Weltbank-Studie

China wird in Asien abgehängt

Chinas Coronapolitik stellt das Land zunehmend ins Abseits. Im Weltbankbericht für Ostasien laufen die Wachstumsprognosen für Asien diametral auseinander. Dabei erweist sich Vietnam als besonders wachstumsträchtig.

China wird in Asien abgehängt

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Die Asien-Ökonomen der Weltbank zeigen sich pessimistisch gestimmt zu den Wirtschaftsperspektiven in den Schwellenländern im ost- und südostasiatischen Raum und schrauben ihre Prognose für das diesjährige Wachstum in der Region von 5 auf 3,2% herunter. Das geht aus einer aktuellen regionalen Wirtschaftsprognose der Weltbank hervor. Das Problemkind ist diesmal ein besonders wuchtiges, nämlich China als die ihres Zeichens weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft.

Hausgemachte Probleme

Der Koloss verliert wegen hausgemachter Probleme so deutlich an Schwung, dass er von einer Reihe aufstrebender asiatischer Länder, allen voran dem ebenfalls kommunistisch regierten Nachbar Vietnam, überholt wird. Erstmals seit Beginn des Wirtschaftswunders in den neunziger Jahren zeigt sich das Reich der Mitte damit als Bremsklotz statt Tempomacher für die von der Weltbank als East Asia Pacific (EAP) abgegrenzte Region, bei der Japan und Südkorea als bereits hoch entwickelte Industrieländer herausfallen.

In der am Dienstag veröffentlichten Studie wird die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in China deutlich auf 2,8% zurückgeschraubt. Im Juli lag man noch bei 5%. Damit gibt sich die Weltbank noch pessimistischer als das Gros der bei Investmentbanken und Research-Häusern beschäftigten China-Analysten. Hier hatte die regelmäßige Umfrage des Datenanbieters Bloomberg für das BIP-Wachstum im Jahr 2022 zuletzt eine Medianschätzung von 3,4% ergeben. Beide Schätzungen liegen deutlich unterhalb der längst außer Reichweite geratenen offiziellen Zielvorgabe der Pekinger Regierung bei 5,5%. Selbst diese Marke hätte vom Pandemiejahr 2020 abgesehen das schwächste chinesische Wachstum seit Anfang der Neunziger bedeutet. Nun aber verfehlt Peking erstmals überhaupt das Wachstumsziel, und zwar um einiges.

Auch nach dem vom harten Lockdown in Großstädten wie Schanghai verursachten Wachstumsknick im zweiten Quartal verbreitet Peking unablässig Optimismus und stellt eine zügige Erholung in den Raum, von der sich die Realität der Wirtschaftsdaten für Juli und August sowie der Frühindikatoren für September aber deutlich abhebt. Dies wiederum führt dazu, dass die Ökonomen nach 2,6% BIP-Wachstum in der ersten Jahreshälfte (dabei nur 0,4% im zweiten Quartal) für das laufende Semester nicht die von Peking versprochene Aufholjagd, sondern nur eine schleppende Erholung mit einem für China ungewohnt niedrigen Wachstum erwarten.

Nulltoleranzpolitik belastet

Die von der Weltbank nun vorgezeichnete Wachstumsschere zwischen China und den anderen Schwellenländern in der Region zeigt eindeutig, wie die von der Pekinger Parteiführung diktierte „Nulltoleranzpolitik“ zum bestimmenden Wirtschaftsfaktor wird. Während sich Chinas Wachstumsrate, die im Jahr 2021 im Zuge der Basiseffekte im Vergleich zum Pandemiejahr 2020 auf 8,1% geklettert war, nun voraussichtlich mehr als halbieren dürfte, erwartet man bei der Weltbank für die Region EAP ohne China eine Verdoppelung des Wachstums von 2,6% im Jahr 2021 auf jetzt 5,3%. Im krassen Gegensatz zu China haben diese Länder von ansteigenden Rohstoffpreisen und dem Abschütteln von Corona-Res­triktionen profitiert. Als neuer Wachstums-Champion gilt nun Vietnam, wo die Weltbank in diesem Jahr mit einem BIP-Anstieg um 7,2% rechnet, dem 2023 nur eine leichte Abkühlung auf 6,7% folgen dürfte.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.