Finanzplatz London rückt Finanzierung von Wachstum in den Fokus
„Ich habe noch nie so viele offene Türen gesehen“
Jahreskonferenz von TheCityUK zeigt, wie nahe sich Aufsicht und Finanzbranche in Großbritannien gekommen sind
hip London
Die Jahreskonferenz der Londoner Finanzlobby TheCityUK steht ganz im Zeichen der Wachstumsfinanzierung. Während Premierminister Keir Starmer nebenan die neue Außenhandelsstrategie der Regierung vorstellt, geht es im großen Saal des QE2 Conference Centre in Westminster darum, wie Finanzdienstleister mehr zum Wirtschaftswachstum beitragen können. Dass das Softwareunternehmen Visma aus dem Portfolio des Finanzinvestors HG Capital angeblich in London an die Börse gehen will, hebt die Stimmung der Konferenzteilnehmer.
In der industriepolitischen Strategie der Regierung gehört die Branche zu den acht Wachstumsindustrien, auf die sich Labour konzentrieren will. Das Land will bis 2035 das innovativste Finanzzentrum der Welt mit einem umfassenden Dienstleistungsangebot sein.
Suche nach einer großen Erzählung
Derzeit würden eine Menge Strategien vorgelegt, sagt Stephen Berger, Global Head of Government & Regulatory Policy bei Citadel. Nun sei es Zeit, die Worte in Handeln zu übersetzen. „Es ist schwer, ein übergreifendes Narrativ zu finden, das alles zusammenbringt“, fügt er hinzu.
Er wertet positiv, dass Schatzkanzlerin Rachel Reeves einmal sagte, sie schäme sich nicht, für die Finanzbranche als eines der großartigsten Assets des Landes einzutreten. Das sei eine ganz grundlegender Wandel im Vergleich zur konfrontativen Herangehensweise der Politik, die vor einem Jahrzehnt gängig war. Man dürfe nicht unterschätzen, wie sehr sich die Einstellung verändert habe. „Ich habe noch nie so viele offene Türen gesehen“, sagt Tony Katz, Global Co-Chair Financial Services bei DLA Piper, über seine Erfahrungen mit der FCA (Financial Conduct Authority) und der Bankenaufsicht PRA (Prudential Regulation Authority).
Regulatorische Divergenzen
Auch in der City of London spürt man die Auswirkungen des weltweit erstarkenden Protektionismus. Internationale Standards, die Grundlage des institutionellen Geschäfts, seien schwerer aufrechtzuerhalten, sagt Nikhil Rathi, der Chef der Finanzaufsicht FCA. „Wir werden Entscheidungen treffen müssen, und wir werden uns nicht immer in Übereinstimmung mit unseren Partnern befinden.“ Schon jetzt zeichnen sich Divergenzen zwischen der britischen Regulierung und den Regelwerken des wichtigsten Handelspartners, der EU, ab.
Die FCA hat ihren Ansatz geändert und verfolgt nun eine ergebnisorientierte Regulierung. Der Schwerpunkt liege auf dem Zweck, nicht auf dem Prozess, sagt Rathi. Es gehe um „mehr Flexibilität, um mit der rasanten Innovation Schritt zu halten“. Derzeit arbeitet die Behörde an ihrer Strategie für die kommenden fünf Jahre. Dazu gehört nicht nur mehr Flexibilität bei der Vergabe von Hypotheken für Käufer von Wohnimmobilien, sondern auch eine Prospektreform, die es einfacher machen soll, Kapital bei Anlegern einzusammeln.
Stabilität und Bedachtsamkeit
Großbritannien habe sich bei der Regulierung als „agiler“ erwiesen, sagt Berger. Das Land „profitiert davon, dass nur ein Koch in der Küche steht“. Es gebe zwar Potenzial für eine weitere Vereinfachung und noch mehr Streamlining, um Wachstum und Innovationen zu ermöglichen. Doch wisse man am Markt Stabilität und Bedachtsamkeit zu schätzen. An einem Fegefeuer der Regelwerke gebe es kein Interesse.
„Die Finanzdienstleistungsbranche bleibt Großbritanniens Superkraft, sagt Tiina Lee, CEO von Citi UK. Für sie steht das Thema Zahlungsabwicklung im Vordergrund. Da gehe es nicht nur um Kryptowährungen. „Wir sind auf dem richtigen Weg, aber Tempo ist von kritischer Bedeutung“, sagt Lee. „Es ist ein bisschen so, als müsste man die ganzen Muscheln von seinem Boot abkratzen, um schneller sein zu können.“
Multi-Money-Welt
Auch für Sarah Breeden, die stellvertretende Gouverneurin der Bank of England, ist die Zahlungsabwicklung von grundlegender Bedeutung für Wachstum und Innovationen. Während man in den USA zu Stablecoins tendiert und in Europa zu digitalen Zentralbankwährungen (CBDC), spricht sich Breeden für ein „gemischtes Ökosystem“ aus. „Für uns besteht eine echte Chance darin, eine Multi-Money-Welt zu entwickeln.“