Devisenwoche

Handlungsdruck auf SNB lässt nach

Eine Reihe von Gründen spricht derzeit für eine Abwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro. Im Jahresverlauf sollte der Inflationsdruck in der Schweiz abnehmen. Wird die SNB einen wieder etwas schwächeren Franken akzeptieren?

Handlungsdruck auf SNB lässt nach

Von Katja Müller *)

Im vergangenen Jahr bekam der Schweizer Franken ordentlich Rückenwind. Nach der Leitzinswende der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Juni 2022 legte die eidgenössische Valuta zum Euro kräftig zu. Bereits im Juli 2022 notierte der Franken gegenüber der Gemeinschaftswährung deutlich unterhalb der Parität. So stark war der Franken gegenüber dem Euro zuletzt nach der überraschenden Aufgabe des Mindestwechselkurses im Januar 2015 gewesen. Im September 2022 markierte der Wechselkurs bei 0,94 sfr je Euro seinen zyklischen Tiefpunkt. Ein extrem nervöses Marktumfeld war sicherlich ein wichtiger Faktor für die Aufwertung des Franken.

Möglich wurde die Aufwertung des Franken aber erst durch eine geänderte Bewertung der eidgenössischen Valuta durch die SNB. Bis zur Zinsentscheidung am 16. Juni hatten die Währungshüter den Franken als „hoch bewertet“ eingeschätzt. Auch hatten sie die eigene Währung am Devisenmarkt durch Interventionen geschwächt, so dass der Wechselkurs des Franken zum Euro die Parität nicht dauerhaft unterschritt. Mit der Zinswende änderte sich die Bewertung des Franken durch die SNB. Die Notenbank ließ nicht nur eine deutliche Aufwertung des Franken zu. Die Währungshüter intervenierten im zweiten Halbjahr 2022 sogar mehrfach am Devisenmarkt, um den Franken zu stärken.

Nach der kräftigen Aufwertung im Sommer verlor der Franken gegenüber dem Euro im Schlussquartal des vergangenen Jahres an Wert. Gegenüber dem US-Dollar legte die eidgenössische Währung dagegen deutlich zu. Die positivere Stimmung an den Finanzmärkten und gegenüber der Gemeinschaftswährung sorgte zu Jahresbeginn 2023 für eine weitere Abwertung des Franken zum Euro. Mitte Januar stieg der Wechselkurs erstmals seit Juli 2022 über 1,00 sfr je Euro. Gegenüber dem Greenback notierte der Franken aber sogar noch etwas stärker als zu Jahresbeginn. Die Stärke des Franken zum schwächelnden US-Dollar wird wohl ein wichtiger Grund gewesen sein, weshalb die SNB wieder einen Wechselkurs des Franken zum Euro oberhalb der Parität akzeptiert. Die Währungshüter beobachten immer die gesamte Währungssituation. Dem Euroraum kommt hierbei als wichtigstem Handelspartner der Schweiz traditionell die höchste Bedeutung zu. Dies zeigt ein Blick auf das Gewichtungsschema der von der SNB berechneten handelsgewichteten Wechselkursindizes für den Franken. Der Euro hatte im Jahr 2022 mit knapp 43% das mit Abstand höchste Gewicht. Im Jahr 2012 war die Gemeinschaftswährung noch mit einem Anteil von 48% in die Berechnungen eingegangen. Der US-Dollar steigerte als zweitwichtigste Währung seine Bedeutung deutlich: Aktuell beträgt das Gewicht fast ein Fünftel, vor zehn Jahren lag dieses bei nur 11%.

Die Inflationsentwicklung läuft insgesamt in die von der Schweizerischen Nationalbank gewünschte Richtung. Der zyklische Inflationsgipfel in der Schweiz wurde mit 3,5% im September 2022 erreicht. Seither zeigte der Trend nach unten. Die Inflation fiel im Januar aber mit 3,3% wieder überraschend hoch aus. Zudem ist das Notenbankziel von 0% bis 2% noch nicht erreicht. Die EZB und die Fed haben bereits kräftiger an der Zinsschraube gedreht als die SNB, weitere Zinserhöhungen stehen dort an. Wir rechnen daher mit einer Leitzinserhöhung durch die SNB bei ihrer Zinsentscheidung im März 2023 um 50 Basispunkte auf 1,50%. Damit dürfte der Zinsgipfel in der Schweiz aber bereits erreicht sein. Die Währungshüter können weiter bei Bedarf Devisenmarktinterventionen einsetzen, um einen aus ihrer Sicht zu schwachen Franken zu verhindern. Der Notenbank stehen hierzu hohe Devisenreserven zur Verfügung. Durch die Fremdwährungskäufe zur Schwächung der eigenen Währung bis zum Frühjahr vergangenen Jahres hatte die SNB Devisenreserven in Höhe von zwischenzeitlich knapp 140% des BIP angehäuft. Auch nach den jüngsten Devisenverkäufen lagen die Reserven zuletzt noch bei gut 100% des BIP. Weitere Devisenverkäufe hätten einen angenehmen Nebeneffekt für die SNB: Sie könnte so den Abbau ihrer aufgeblasenen Bilanz forcieren.

Gemäß unseren Berechnungen liegt der nach Kaufkraftparität angemessene Wechselkurs derzeit bei knapp 0,80 sfr pro Euro. Demnach wäre die helvetische Währung gegenüber dem Euro deutlich unterbewertet. Zum Jahresbeginn 2021 lag der Wert noch bei 1,16 sfr je Euro. Diese Entwicklung ist auf den deutlich stärkeren Anstieg der Produzentenpreise im Euroraum im Vergleich zur Schweiz zurückzuführen. Die Preisniveau-Entwicklung im Euroraum und in der Schweiz dürfte sich nach unserer Einschätzung wieder annähern. Damit sollte sich auch die durch die Kaufkraftparität signalisierte Unterbewertung des Franken wieder verringern. Eine Reihe von Gründen spricht derzeit für eine Abwertung des Franken gegenüber dem Euro. Im Jahresverlauf sollte der Inflationsdruck in der Schweiz abnehmen. Die SNB dürfte somit wieder einen etwas schwächeren Franken akzeptieren und ihre Devisenmarktinterventionen herunterfahren. Der Zinsvorteil spricht zudem für den Euro. Ein weiterer wichtiger Bestimmungsfaktor für die Wechselkursentwicklung der als sicherer Hafen beliebten Schweizer Valuta ist die Risikostimmung an den Finanzmärkten. Mittelfristig erwarten wir eine tendenziell positive Stimmung, was für eine geringere Nachfrage nach dem Franken spricht. Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich der Wechselkurs des Franken zum Euro im laufenden Jahr nicht allzu weit von der Parität entfernen wird. Zum Jahresende 2023 dürfte der Franken leicht schwächer bei 1,01 sfr je Euro notieren.

*) Katja Müller ist Senior Economist bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).