handelt, sondern sei 2015 selbst aktiv geworden und habe Entscheidungen getroffen, die dazu geführt haben, dass vergangenes Jahr bereits mehr vollelektrische Taycan verkauft wurden als vom beliebten Sportwagenklassiker 911. Bereits 2030 sollen mehr als 80% der neu verkauften Porsche-Modelle einen vollelektrischen Antrieb haben. Damit auch die zahlreichen Verbrenner, die noch im Umlauf sind, nachhaltiger werden, investiert Porsche in Chile in eine erste Pilotanlage, in der dank üppiger Windenergie grüne E-Fuels produziert werden sollen. 2030 will Porsche über die gesamte Wertschöpfungskette und den Lebenszyklus der neu verkauften Fahrzeuge hinweg bilanziell CO2-neutral sein.

Auch die Lieferkette habe der Sportwagenbauer im Blick. Porsche arbeite mit über 8000 Lieferanten zusammen, die ihrerseits klare Anforderungen erfüllen müssen. Seit 2019 vergibt Porsche ein Sustain­ability-Rating – auch mit Blick auf die Arbeitsbedingungen etwa beim Abbau der verwendeten Rohstoffe. Seit dem vergangenen Jahr müssen Serienlieferanten bei der Herstellung von Teilen für neue Fahrzeugprojekte auf erneuerbare Energien setzen, sagte Frenkel, die im Vorstand den Bereich Beschaffung verantwortet.

Die Managerin warb für einen engen Austausch von Experten aus unterschiedlichen Disziplinen, um sicherzustellen, dass Richtung, Ge­schwindigkeit und Rahmenbedingungen für die Transformation stimmen. Vielfach klappe das schon gut, an manchen Stellen könne man sich aber schon eine bessere Zusammenarbeit wünschen. Beispielhaft nannte sie die ersten Schritte in die Elektromobilität. Vor vier Jahren habe es schon sehr konkrete Visionen gegeben, wie viele Elektroautos mal auf der Straße fahren sollten. Dann habe man dabei aber nur die Automobilindustrie in den Blick genommen und diese aufgefordert, batteriebetriebene Fahrzeuge zu bauen.

Andere Fragen seien zunächst ausgeblendet worden: „Wo werden diese Autos geladen? Wie viel Strom brauchen wir denn und wie kann der bezahlt werden? Und macht es überhaupt Sinn, Elektroautos zu haben, wenn der Strom nicht nachhaltig erzeugt wird, sondern beispielsweise über Kohlekraftwerke? Da gab es also viele Beispiele, über die man sagen kann, dass wir heute schlauer sind“, so Frenkel im Gespräch mit Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne).

Bayaz stimmte der Porsche-Managerin zu. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit nicht einfach ein Modethema ist, sondern an den Kern der Geschäftsmodelle reicht.“ Das Thema werde künftig darüber entscheiden können, wer noch wettbewerbsfähig sei, so Bayaz. „Natürlich müssen wir in der Politik einen Zahn zulegen – etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien.“ Konkret nannte der Finanzminister große privatwirtschaftliche Projekte, die Baden-Württemberg gerne gehabt hätte. Als Beispiel verwies er auf die Ansiedlung des neuesten Zellwerks des schwedischen Batterieproduzenten Northvolt in Schleswig-Holstein. Dies sei explizit damit begründet worden, dass dort „saubere, verlässliche Energie in der Nähe ist“. Die Aufgaben für die Politik sind laut Bayaz klar definiert. „Es dauert sieben Jahre, ein Windrad zu bauen. Das kann nicht sein. Wir müssen das massiv beschleunigen.“ Für Zukunftsfähigkeit, Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sei das ein wichtiges Thema.

Der Finanzminister räumte ein, dass es gerade im Start-up-Bereich in anderen Regionen größere Hubs gebe. In Deutschland gebe es „das Ökosystem in Berlin, das in München und dann kommt lange nichts.“ Das heiße aber nicht, dass die Ausgangslage in Baden-Württemberg keine gute sei. „Unsere Stärke sind die dezentralen Ökosysteme, die wir haben – in Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart oder Tübingen.“ Hier nannte er das Förderinstitut des Landes, die L-Bank, als wichtigen Partner. L-Bank-Vorstandschefin Edith Weymayr erinnerte daran, dass das Institut gerade in den vergangenen Jahren das Fördervolumen erheblich gesteigert habe, um u.a. die Transformation der Unternehmen in Baden-Württemberg zu unterstützen. Das Bundesland werde zwar auch künftig weder an die Größenordnungen beim Venture Capital noch die internationale Sichtbarkeit anderer Weltregionen heranreichen, sagte Bayaz. Umso mehr gelte es, sich auf die eigenen Stärken zu fokussieren. Für Baden-Württemberg wären das etwa Medizin und Biotech, die Automobilindustrie sowie das Thema künstliche Intelligenz.

Die Zusammenhänge in der Welt würden immer komplexer. Umso wichtiger sei es, Menschen Orientierung zu geben, schlug Bayaz die Brücke zur Börsen-Zeitung. „Ich lese vielleicht nicht mehr die gedruckte Zeitung, aber durchaus das E-Paper statt nur den Pressespiegel, weil das auch mir bei der Einordnung hilft“, so der Minister. Frenkel betonte die Gemeinsamkeit, sich in den vergangenen sieben Dekaden (die Marke Porsche ist 74 Jahre alt) immer wieder neu erfunden zu haben.

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