Währungsunion

Erzeugerpreise in Euroland legen in Rekordtempo zu

Anhaltender Inflationsdruck, zunehmende Rezessionssorgen: Die Lage für die EZB wird immer ungemütlicher: Ein einflussreicher Euro-Notenbanker skizziert nun einen möglichen Fahrplan für weitere EZB-Zinsschritte.

Erzeugerpreise in Euroland legen in Rekordtempo zu

ms Frankfurt

Die Lage für die Europäische Zentralbank (EZB) wird immer ungemütlicher – was die Diskussion über den weiteren Zinskurs zusehends schwerer macht. Eine Rekordinflation bei den Erzeugerpreisen im August befeuerte am Dienstag Befürchtungen einer anhaltend viel zu hohen Teuerung im Euroraum. Zugleich wächst aber die Angst vor einer Rezession in der Währungsunion. Dazu trugen auch neue Signale aus der Euro-Industrie bei. Im Jahr 2023 könnten die EZB-Zinsen deshalb langsamer steigen.

Die EZB hatte im Juli mit einer Anhebung um 50 Basispunkte die Zinswende eingeleitet und im September mit 75 Punkten nachgelegt – ein Rekordschritt. Danach wurde bekannt, dass die Inflation im September erneut alle Erwartungen übertroffen hat und mit 10,0% erstmals seit der Euro-Einführung zweistellig ist. Viele Euro-Notenbanker haben sich wegen der Rekordinflation für weitere kräftige Zinserhöhungen ausgesprochen, samt einem erneuten 75-Punkte-Schritt im Oktober. Andere warnen dagegen wegen der Konjunkturschwäche.

Am Dienstag nun teilte Eurostat mit, dass sich im August die Preise, die Produzenten für ihre Waren erhalten, auf Jahressicht um 43,3% erhöht haben. Das ist der mit Abstand stärkste Zuwachs seit Bestehen der Währungsunion. Der bisherige Rekord wurde mit 38% im Vormonat markiert. Analysten hatten nun mit 43,1% gerechnet. Besonders stark stiegen die Herstellerpreise erneut im Energiesektor – nicht zuletzt als Folge des Ukraine-Kriegs. Die Entwicklung bei den Erzeugerpreisen schlägt in der Regel verzögert auf die Verbraucherpreise durch.

Der Ukraine-Krieg führt aber zugleich dazu, dass die Euro-Wirtschaft enorm an Schwung verliert. Das Bild untermauerte bereits am Montag eine weitere Verschlechterung der Einkaufsmanagerindizes aus der Industrie der Eurozone. Der von S&P Global ermittelte Index sank auf 48,4 Punkte im August, nach 49,6 Zählern im Juli. In erster Veröffentlichung, deren Be­stätigung nun erwartet worden war, waren 48,5 Punkte gemeldet worden. Werte unter 50 Punkten signalisieren ein Schrumpfen des Sektors.

Vor dem Hintergrund plädierte Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau am Dienstag dafür, dass die EZB auf ihren Sitzungen im Oktober und Dezember die Zinssätze weiterhin in großen Schritten anhebt, bevor sie eine Neubewertung vornimmt und möglicherweise zu einem langsameren Tempo übergeht. Villeroy hat das zuletzt aggressive Vorgehen unterstützt und befürwortet weitere Erhöhungen, um den Einlagensatz bis Ende des Jahres von aktuell 0,75% auf rund 2% zu bringen – ein Niveau, das er als neutral bezeichnet. Für die Zeit danach mahnt er aber zu mehr Vorsicht. Villeroy de Galhau signalisiert häufig einen möglichen Konsens im EZB-Rat, weswegen seine Aussagen stets viel Aufmerksamkeit erhalten.

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