Europäischer Rat

Ringen um Ölembargo überschattet EU-Sondergipfel

Eigentlich sollte es um Ukraine-Hilfen, Energiepreise und die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich gehen – doch beim zweitägigen EU-Sondergipfel in Brüssel wurde anfangs wieder nur um das geplante Ölembargo gestritten.

Ringen um Ölembargo überschattet EU-Sondergipfel

ahe Brüssel

Die seit Wochen anhaltenden Debatten um ein Embargo für russisches Erdöl haben am Montag die Staats- und Regierungschefs aus der EU erreicht, die in Brüssel zu einem Sondergipfel zusammengekommen sind. Bis kurz vor Beginn des Treffens hatten die Botschafter der 27 EU-Staaten noch vergeblich um einen Kompromiss gerungen. Ein neuer Kompromissvorschlag der EU-Kommission sieht vor, das Embargo zunächst nur auf Öl zu konzentrieren, das per Schiff eingeführt wird. Ungarn, das in der EU am abhängigsten von russischem Öl ist und ein Embargo bislang blockiert hat, könnte dann weiter über die „Druschba“-Pipeline mit Öl versorgt werden.

EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich optimistisch, dass auf dieser Basis nach wochenlangem Streit ein Deal auf dem Gipfel gelingen wird. Skeptisch zeigte sich vor Beginn des Treffens weiterhin EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es sei wichtig, dass ein Embargo niemanden in der EU unfair belaste, sagte sie. „Und genau diese Frage haben wir noch nicht gelöst.“ Eine detaillierte Lösung hatten im Vorfeld ohnehin die wenigsten Beobachter in Brüssel erwartet. Als denkbar galt aber eine politische Grundsatzvereinbarung, die dann in den kommenden Wochen – möglicherweise bis zum nächsten regulären EU-Gipfel Ende Juni – weiter ausgearbeitet wird.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán bezeichnete den neuen Vorschlag der EU-Kommission als einen guten Ansatz. Er stellte in Brüssel zugleich erneut Forderungen. Es brauche Garantien für den Fall, dass – etwa wegen eines Unfalls – kein Pipeline-Öl mehr in sein Land geliefert werden könne, sagte Orbán. Dann müsse Ungarn das Recht haben, russisches Öl auch über den Seeweg zu beziehen.

Ungarn hatte zuvor bereits hohe finanzielle Forderungen an Brüssel gestellt. Dazu gehörten bis zu 550 Mill. Euro für die Umstellung von Raffinerieanlagen und 200 Mill. Euro für einen Anschluss an eine an der Adriaküste beginnende Pipeline. Die ungarischen Forderungen hatten Diskussionen über faire Wettbewerbsbedingungen unter den EU-Staaten aus­gelöst.

Ebenso wie andere rief Bundeskanzler Olaf Scholz in Brüssel zur Einigkeit auf. „Das einige Handeln besteht darin, dass alle verstehen, dass das nur funktioniert, wenn jeder sich als Teil einer Gemeinschaft begreift“, sagte Scholz in Richtung Orbán. Der Kanzler zeigte sich vor Beginn des Treffens allerdings auch optimistisch, dass beim Ölembargo ein Konsens gelingen wird. Alle arbeiteten konstruktiv und mit dem Willen, sich zu einigen, betonte Scholz.

Das Ölembargo ist Teil des sechsten Sanktionspakets der EU gegen Russland, das von der Leyen bereits vor vier Wochen im EU-Parlament vorgestellt hatte. Zum Paket gehört unter anderem auch der Ausschluss der mit Abstand größten russischen Bank, Sberbank, aus dem Zahlungskommunikationsnetzwerk Swift. Eigentlich standen die Sanktionen gar nicht auf der Agenda. Am Montag gab es noch Debatten um weitere Finanzhilfen für die Ukraine, nachdem die EU-Kommission vor zwei Wochen ein Paket von 9 Mrd. Euro vorgeschlagen hatte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war per Video nach Brüssel zugeschaltet. Zu den weiteren Themen gehören am Dienstag die Energiepreise, die Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung sowie die Ernährungskrise.

Wertberichtigt Seite 8

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