„Der Bedarf an privaten Finanzierungen erhöht sich“
Im Interview: Mitali Sohoni
„Der Bedarf an privaten Finanzierungen erhöht sich“
Chefin für Asset-basierte Finanzierungen der Citigroup rechnet mit härterem Wettbewerb – Großes globales Netzwerk als kompetitiver Vorteil
Die Leiterin des Geschäfts mit Asset-basierten Finanzierungen der Citigroup, Mitali Sohoni, rechnet trotz schwierigeren Finanzkonditionen mit einem anhaltend starken Wachstum bei Private Credit. Der Wettbewerb im Segment werde allerdings intensiver.
Frau Sohoni, die Märkte machen infolge des Washingtoner Zollchaos ein turbulentes Jahr durch. Die Rezessionssorgen wachsen, der Ausblick für die Inflationsentwicklung ist unklar. Wie wird dies die Nachfrage nach Finanzierungen noch beeinflussen?
Die Märkte sind 2024 über alle Assetklassen enger geworden (abnehmende Liquidität bei steigenden Transaktionskosten, d. Red.). In der Theorie sollte die aktuelle Volatilität zu ausgeweiteten Spreads führen, und wir sehen bereits den Beginn dieser Entwicklung. Zusätzlich zeichnen sich Zeitpunkte ab, zu denen sich die Kapitalaufnahme an den Märkten herausfordernder gestaltet. Der Bedarf an privaten Finanzierungen als Alternative erhöht sich daher.
Allerdings beeinflussen einige andere Faktoren die Kreditqualität im aktuellen Marktumfeld entscheidend. Trotz robusten Konsumausgaben sind Ökonomen über steigende Zahlungsausfälle bei Kreditkarten besorgt ...
Konsumkredite besitzen als Assetklasse echte Stärke. Insgesamt erwarten wir in dem Segment weiterhin eine robuste Marktaktivität. In den Vereinigten Staaten haben wir im vergangenen Jahr neue Emissionen im Volumen von 500 Mrd. Dollar gesehen. Die Gesamtverschuldung der Haushalte ist damit auf rund 18 Bill. Dollar gewachsen. Trotz der hartnäckigen Inflation sind die Haushalte mit hoher Bonität finanziell sehr stark aufgestellt. Die Subprime-Kategorie steht unter stärkerem Druck, seit die Wirtschaft die Corona-Pandemie hinter sich gelassen hat und die fiskalischen Stimuli für Schuldner ausgelaufen sind. Doch mit abnehmender finanzieller Performance sind die Kreditvergabepraktiken auch strenger geworden. Diese Entwicklung ist transparent.
Das Risiko einer Rezession ist infolge von Washingtons Strafzöllen gegenüber US-Handelspartnern indes auch gestiegen.
Richtig, und zwar substanziell. Bisher ist die Credit-Performance trotz eines Anstiegs der Abschreibungen und Zahlungsverzüge aber im historisch üblichen Rahmen zurückgegangen und hat sich damit nicht schlechter entwickelt als von den Ratingagenturen erwartet. Wir erwarten allerdings durchaus höhere Zahlungsverzüge und -ausfälle, wenn die Arbeitslosigkeit steigt.
Bei den Schuldnern aus den Reihen der Unternehmen sieht die Lage anders aus. Wie werden die hohen Zinsniveaus am langen Ende der Treasury-Kurve die Kreditkonditionen und Stabilität bei Corporates beeinflussen?
Unternehmen haben größtenteils aus ihren schlechten Erfahrungen beim Management variabel verzinslicher Kredite gelernt. Über Jahre hinweg haben sie nicht genug Absicherung betrieben, weil das Marktumfeld so freundlich war. Nun haben sie sich daran gewöhnt, dass die Zinsen für längere Zeit höher bleiben, und Hedging-Programme zumindest für einen Teil ihrer Kreditvolumina aufgelegt.
Welche Gelegenheiten entstehen dadurch bei Unternehmensfinanzierungen via Private Credit?
Seit der Finanzkrise 2008 sind mehr und mehr Unternehmensfinanzierungen vom öffentlichen in den privaten Kapitalmarkt geflossen. Diese Entwicklung hat sich 2015 und insbesondere nach der Regionalbankenkrise 2023 noch einmal beschleunigt. Statt dass wir direkt Private-Credit-Finanzierungen für Unternehmen auflegen, stellen wir über das Geschäft mit Spread-Produkten größtenteils Leverage gegen Private-Credit-Portfolios bereit. Wir unterstützen also mehrere Dutzend Assetmanager mit Vorrangkredit-Fazilitäten, die durch Pools aus Private-Credit-Finanzierungen besichert sind. Der Großteil des Portfolios entfällt dabei auf Nordamerika, die Allokation in Europa liegt bei 20 bis 25% und auch Asien kommt auf einen kleinen Anteil. Der Fokus liegt auf Branchen wie Healthcare und Tech und nicht auf zyklischen Sektoren.
Wie genau strukturieren Sie die Transaktionen, bei denen Sie aktiv sind?
Ich gebe Ihnen ein hypothetisches Beispiel: Wir würden beispielsweise einen Pool von 50 Private-Credit-Finanzierungen nehmen, der über verschiedene Industrien diversifiziert ist. Wenn dieser Pool einen Gegenwert von 500 Mill. Dollar aufweist, würden wir ihn als Besicherung nutzen und dagegen einen Vorrangkredit mit Nennwert von vielleicht 350 Mill. Dollar vergeben. Damit würden wir im Fall abnehmender Kreditqualität als Gläubiger bevorzugt behandelt werden und hätten unser Risiko um 30% reduziert. Das ist eine viel sicherere Vorgehensweise, als selbst 50 einzelne Kredite aufzulegen.
Welche Wachstumsraten sind in diesem Geschäft also noch möglich?
Die Nachfrage in diesem Segment wächst mit dem Bedarf nach privaten Kreditfinanzierungen allgemein. Für Assetmanager stellt es eine Gelegenheit dar, ein Asset zu nehmen, das Renditen von 450 Basispunkten oberhalb des Interbankenzinses Sofr abwirft, und es in Produkte zu konvertieren, die Renditen im mittleren zweistelligen Bereich für Investoren abwerfen. Zudem können wir diese Assets wiederum verbriefen und als Private Credit Collateralized Loan Obligations (CLOs) an den Kapitalmarkt weiterverkaufen. Der CLO-Markt hat 2024 ein Rekordjahr hingelegt, allein in den USA belief sich das Volumen der Neuemissionen auf 510 Mrd. Dollar. Auch in Europa haben wir die höchste Begabe jemals gesehen. Zusätzlich refinanzieren Banken existierende Deals zu deutlich engeren Spreads.
Wie wirken sich hartnäckig hohe Zinsniveaus auf Ihre Private-Credit-besicherten Strategien aus?
Viele Unternehmen leiden unter dem Hochzinsumfeld. Doch auch wenn sich das Umsatzwachstum von Unternehmen in den von uns finanzierten Portfolios 2024 abzuschwächen begonnen hat, haben diese immer noch im Rahmen unserer Vorhersagen abgeliefert. Die Zinsdeckungsgrade haben sich stabilisiert. Zugleich haben Private-Credit-Manager über Retail-Fonds und die Zusammenarbeit mit Versicherern hohe Mittel aufgenommen, was ihnen starke, gegenüber dem öffentlichen Kapitalmarkt wettbewerbsfähige Angebote ermöglicht. Während sich auch die öffentlichen Märkte erholen, zeichnet sich eine Veränderung dabei ab, wer die meisten Deals für sich gewinnt. Diese Dynamik kann sich angesichts der hohen Volatilität natürlich auch schnell wieder verändern.
Welche Faktoren sind für Private-Credit-Manager entscheidend, um nach dem Wachstum der vergangenen Jahre weiter Deals für sich zu gewinnen?
Sie können Schuldnern und Investoren mehr Flexibilität bieten – zum Beispiel über Delayed Draw Term Loans, bei denen Kreditnehmer vorher definierte Anteile eines festgelegten und freigegebenen Gesamtvolumens für ihre Finanzierung in Anspruch nehmen können. Private-Credit-Manager haben zudem besondere Konstruktionen wie die Möglichkeit, Fremdkapital bei Übernahmen zu übertragen, entdeckt. Damit besitzen sie bei Finanzierungen auch den Vorteil größerer Geschwindigkeit. Sie stellen ihre Deals praktisch über Nacht zusammen und können verglichen zu den öffentlichen Märkten, an denen sich viel mehr verschiedene Lender mit kleineren Einzeltickets treffen, unglaublich hohe Kreditsummen zusammentragen.
Citigroup ist nicht die einzige Bank, die sich für diese Deals interessiert. Wie wollen Sie sich von Ihren Wettbewerbern sowie spezialisierteren Lendern und Boutiquen abheben, die im privaten Markt für Asset-Based Finance aktiv sind?
Es ist richtig, dass viele Banken Asset-Based Lending als attraktive und effiziente Möglichkeit erkannt haben, am Wachstum von Private Credit teilzuhaben. Doch wir bringen einige besondere Vorteile mit. Durch unseren Status als führende globale Bank, die wirklich rund um den Globus aktiv ist, besitzen wir ein großes Netzwerk im Private-Credit-Segment und finden dadurch einzigartige Gelegenheiten. Wir haben dabei keine eigene Assetmanagement-Abteilung, die mit externen Private-Credit-Managern in Konkurrenz stehen würde. Im Gegenteil finden wir Deals für Letztere und können auf unsere große Kundenbasis zurückgreifen, um Finanzierungen für diese Anbieter zu stemmen. Da wir in verschiedenen Weltregionen gut integriert sind, finanzieren wir diese Transaktionen nicht nur, sondern verbriefen sie auch und erzeugen starke Hebelwirkungen. Damit haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten als wichtiger Spieler am Markt für Asset-Based Finance etabliert. Citi wird dort auch weiterhin stark vertreten sein.
Allerdings haben Private-Credit-Manager durchaus verstärkt die Wahl, mit wem sie zusammenarbeiten. Wie beeinflussen langfristige Veränderungen im Kundenverhalten Ihren geschäftlichen Ausblick?
Private-Credit-Adressen haben in der Tat Kooperationen mit einer großen Zahl verschiedener Banken geschlossen, um Deals und Finanzierungen zu erschließen. Einige haben sich mit Versicherern zusammengetan oder diese sogar übernommen und somit Zugang zu viel Kapital erhalten. Das bedeutet einen Wandel über das vergangene Jahrzehnt hinweg. Zuvor hatten Private-Debt-Manager sehr spezifische Renditeziele und waren nur in einem kleinen Teil des Markts aktiv. Nun hat sich ihre Beteiligung ausgeweitet, insbesondere in den USA. Zusätzlich machen diese Manager auch in Europa große Fortschritte, wo Versicherungsaccounts mehr und mehr Zugang zu verbrieften Privatkrediten suchen. Das unterstreicht das Wachstum dieses Marktes.
Was bedeutet die Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III für diesen Markt? Schließlich suchen Regulatoren Risiken in den Kreditportfolios nachdrücklicher zu adressieren.
Die zuständigen Behörden werden Regeln zur Umsetzung von Basel III vermutlich ganz neu vorlegen. Die Konsequenzen für den Markt sind also sehr schwer abzuschätzen. Wir erwarten aber gut ausbalancierte neue Vorschläge. Banken dürften dazu angehalten werden, Private-Credit-Finanzierungen mit ausreichend Vorrangstatus und Absicherungen aufzulegen, und müssen wohl eine bestimmte Quote an risikogewichteten Assets gegen ihre Positionen aufbringen. All das tun wir bereits. Banken sind in diesem Segment schon sehr lange aktiv. Ihr Management der Kreditportfolios hat zahlreiche Krisentests durchgemacht. Deswegen fühlen Regulatoren sich mit den Positionierungen auch ziemlich wohl.
Unterdessen steht der Büroimmobilienmarkt als wichtige Basis für Asset-besicherte Wertpapiere unter Druck. Die Quote Zahlungsausfälle im Segment ist hoch, es herrschen strukturelle Probleme. Wie wird dies noch die Investorenstimmung bei hypothekenbesicherten Wertpapieren auf Basis von Gewerbeimmobilien (CMBS) und damit auch die Stabilität des gesamten US-Bankensektors beeinflussen?
Der Markt für gute Büroimmobilien erholt sich gerade definitiv. Aktuell besteht in diesem Segment eine Pipeline von 10 Mrd. Dollar an Finanzierungen. Wir sehen da attraktive Gelegenheiten. Die Investorennachfrage nach hypothekenbesicherten Wertpapieren hat sich im ersten Quartal robust entwickelt. Obwohl das Angebot bei CMBS und CLO auf Gewerbeimmobilien mit einem Volumen von insgesamt 45 Mrd. Dollar hoch ausgefallen ist, sind die Spreads bis Mitte März sehr eng geblieben. Büroimmobilien hoher Qualität waren beim Emissionsvolumen von CMBS auf Einzelassets im bisherigen Jahresverlauf führend. Allerdings haben einige Sektoren eine gewisse Schwäche gezeigt – zum Beispiel Datenzentren, an deren Bedarf das Erstarken des chinesischen KI-Start-ups DeepSeek Zweifel geweckt hat, oder Büros im Life-Sciences-Segment, bei denen ein Überangebot herrscht.
Wie sieht es bei Büroimmobilien niedriger Qualität aus?
Diese dürften zwar teilweise in Wohnimmobilien konvertiert werden, die Probleme in diesem Markt werden aber wohl anhalten. Zahlreiche Teilmieten von Bürogebäuden laufen aus, dieser Trend wird 2025 seinen Zenit erreichen. Wir werden da einige Anpassungen sehen – also Mietverlängerungen zu veränderten Bezügen oder Liquidierungen. Es sieht also ganz so aus, als würde die Schere zwischen „guten“ und „schlechten“ Büroimmobilien weiter auseinandergehen.
Sie haben DeepSeek und den Hype um künstliche Intelligenz bereits erwähnt. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump will Investitionen in Big Tech und KI-Infrastruktur ankurbeln. Wie wird das die Kreditvergabe-Aktivität und den Markt für Asset-Backed Finance generell beeinflussen?
Der Trend zum Ausbau digitaler Infrastruktur hat schon lange vor der neuen Administration begonnen. Wir benötigen Infrastrukturinvestments in der Größenordnung von 75 bis 100 Mrd. Dollar pro Jahr, um Big-Data-Modelle zu skalieren – Rechenzentren, Chips und Glasfaserkabel sind da ganz zentral. Der ABS-Markt kann einen Großteil der benötigten Finanzierungen stemmen. In der Weltwirtschaft allgemein haben hoch verschuldete Regierungen bisher nicht genug in Infrastruktur investiert. Deshalb werden Entwickler sich häufiger an die Kapital- und Privatmärkte wenden.
Wie attraktiv sind diese US-Infrastruktur-Gelegenheiten für ausländische Investoren?
Viele Kunden, mit denen wir zusammenarbeiten, sind Private Funds, deren Nachfrage durch ihre Limited Partner getrieben wird. Bei einem großen Teil von diesen handelt es sich um ausländische Investoren aus dem Nahen Osten, Asien, Europa und Kanada. Bisher haben Handelskonflikte deren Appetit auf Investments in den USA nicht gehemmt. Aber wir müssen den langfristigen Effekt natürlich erst einmal abwarten.
Der Wohnimmobilienmarkt hat sich in den vergangenen Quartalen indes robuster entwickelt als der Gewerbeimmobilienmarkt. Doch wie werden sich die hartnäckig hohen Hypothekenzinsen noch auf das entsprechende MBS-Segment auswirken?
Die meisten Kreditnehmer haben sich vor Jahren extrem niedrige Zinsen gesichert und wollen nun nicht zu erhöhten Niveaus refinanzieren. Zugleich sind die Häuserpreise noch immer außerordentlich hoch, da das Angebot sehr gering ist. Die Marktaktivität fällt aufgrund der schwierigen Finanzierbarkeit niedrig aus, es kommt kaum zu Transaktionen. Unser Hypothekenstrategen gehen davon aus, dass die Häuserpreise 2025 gegenüber dem Vorjahr um 2,5% aufwerten werden. Allerdings glauben wir auch nicht an einen bedeutenden Anstieg der Kreditausfälle im Segment, da die Hauskäufer auf hohen Eigenkapitalquoten sitzen. Investoren preisen indes die gestiegene Wahrscheinlichkeit einer Rezession ein. Wenn der Arbeitsmarkt schwächelt, dürfte auf dem Häusermarkt noch einiger Gegenwind wehen.
Das Interview führte Alex Wehnert.
Das Interview führte Alex Wehnert.