Herbstprojektion

Habeck setzt auf Investitionen

Die Bundesregierung kappt wegen der ausbleibenden russischen Gaslieferungen die Wachstumsprognosen. Die Inflation bleibe hoch und dämpfe den Konsum. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit „müssen wir uns mit Wucht aus der Krise heraus investieren“, fordert Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Habeck setzt auf Investitionen

ba Frankfurt

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordert angesichts der schwierigen Wirtschaftslage, „über die Not des Tages hinauszublicken“ und mehr zu investieren. Neben der akuten Krisenhilfe müssen wir uns „mit Wucht aus dieser Krise heraus investieren und den Weg zur Klimaneutralität konsequent beschreiten“, sagte Habeck anlässlich der Vorstellung der Herbstprojektion der Bundesregierung.

Nur so könne die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Wirtschaft gesichert werden. Er verwies dabei auf den hoch subventionierten amerikanischen Inflation Reduction Act: Dieser habe zwar „sicher seinen Sinn, um in den USA klimaneutrale Technik voranzubringen“, doch würde er zu einer heftigen Wettbewerbsverzerrung auch gegenüber dem europäischen Markt führen. Habeck ist aber der Ansicht, dass „wir jede Möglichkeit haben, durch kluge Wirtschafts- und Finanzpolitik in dieser Krise Investitionssignale zu setzen“. Dies müsse einhergehen mit einer beschleunigten Planungs- und Genehmigungsphase in Europa und gerade in Deutschland. Dies werde auf europäischer Ebene, wo die Rahmengesetzgebung erfolge, noch einmal aufzurufen sein, betonte Habeck. Ebenfalls für die Zukunft zu investieren sei „eine angemessene Antwort auf das, was in den USA passiert“.

Als Beispiel für eine kluge Wirtschaftspolitik, die die Inflation nicht antreibe und gleichzeitig die Rezession abmildere, nannte der Ressortchef den Klima- und Tranformationsfonds. Hier kämen in Sachen Wasserstoff die ersten Genehmigungen der EU – die in den allermeisten Fällen nötig seien –, die Investitionen nach sich zögen. Zudem würden mit den beiden Sondervermögen die Unternehmen durch die Gas- und Strompreisbremse in ihrer Substanz geschützt. So könnten – zumindest die meisten – an ihren Geschäftstätigkeiten festhalten „und dann ihre Investitionspläne hoffentlich unverändert und sonst ein bisschen geschoben umsetzen“.

Wegen der hohen Energiepreise aber sei eine Rezession nicht mehr vermeidbar, sagte Habeck. Infolge des Stopps russischer Gaslieferungen wurden in der Herbstprojektion die Voraussagen für das Wirtschaftswachstum kräftig nach unten korrigiert. Im zweiten Halbjahr 2022 sowie im ersten Quartal 2023 dürfte die Wirtschaft schrumpfen, so dass für das Gesamtjahr 2022 nur mehr ein Wachstum von 1,4% und für das kommende Jahr ein Minus von 0,4% erwartet wird (siehe Tabelle).

„Die Zahlen sind schlecht, sie hätten aber auch schlechter sein können“, sagte Habeck. Dabei verwies der Vizekanzler auf die Reaktion der Politik: den 200 Mrd. Euro schweren Abwehrschirm, die Vorbereitung auf eine alternative Gasversorgung, die mittlerweile mit 94,67% sehr gut gefüllten Gasspeicher sowie die Entlastungspakete. Sonst „wäre es noch dramatischer geworden“. Die Energiekrise wachse sich immer mehr zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise aus.

Dies liege an der rekordhohen Inflation. Der Druck auf Unternehmen und private Haushalte sei hoch, so Habeck. Die hohen Preise bremsen die Industrieproduktion – vor allem in energieintensiven Bereichen. Der Kaufkraftverlust hinterlasse auch Spuren im privaten Konsum. Dieser dürfte im nächsten Jahr rückläufig sein. Die geplante Gaspreisbremse dürfte aber den Preisanstieg bremsen. Nach 8,0% im Jahresdurchschnitt 2022 soll die Teuerungsrate 2023 auf 7,0% zurückgehen, bevor 2024 ein „halbwegs normaler Wert“ von 2,4% erreicht werde. Habeck verwies dabei auf die steigenden Leitzinsen sowie dann wieder niedrigere Energiepreise infolge staatlicher Maßnahmen und eines ausgeweiteten Angebots. Die Vorschläge der Expertenkommission vom Montag, um Verbraucher und Wirtschaft bis zum Frühjahr 2024 bei den Gas- und Fernwärmepreisen um etwa 96 Mrd. Euro zu entlasten, begrüßte Habeck „ausdrücklich“. Die von der Regierung eingesetzte Kommission habe sich für „Pauschalität“ und Geschwindigkeit entschieden.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Rande der IWF-Tagung, Deutschland könne nicht damit zufrieden sein, von den Indus­trienationen die schwächste wirtschaftliche Entwicklung zu haben. Dies liege zwar zum einen an der be­sonderen energiepolitischen Ab­hängigkeit und der internationalen Exponiertheit als Exportnation. Zu­gleich, so zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa, gebe es aber auch „länger bestehende Defizite unserer Wettbewerbsfähigkeit, an denen wir systematisch in den nächsten Jahren werden arbeiten müssen“.

Eckwerte der Herbstprojektion 2022
in Prozent2021202220232024
BIP (preisbereinigt)2,61,4−0,42,3
Inflation3,18,07,02,4
Konsumausgaben
 Private Haushalte0,44,3−0,92,4
 Staat3,72,8−0,80,8
Sparquote15,110,29,610,3
Arbeitslosenquote5,75,25,45,2
Quelle: BMWKBörsen-Zeitung
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