Finanzmarktkalender15. Juli

US-Großbanken drohen nach Höhenflug Turbulenzen

Die größten US-Banken können angesichts eines lockereren regulatorischen Kurses mehr Kapital an ihre Aktionäre zurückführen. Doch fürchten Analysten einen Einbruch der Kreditqualität.

US-Großbanken drohen nach Höhenflug Turbulenzen

15. Juli

US-Banken im Höhenflug

Die größten US-Banken können angesichts eines lockereren regulatorischen Kurses mehr Kapital an ihre Aktionäre zurückführen. Doch fürchten Analysten einen Einbruch der Kreditqualität. Insbesondere bezüglich der Immobilienportfolios regen sich vor der Berichtssaison zum zweiten Quartal neue Sorgen.

Von Alex Wehnert, New York

Amerikas führende Banken befinden sich zum Auftakt der Berichtssaison für das zweite Quartal im Höhenflug. Denn sie profitieren von einer wesentlich entspannteren Regulierung in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. So hat die Federal Reserve unter ihrer vom Republikaner eingesetzten Vize-Vorsitzenden für Bankenaufsicht, Michelle Bowman, Ende Juni einen kontrovers diskutierten Plan zur Aufweichung von Kapitalvorgaben zur 60-tägigen Marktkonsultation gestellt.

Die Mindestquote für das Tier-1-Kapital, das Geldhäuser gegen ihre bilanziellen und außerbilanziellen Fremdmittel vorhalten müssen, die sogenannte Enhanced Supplementary Leverage Ratio (ESLR), soll je nach Risikoprofil auf 3,5 bis 4,5% fallen. Bisher gilt ein Standard von 5% für Bankholdings und 6% für Tochtergesellschaften, die Einlagen verwahren. Im Gegensatz zur Kernkapitalquote ist die ESLR nicht risikogewichtet. Die Reform soll es Banken laut Bowman ermöglichen, mehr Treasuries zu zeichnen und damit zum Stabilisator für den angeschlagenen US-Anleihemarkt zu werden.

John Waldron, Präsident und Chief Operating Officer von Goldman Sachs, betonte zuletzt, es sei „global ein guter Zeitpunkt, Freiräume für Banken zu schaffen, damit sie ihre Kapazitäten zur Kreditvergabe an die Gesamtwirtschaft ausspielen können“. Schließlich beanspruchten Mega-Trends wie der Ausbau von Rechenzentren und Infrastruktur für künstliche Intelligenz enorme Mengen an Kapital, die aufgrund der angespannten Haushalte vieler Nationalstaaten größtenteils aus privater Hand finanziert werden müssten.

Shareholder Return massiv ausgebaut

Skeptiker wie der ehemalige Fed-Vize und heutige Notenbankgouverneur Michael Barr betonen, die Banken würden überschüssiges Kapital wohl eher im großen Stil an ihre Aktionäre zurückführen. Nachdem die 22 größten Geldhäuser der Vereinigten Staaten den ersten Stresstest unter Bowmans Ägide – den Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie beim japanischen Finanzdienstleister Nomura in New York, als „vergleichsweise einfach handhabbar“ bezeichnete – problemlos überstanden, haben führende Adressen um Goldman und Bank of America bereits kräftige Dividendenerhöhungen verkündet. J.P. Morgan und Morgan Stanley stocken ihre Aktienrückkauf-Programme zudem um 50 bzw. 20 Mrd. Dollar auf.

Barr warnt zudem davor, dass Banken infolge regulatorischer Lockerungen ihre Aktivitäten in riskanten und schwach regulierten Marktsegmenten ausweiten dürften. Laut Hertrich sollten Aktionäre der Geldhäuser im Zuge der anstehenden Berichtssaison detailliertere Fragen zur Entwicklung der Konsumenten- und Hypothekenkreditportfolios stellen. Am kommenden Dienstag öffnen J.P. Morgan, Citigroup und Wells Fargo die Bücher, am Mittwoch folgen Bank of America, Goldman Sachs und Morgan Stanley.

Falsche Sicherheit bei Gewerbeimmobilien

Zuletzt ließ gerade der Blick auf die Gewerbeimmobilienkredite Marktteilnehmer an eine Erholung in dem schwer gebeutelten Segment glauben. Nachdem der Anteil der Zahlungsverzüge bei Objekten, deren Eigentümer Rückzahlungen aus dem Mieteinkommen leisten, im dritten Quartal 2024 auf einen Höchststand von 2,07% geklettert war, ist er zuletzt auf 2,01% gefallen. „Das Problem ist nur, dass es sich hier um einen Fake handelt“, kommentiert Bill Moreland vom Analysedienst BankRegData.

Denn während die Abschreibungen sich zuletzt auf erhöhten Niveaus bewegt hätten, könnten weder sie noch die Kreditrückzahlungen den Rückgang erklären. Vielmehr modifizierten Amerikas Geldhäuser – und vor allem die größten unter ihnen – ihre Darlehenskonditionen im Rekordtempo. „Wer die Zahlungsverpflichtungen ausreichend senkt, wird irgendwann auch den Anteil im Verzug befindlicher Kredite fallen sehen“, führt Moreland aus.

Anpassungen als Einstiegsdroge

Nach Daten der US-Einlagensicherung FDIC haben Finanzinstitute im abgelaufenen Quartal auf diese Weise Kredite im Umfang von 10,65 Mrd. Dollar von der Liste der Non-Performing Loans genommen. Dies entsprach 0,91% der Darlehensvolumina im Gewerbeimmobiliensegment, der Anteil ist seit Anfang 2023 damit um fast 80 Basispunkte geklettert.

In Maßen könne eine Anpassung der Kreditkonditionen ein effektives Mittel zum Portfoliomanagement sein, betont Moreland. Allerdings stelle sich dieses allzu häufig als „Einstiegsdroge“ heraus: Banken rechtfertigten somit eine wachsende Zahl an Anpassungen, um ihre Bücher aufzuhübschen. In Wahrheit trügen diese Tricksereien bestenfalls dazu bei, einen Anstieg der Zahlungsverzüge und schließlich Ausfälle hinauszuzögern. Angesichts solcher Warnungen dürften bei Investoren im Rahmen der Zahlenvorlagen in der kommenden Woche auch die Rückstellungen der Banken für faule Kredite wieder verstärkt in den Fokus rücken.