Geldpolitik

Kontroverse Debatte über weiteren EZB-Kurs

Befürworter und Gegner weiterer kräftiger Zinserhöhungen im EZB-Rat ringen auf offener Bühne. EZB-Präsidentin Christine Lagarde grenzt derweil die EZB von der aggressiven Fed-Politik ab.

Kontroverse Debatte über weiteren EZB-Kurs

ms Frankfurt

Bereits Wochen vor der nächsten EZB-Zinsentscheidung Mitte Dezember nimmt die Debatte über den weiteren Zinskurs weiter gehörig an Fahrt auf. Die Befürworter und Gegner weiterer deutlicher Zinsschritte ringen dabei auf offener Bühne. EZB-Präsidentin Christine Lagarde ihrerseits untermauerte unterdessen zumindest, dass aus ihrer Sicht eine Rezession nicht ausreichen werde, damit die Inflation ausreichend sinkt. Zugleich machte sie klar, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) nicht nach der US-Notenbank Fed richte.

Angesichts der rekordhohen Inflation im Euroraum hatte der EZB-Rat vergangene Woche seine Leitzinsen erneut um 75 Basispunkte angehoben. Seit Juli sind die Zinsen damit um insgesamt 200 Basispunkte erhöht worden – so aggressiv wie nie. Zugleich wächst aber die Gefahr einer Rezession. Der EZB-Rat hat zwar weitere Zinserhöhungen avisiert, sich darüber hinaus aber nicht in die Karten schauen lassen. Dem Vernehmen nach waren sich die Notenbanker nicht einig über das Ausmaß der weiteren Zinserhöhung.

Bereits kurz nach der Sitzung war dann unter den Euro-Notenbankern eine Diskussion über den weiteren Zinskurs entbrannt (vgl. BZ vom 29. Oktober). Die hat nun mit weiteren, kontroversen Wortmeldungen reichlich Schwung erhalten. So warnte EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta am Donnerstag vor einem zu kräftigen geldpolitischen Straffungskurs. Es gelte zu vermeiden, die Zinssätze zu schnell zu erhöhen. Denn dies könnte aus seiner Sicht das Wirtschaftswachstum, die Immobilienpreise und die Finanzmärkte übermäßig beeinträchtigen. Panetta gilt im EZB-Rat als klare „Taube“, also als Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik. Vor allem Notenbanker aus dem Süden der Eurozone warnen vor einer geldpolitischen Überreaktion.

Dagegen betonte der lettische Zentralbankchef Martins Kazaks am Donnerstag, dass die EZB die Zinsen noch „deutlich“ anheben müsse, um dem Rekordanstieg der Preise entgegenzuwirken – selbst wenn die Eurozone wahrscheinlich in eine Rezession abrutsche. „Die Zinssätze werden immer noch deutlich steigen“, sagte Kazaks im lettischen Fernsehen, vor einer Notenbankkonferenz in Riga. Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel fordert weiter entschlossenes Handeln. Am Mittwoch hatte er in einem Zeitungsinterview gesagt, die Inflation sei hartnäckig, daher müsse die Geldpolitik noch hartnäckiger sein.

EZB-Präsidentin Lagarde bekräftigte am Donnerstag trotz der schwachen Konjunktur die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen im Kampf gegen die hohe Inflation – ohne sich zu Höhe oder Tempo zu äußern. Lagarde sagte auf der Notenbankkonferenz in Riga, dass eine „milde Rezession“ möglich sei. Diese werde aber nicht ausreichen, um die steigenden Preise einzudämmen.

Zugleich grenzte Lagarde die EZB von der Fed ab, die am Mittwochabend ihren Leitzins zum vierten Mal in Folge um 75 Basispunkte angehoben hat. „Wir sind nicht gleich, und wir können auch nicht im gleichen Tempo und unter der gleichen Diagnose unserer Volkswirtschaften vorankommen“, sagte Lagarde.

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