Bitcoin

Knappheit allein schafft keinen Wert

Der Cornell-Professor Eswar Prasad prognostiziert eine Phase des Wettbewerbs zwischen privaten und offiziellen Währungen. Die digitale Revolution werde die Funktionen von Geld verändern.

Knappheit allein schafft keinen Wert

hip London

Der Cornell-Professor Eswar Prasad geht davon aus, dass die digitale Revolution zu Veränderungen bei den Funktionen von Geld führen wird. „Die Zeit des physischen Geldes geht mit Sicherheit schon bald zu Ende“, sagte er auf der Jahresausblickskonferenz der Citi­group. Itay Tuchman, Global Head of Foreign Exchange bei der US-Großbank, stimmte ihm zu. „Es ist viele Jahre her, dass ich Geldscheine in meiner Brieftasche herumgetragen habe“, sagte Tuchman. In der Volksrepublik China sei der Übergang zum digitalen Geld fast abgeschlossen, sagte Prasad. Der Autor von „The Future of Money“ arbeitete für den Internationalen Währungsfonds, bevor er seine Lehrtätigkeit an der US-Eliteuniversität aufnahm. Die digitale Revolution mache Unternehmen den Markteintritt viel leichter. Sie mache es auch einfacher, zu expandieren, weil man kein umfangreiches Filialnetz mehr benötige.

Zu den von ihm erwarteten Veränderungen bei den Funktionen von Geld gehört das Auftreten von Formen von Geld mit spezialisierten Funktionen. Stablecoins bedienten ein wirkliches Bedürfnis, wenn es um effizientere digitale Zahlungssysteme gehe. Ironischerweise erhielten sie ihren stabilen Wert dadurch, dass sie mit traditionellem Geld unterlegt seien, merkte Prasad an. „Die Ethereum-Blockchain zeigt das Potenzial, die Plattform für ‚Decentralized Finance‘ zu liefern“, sagte er. Dem Buzzword liegt der Gedanke zugrunde, dass auf Intermediäre wie Börsenmakler und Banken verzichtet und eine offene, transparente und von den Nutzern bestimmte Infrastruktur geschaffen werden kann. Allerdings werde bei den Debatten über eine „Demokratisierung“ der Finanzbranche oft vergessen, dass vielen Menschen das erforderliche Wissen fehle, gab Prasad zu bedenken.

„Reines Spekulationsobjekt“

Wenn es um die Wertaufbewahrungsfunktion von Geld geht, haben digitale Währungen bislang wenig zu bieten. Bitcoin sei „ein reines Spekulationsobjekt“, sagte der Finanzwissenschaftler. Allerdings sei das Timing des Auftretens der ehemaligen Hackerwährung auf der Weltbühne unübertrefflich gewesen. Nach der Lehman-Pleite war das Vertrauen der Menschen in Banken und Regierungen erschüttert. Es sei ein „zweifelhaftes Theorem“, dass Knappheit allein einen Wert darstellen könne. Wenn Turbulenzen aufträten, brauche man eine Institution, die dazu in der Lage ist, Liquidität im benötigten Umfang zu schaffen. Er gehe davon aus, dass traditionelle Währungen wichtige Wertaufbewahrungsspeicher bleiben werden. Ob Bitcoin als Absicherung gegen Inflation funktioniere, lasse sich noch nicht sagen. Schließlich habe es seit Auftreten der Kryptowährungen in den großen westlichen Ländern keine Inflation in nennenswertem Umfang gegeben.

„Wir treten in eine Phase erneuten Wettbewerbs zwischen privaten und offiziellen Währungen ein“, lautet seine Prognose – zumindest bei der Funktion von Geld als Zahlungsmittel. Die Frage sei, ob es noch Stablecoins brauche, wenn es digitales Zentralbankgeld gebe und umgekehrt. Sein an Mao Tse-tung erinnernder Ansatz: „Wir sollten uns in einer Welt befinden, in der 1 000 Blumen blühen.“ Auch wenn der digitale Dollar kommen sollte, wäre noch genug Platz für Stablecoins von Firmen wie Amazon oder Facebook.