Geldpolitik

Bundesbank heizt Debatte über Fiskal­dominanz an

Im Euroraum nehmen Sorgen zu, dass die EZB-Geldpolitik letztlich an den Staatsfinanzen ausgerichtet wird und nicht mehr am Ziel der Preisstabilität. Ein neuer Bericht der Bundesbank dürfte diese Diskussion nun befeuern.

Bundesbank heizt Debatte über Fiskal­dominanz an

ms Frankfurt

Die umfangreichen Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) erhöhen die Anfälligkeit der Staatsfinanzen in den Euro-Ländern gegenüber Zinsänderungen. Zu diesem Ergebnis kommt die Bundesbank in ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht Juni. Ausschlaggebend ist laut den Experten der bilanzielle Zusammenhang zwischen der Zentralbank und den Staatsfinanzen. Konkret geht es darum, dass bei steigenden Zinsen der Nettozinsertrag der Zentralbank und damit die Gewinnausschüttung an den Staat sinke. Die Staatsanleihekäufe wirkten damit auch der verlängerten Laufzeitstruktur der Staatsfinanzen entgegen.

Mit der Analyse dürfte die Bundesbank Sorgen vor „fiskalischer Dominanz“ im Euroraum anheizen. Gemeint ist damit, dass die Geldpolitik letztlich an den Staatsfinanzen ausgerichtet wird und nicht mehr am Ziel der Preisstabilität. Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing hatte un­längst im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass aus seiner Sicht die fiskalische Dominanz im Euroraum längst Realität sei (vgl. BZ vom 24. März). Dem hatte Ex-EZB-Chefökonom Jürgen Stark im Interview beigepflichtet (vgl. BZ vom 21. Mai).

Im Frühjahr 2015 hatte auch das Eurosystem aus EZB und den 19 nationalen Zentralbanken angefangen, in großem Stil Staatsanleihen aufzukaufen – im Zuge des Public Sector Purchase Programme (PSPP). In der Coronakrise legte der EZB-Rat dann zusätzlich das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) auf. Der Bestand an PSPP-Papieren in der Bilanz des Eurosystems belief sich Ende Mai auf rund 2,4 Bill. Euro, jener an PEPP-Papieren auf knapp 1,1 Bill. Euro. Besondere Brisanz erhält die Diskussion nun dadurch, dass auch im Euroraum die Inflation seit Jahresbeginn deutlich und stärker als erwartet ansteigt.

Die Bundesbank richtet in ihrer Analyse den Fokus nun auf einen Aspekt, der bei den Staatsanleihekäufen „häufig übersehen“ werde, wie sie schreibt. Zwar trügen die Käufe über zahlreiche Kanäle durch niedrigere Zinsen zu einer Entlastung der Staatsfinanzen bei. Deswegen sei es verständlich, dass die Staaten durch längere Laufzeiten versuchten, sich die Niedrigzinsen langfristig zu sichern. Zugleich aber wirkten die Käufe „wie eine Verkürzung der durchschnittlichen Zinsbindungsfrist“. Die angekauften Schulden würden „praktisch von den mittel- bis langfristigen Marktkonditionen auf den risikofreien Zentralbankzins umgestellt“.

Die Bundesbank argumentiert im Grunde wie folgt: Wenn die Zentralbank Staatsanleihen kaufe, führe das in der Regel zu einer höheren Überschussliquidität im System und zu erhöhten Einlagen der Banken bei der Zentralbank. Steige nun das Zinsniveau und damit der Einlagesatz, den Banken für Einlagen bei der EZB erhalten, führe das zu höheren Zinsaufwendungen der Zentralbank – während die Zinserträge auf den Bestand an Anleihen nahezu konstant blieben. Die Staatsanleihekäufe beeinflussten somit den Gewinn der Zentralbanken und damit deren Zahlungen an den Staat. „Beim Staat führt dieser bilanzielle Zusammenhang somit nicht zu veränderten Zinsausgaben, wohl aber zu veränderten Einnahmen“, so der Bericht.

Der kurzfristige fiskalische Vorteil aus den Zentralbankkäufen sei für sich genommen umso größer, je teurer die Marktfinanzierung eines Landes ist, so die Bundesbank. „Gleichzeitig werden die Staatshaushalte aller Mitgliedsländer stärker davon abhängig, wie sich die kurzfristigen Zinsen ändern“, argumentiert sie.

Die Bundesbank rechnet in dem Bericht beispielhaft vor, dass bei einem um 1 Prozentpunkt höheren Einlagenzins und einer Überschussliquidität von 40% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unter sonst gleichbleibenden Bedingungen unmittelbar jährliche Zinsmehraufwendungen der Zentralbanken von 0,4% des BIP resultierten. Für den Euroraum insgesamt entspräche dies etwa 48 Mrd. Euro und für Deutschland 14 Mrd. Euro pro Jahr.