Finanzmärkte

Gespanntes Warten auf die EZB-Tagung

Marktteilnehmer fragen sich, ob die EZB am Donnerstag ein näher rückendes Ende der ultralockeren Geldpolitik signalisiert. In einer Reduktion der Anleihekäufe sehen manche ein Risiko für Aktien.

Gespanntes Warten auf die EZB-Tagung

ck/kjo Frankfurt

Mit Argusaugen werden die Marktteilnehmer am Donnerstag die Sitzung des geldpolitischen Rats der EZB verfolgen, schließlich geht es um die Frage, ob die Notenbank nicht aufgrund des derzeitigen Teuerungsdrucks im Euroraum allererste Signale sendet, dass sich die Zeit des billigen Notenbankgeldes dem Ende nähern könnte. Die Verantwortlichen bei der EZB haben wie ihre US-Kollegen jüngst immer wieder klargestellt, dass sie davon ausgehen, dass die Inflationsschübe nur ein temporäres Phänomen seien. Ähnlich sehen es auch viele Marktteilnehmer. Sie stellen sich darauf ein, dass die EZB erst mal auf Sicht fahren wird. Aber die Meinungen an den Märkten gehen auch weit auseinander.

„Diese EZB-Sitzung dürfte für die Anleger von großer Bedeutung sein. Es ist gut möglich, dass der EZB-Rat eine Reduzierung der laufenden PEPP-Käufe ankündigt. Eine Vielzahl von EZB-Politikern, von den üblichen Befürwortern wie Jens Weidmann bis hin zum Chefvolkswirt Philip Lane, haben angedeutet, dass es an der Zeit ist, die EZB-Notfallhilfen zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie zu reduzieren“, sagt etwa Paul Diggle, Senior Economist bei Aberdeen Standard Investments.

Dies würde zur gleichen Zeit geschehen, in der die Fed über eine Drosselung der Anleihekäufe nachdenkt und weitere große Zentral­banken eine weniger akkommodierende Richtung verfolgen. „Doch selbst wenn die EZB die PEPP-Käufe reduziert, dürfte das vorherige APP-Quantitative-Easing-Programm­ noch lange weiterlaufen, während ein Ende der negativen Zinssätze in der Eurozone noch nicht in Sicht ist. Im Laufe der Zeit könnte sich die EZB inmitten der weltweiten Tendenz zu einer leicht restriktiveren Geldpolitik als gemäßigt präsentieren, wodurch sich einige interessante Investitionsmöglichkeiten ergeben“, so Diggle.

Die jüngsten Entwicklungen er­schweren es laut Franck Dixmier, Global Chief Investment Officer Fixed Income bei Allianz Global Investors, das im März beschlossene höhere Tempo beim Notfall-Wertpapierkaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) zu rechtfertigen. „Die finanziellen Bedingungen im Euroraum sind nun günstiger, die langfristigen Zinssätze sind nach den im zweiten Quartal beobachteten Spannungen gesunken, und die Erwartungen für Zinserhöhungen haben sich auf das Jahr 2024 verschoben“, sagt Dixmier. Das Wirtschaftswachstum habe positiv überrascht, und die Impfkampagnen hätten sich in den vorigen drei Monaten deutlich beschleunigt, wenngleich angesichts der Delta-Variante weiterhin Unsicherheiten bestünden. „Wir erwarten daher die Ankündigung einer Rückkehr zum ur­sprünglichen PEPP-Plan. Dies stünde im Einklang mit der Äußerung von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane vom 25. August, dass die EZB ihr Programm anpassen könnte, wenn dessen Ziel – die Aufrechterhaltung günstiger finanzieller Bedingungen – mit einem geringeren Volumen an Wertpapierkäufen erreicht werden könnte“, so Dixmier. Eine derartige Entscheidung dürfte seiner Ansicht nach die Falken im EZB-Rat zufriedenstellen.

Skeptisch ist dagegen Tomasz Wieladek, Ökonom beim Vermögensverwalter T. Rowe Price, der seinen Blick auf die Zeit nach der Septembersitzung der EZB richtet: „EZB-Chefvolkswirt Lane sagte uns, dass er das PEPP-Programm als eine Art Versicherung gegen Abwärtsrisiken betrachtet. Das bedeutet, dass das Programm so lange weiterläuft, wie die Abwärtsrisiken durch die Pandemie bestehen. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um einen großen Covid-Ausbruch in der Eurozone handeln, sondern es könnte sich auch um eine von Covid ausgelöste Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivität in den USA oder China handeln, die auf die Eurozone übergreift“, sagt er. Da es wahrscheinlich sei, dass diese Abwärtsrisiken in der Winterzeit bestehen bleiben, wird die EZB seiner Meinung nach auf der Dezembersitzung den Umfang des PEPP ausweiten. „Sollte dies nicht der Fall sein, wird sie das APP auf dieser Sitzung ausweiten. Ein abruptes Ende des Ankaufprogramms von Vermögenswerten ist unwahrscheinlich“, so Wieladek.

Morgan Stanley glaubt unabhängig von einer Drosselung des Tempos der Anleihekäufe, dass die Aktienmärkte weiterhin von den Zentralbanken gestützt werden. In einer am Dienstag veröffentlichten Studie sagte das US-Institut eine anhaltende Outperformance europäischer Ak­tien voraus und begründete dies unter anderem eben mit der Bilanzausweitung der Notenbanken. Ein Tapering der Fed werde die Aktienmärkte nicht zum Entgleisen bringen. Die hauseigenen Ökonomen prognostizierten, dass sich die Bilanz der US-Zentralbank in den kommenden zwölf Monaten um 1 Bill. Dollar ausweiten werde. Zusammen mit den zusätzlichen mehr als 1 Bill. Dollar, die wahrscheinlich von der EZB kommen würden, werde die kombinierte Bilanz beider Notenbanken immer noch die stärkste Zwölfmonatsexpansion im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie sehen.

Deutlicher Zinsanstieg

Andere Häuser gehen – unabhängig von Aktionen der EZB – dagegen davon aus, dass das Tapering der Fed die Aktienmärkte belasten wird. So glaubt Aegon Asset Management, dass die Finanzmärkte die Rede des Fed-Chairman Jerome Powell in Jackson Hole zu positiv aufgenommen haben, und sagt einen deutlichen Zinsanstieg voraus. Die Märkte hätten enthusiastisch auf die Rede reagiert. Man könne sich eine solche Reaktion vorstellen: Jede Ausweitung solcher Ankaufprogramme werde von den Finanzmärkten bejubelt, da sie für zusätzliche Liquidität und damit für einen weiteren Aufschwung sorge. „Wir weisen jedoch darauf hin, dass die Zentralbanken irgendwann damit beginnen werden, diese Programme zurückzufahren, was zu einer Neubewertung sowohl der Zinsmärkte als auch der Risikoanlagen führen wird. Wir sehen auch die Gefahr, dass die günstige Inflationsprognose der Fed in den kommenden Quartalen in Frage gestellt wird, da die Hersteller ihre Kostensteigerungen an den Verbraucher weitergeben wollen und können. Infolgedessen sind wir der Meinung, dass die Zinsen in den kommenden Quartalen deutlich steigen werden, was irgendwann auch die positive Stimmung bei Risikoanlagen beeinträchtigen könnte.“

Korrekturrisiken

Auf Korrekturrisiken weist die Commerzbank hin, die den Dax bis Jahresende sehr volatil und in einem Bereich von 14000 bis 16000 Punkten erwartet. Die anhaltende Geldflut mit weltweit rekordhohen Mittelzuflüssen in Aktienfonds sei ein entscheidender Grund, warum die Aktienmärkte derzeit Belastungsfaktoren wie fallende Frühindikatoren, sinkende Autoverkäufe und hohe Inflationsraten so gut wegsteckten. Mit der drohenden Ankündigung reduzierter Anleihekäufe durch die US-Notenbank steige jedoch die Gefahr, dass die Aktienmärkte die schwächeren Gewinnaussichten einpreisen werden. Die Marktteilnehmer wüssten, dass das Tapering unaufhaltsam näher rücke, feierten aber zugleich schwächere Konjunkturzahlen, die ein Hinauszögern des Liquiditätsentzugs zumindest vorstellbar erscheinen ließen, so die Landesbank Baden-Württemberg. „Wir gehen davon aus, dass die Fed vor allem aufgrund des Inflationsdrucks sogar bereits Ende des Jahres mit ersten Tapering-Schritten be­ginnt.“ Angesichts der stark gelaufenen Aktienmärkte, auch über den Sommer, werde nun die Luft kurzfristig dünner.