Rede nach 100 Tagen im Amt

Trump will Effekt von „schönen“ Zöllen auf Autosektor dämpfen

Bei einer Rede anlässlich seiner ersten 100 Tage im Amt präsentiert Donald Trump sich seinen Anhängern als effektiver Handelskrieger. Zugleich muss er den Druck durch Strafzölle auf den Autosektor lindern.

Trump will Effekt von „schönen“ Zöllen auf Autosektor dämpfen

Trump will Zollschlag für US-Autosektor dämpfen

Regierung verspricht Gutschriften auf Komponenten-Importe und weitere Lockerungen

xaw New York

US-Präsident Donald Trump hat sich bei einer Rede im traditionell umkämpften „Swing State“ Michigan anlässlich seiner ersten 100 Tage im Amt für seine protektionistische Handelspolitik gefeiert – seine Strafzoll-Strategie auf Druck aus der Wirtschaft aber erneut aufgeweicht. „Das ist erst der Anfang“, sagte Trump, der seit seiner Amtseinführung im Januar antagonistisch gegenüber westlichen Verbündeten auftritt, sinngemäß zu seiner Anhängerschaft. Derweil leuchteten hinter ihm Großbildschirme mit dem Slogan „100 Tage der Größe“ auf.

Defizit de facto ausgeweitet

Der Republikaner, der sich im Heimatstaat der großen US-Fahrzeughersteller Ford und General Motors bei Arbeitern aus der Automobilindustrie für ihre Unterstützung bedankte, stellte die Handelsdefizite der Vereinigten Staaten erneut falsch dar. Diese hätten Mexiko bisher mit 300 und Kanada mit 200 Mrd. Dollar pro Jahr „subventioniert“. In Wahrheit belief sich das Defizit im Handel mit dem südlichen Nachbarn zuletzt auf 162 und jenes mit dem nördlichen auf 41 Mrd. Dollar. Trumps Amtsvorgänger Joe Biden habe 3 Mrd. Dollar pro Tag „verloren“, wobei sich der Präsident auf die jährliche internationale Handelsbilanz der USA bezog. Nach gleicher Rechnung fällt das Defizit seiner Regierung allerdings höher aus: Im Februar lag es bei 135,4 Mrd. Dollar, das wären mehr als 4,8 Mrd. Dollar pro Tag.

Auf sie mit Gebrüll: US-Präsident Donald Trump verdreht im Handelskrieg mit Kanada und Mexiko weiterhin die Fakten. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon.

Während der Präsident handelspolitisch weiter harte Töne anschlägt und betont, „statt China nun Michigan und Amerika an erste Stelle“ zu setzen, sind die US-Autobauer Sturm gegen Anfang April in Kraft getretene Strafzölle von 25% auf Fahrzeugimporte sowie Anfang Mai anstehende Abgaben in gleicher Höhe auf Einfuhren von Komponenten gelaufen. Am Dienstag teilte Trump mit, dass Konzerne, die diese „schönen Tariffs“ zahlen, für das gleiche Auto keine zusätzlichen Abgaben zum Beispiel auf den Import von Stahl und Aluminium zahlen müssen.

Gutschriften auf Komponenten-Importe

Zudem können die Unternehmen Gutschriften auf Einfuhren von Teilen erhalten, wenn diese für den Bau eines Fahrzeugs in den USA eingesetzt werden. Im ersten Jahr könnten sie sich somit 3,75% des Werts des Automobils zurückholen, im zweiten Jahr noch 2,5%. Offen stehen sollen die Gutschriften amerikanischen und internationalen Herstellern fertiger Fahrzeuge, nicht aber ihren Zulieferern. Komponenten, die unter das Handelsabkommen USMCA fallen, bleiben zollfrei. „Tariffs“ auf Einfuhren aus China werden zusätzlich zu den Autozöllen berechnet.

„Das ist eine kleine Hilfe“, sagte Trump am Dienstag vor Journalisten. Er wolle die Autobauer „nur dabei unterstützen, diese Transition auch kurzfristig zu genießen“. Bei der Rally in Michigan betonte der Präsident, die Branchenvertreter hätten „geweint, weil sie so glücklich sind. Sie werden so viel Geld verdienen.“

Branchenvertreter zeigen sich erleichtert

Das American Automotive Policy Council (AAPC), die Interessenvertretung von Ford, GM und der Jeep-Mutter Stellantis, äußerte sich bezüglich der „Klarstellung“ der Trump-Administration erleichtert. „Dass mehrere Zölle auf das gleiche Produkt oder Teil angewandt werden, war eine bedeutende Sorge für amerikanische Autobauer“, sagte Matt Blunt, Präsident der Lobbyorganisation. Auch begrüßte das AAPC die „Anerkennung des signifikanten ökonomischen Beitrags in den US ansässiger Autobauer“.

SUVs der General-Motors-Marke GMC bei einem Autohändler: Die Autopreise dürften laut Analysten infolge von Trumps Strafzöllen bedeutend steigen. Foto: picture alliance / NurPhoto | Artur Widak.

Die Branchenvertreter wollten den jüngsten Exekutivbeschluss Trumps nun genau darauf prüfen, wie er die Effekte der Strafzölle auf den Sektor, die Lieferketten „und letztlich auch amerikanische Verbraucher“ abfederten. Die „Großen Drei“ wollten weiterhin mit dem Präsidenten zusammenarbeiten und eine Politik vorantreiben, die amerikanische Jobs und die inländische Produktion unterstützten.

Kostenanstiege voraus

Allerdings ringt die Branche um eine stärkere Kostenkontrolle. Die vom Präsidenten geforderten Verlagerungen von Produktion und Lieferketten in die USA dürfte laut Analysten Jahre dauern und weitere Kostenanstiege nach sich ziehen. Nach Ansicht von Morgan Stanley müssen sie den Effekt der Einfuhrzölle durch Preiserhöhungen auffangen, auch wenn Trump die Branche vor genau solchen Maßnahmen gewarnt hat. Die „Tariffs“ von 25% treiben die Kosten pro Automobil laut den Strategen des Geldhauses um 6.000 Dollar, was sich in einen Aufschlag von 10 bis 12% für Kunden übersetze.

Die „Klarstellungen“ zu den Autozöllen stellen die jüngsten Lockerungen in Trumps harter Handelsstrategie dar. Zuletzt hatte der Präsident seine Anfang April in Kraft getretenen reziproken Zölle gegen einen Großteil der US-Handelspartner für 90 Tage ausgesetzt und damit „die Tür für internationale Verhandlungen geöffnet“, wie Köpfe der Wall Street um Goldman-Sachs-CEO David Solomon mit Erleichterung beobachten. Zudem hat Trump sanftere Töne gegenüber China angeschlagen. Peking bestreitet jedoch, Verhandlungen mit Washington aufgenommen zu haben, und zeigt sich bereit für einen lang anhaltenden Handelskrieg.

Neue Sticheleien gegen Powell

Die Unruhe an den Märkten dürfte damit trotz der jüngsten Kurserholung noch nicht ausgestanden sein. Denn Trump stichelte in Michigan erneut gegen US-Notenbankchef Jerome Powell. „Die Zinsen sind gesunken, obwohl ich da eine Fed-Person habe, die nicht wirklich einen guten Job macht“, sagte der Präsident. Er wolle „sehr nett und respektvoll gegenüber der Fed“ sein. „Man soll die Fed nicht kritisieren und ihn (Powell, die Redaktion) sein Ding machen lassen. Aber ich weiß viel mehr als er über Zinsen.“

Donald Trump setzt Fed-Chef Jerome Powell unter massiven Druck. Foto: picture alliance / Stefani Reynolds - CNP /MediaPun | Stefani Reynolds.

Die Federal Reserve senkte im vergangenen September erstmals nach vier Jahren ihren Leitsatz und ließ auf den großen Schnitt um 50 Basispunkte im November und Dezember zwei kleine um 25 Basispunkte folgen. Doch bindet die hartnäckig hohe Inflation und die Furcht vor neuen Sprüngen der Preisniveaus infolge der US-Strafzölle gegen Handelspartner den Währungshütern hinsichtlich neuer geldpolitischer Lockerungen die Hände.

Gegenwind von der Wall Street

Der Präsident übt Druck auf Powell aus – dieser sei ein „großer Verlierer“, dessen „Entlassung nicht schnell genug kommen könnte“, wie Trump auf seiner Plattform Truth Social schrieb. Zinssenkungen seien notwendig, um einen Abschwung der Wirtschaft zu verhindern. Angeblich spricht Trump privat seit Monaten über Möglichkeiten zur Demission Powells.

Doch lösten entsprechende Berichte Gegenwind an der Wall Street aus: Der Dollar stürzte gegenüber anderen Industrieländerwährungen zuletzt auf ein Dreijahrestief ab, was die Volatilität am Bondmarkt noch anfachte und den Druck auf die Aktienmärkte verstärkte. Der Dow Jones Industrial Average und der S&P 500 haben sich in den ersten 100 Tagen von Trumps Präsidentschaft so negativ entwickelt wie seit Beginn der zweiten Amtszeit Richard Nixons 1973 nicht, der Nasdaq 100 hat den schwächsten Start in eine Präsidentschaft seit George W. Bushs erster Amtszeit 2001 hingelegt und der Nebenwerteindex Russell 2000 hat so viel seines Werts verloren wie noch nie in den ersten 100 Tagen einer Administration.

Unabhängigkeit der Geldpolitik in Gefahr

Trump ruderte nach der harschen Marktreaktion auf die Entlassungsgerüchte um Powell zurück und betonte, nie vorgehabt zu haben, den Notenbankchef zu feuern. Dennoch steht die Unabhängigkeit der amerikanischen Geldpolitik laut Analysten stärker in Zweifel denn je.

Unterdessen macht der erratische Kurs Washingtons in der Handelspolitik die Planbarkeit für Unternehmen zunichte. Das zeigt sich bereits bei General Motors, die ihre Gesamtjahresprognose für 2025 nach einem Gewinnrückgang um 6,6% im ersten Quartal zurückgezogen und ihr von Analysten als entscheidende Kursstütze bezeichnetes Aktienrückkaufprogramm ausgesetzt hat.

Auch Social-Media-Unternehmen wie Snap oder die Fluggesellschaften Delta, Southwest, United, Alaska Airlines und JetBlue sehen sich angesichts des Zollchaos und den Effekten auf die Konsumstimmung außerstande, über das laufende Quartal hinauszublicken. In einer aktuellen, vom auf Tourismus spezialisierten Analysedienst Future Partners veröffentlichten Umfrage geben 70% der mehr als 4.000 Teilnehmer an, aufgrund wirtschaftlicher Bedenken in den kommenden sechs Monaten mindestens eine Anpassung an ihrem Reiseverhalten vornehmen zu wollen. Dazu zählen ein Verzicht auf Flüge, Urlaube an weniger weit entfernten Destination, Stornierungen bereits gebuchter Reisen und andere Sparmaßnahmen. 

Auch die Buchungsaktivität bei für Airlines lukrativen Geschäftsreisen verlangsamt sich bereits. Dabei sorgt auch das noch vom Tech-Milliardär Elon Musk geführte Department of Government Efficiency mit Kostenkürzungen dafür, dass Regierungsvertreter weniger fliegen. Die Fluggesellschaften haben daher schon an Preismacht eingebüßt und kommen mit neuen Angeboten auf Kunden zu, um ihre Maschinen auslasten zu können.

Amazon unter Druck

Derweil verspürt Amazon wachsenden Druck der US-Regierung. Der E-Commerce-Riese erwog angeblich, auf seiner Billigshopping-Webseite Haul auszuweisen, wie stark Einfuhrzölle bestimmte Produkte verteuern. Allerdings verwarf der Konzern die Pläne wohl wieder, nachdem das Weiße Haus das Vorhaben als „feindlichen politischen Akt“ bezeichnete und Trump Amazon-Gründer Jeff Bezos dazu angeblich persönlich anrief. Bezos sei ein „sehr netter Typ“, der das „Problem schnell gelöst“ habe, sagte Trump vor seiner Abreise nach Michigan.

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