Amerikas Notenbanker müssen unter Trump mehr Rückgrat zeigen
Federal Reserve
Notenbanker müssen Rückgrat zeigen
Von Alex Wehnert
Die Fed hat es in der Hand, eine Destabilisierung des Finanzsystems zu verhindern. Dafür benötigt sie mehr Widerstandskraft und Weitsicht als bisher.
Während in Washington der wirtschaftspolitische Wahnsinn regiert, müssen Amerikas Notenbanker ihre Unabhängigkeit umso nachdrücklicher unter Beweis stellen. Jerome Powell, der Vorsitzende der Federal Reserve, hat sich von Angriffen durch US-Präsident Donald Trump bisher nicht kirre machen lassen – nun kommt es darauf an, dass er seine Widerstandsfähigkeit auch mit geldpolitischer Weitsicht paart. Diese hat er nicht immer gezeigt: Auf den Corona-Crash im Frühjahr 2020 hin betonte er fast zwei Jahre lang, dass die hohe Inflation nur ein „vorübergehendes“ Phänomen sei. In der Folge erreichte die Teuerung das höchste Niveau seit 40 Jahren. Das gefährliche Narrativ von der „transitiven“ Inflation kramte Powell im laufenden Jahr wieder heraus – und kam glücklicherweise schnell zu dem Schluss, dass die Strafzölle Trumps härter als erwartet ausfallende ökonomische Risiken nach sich ziehen dürften.
Sturz in Stagflation steht bevor
Wie sehr Trump auch Druck auf Powell macht, diesen als „inkompetenten Idioten“ bezeichnet und behauptet, „mehr von Zinsen zu verstehen“ als der Fed-Chef: Den bevorstehenden Sturz in die Stagflation haben der Präsident und seine Berater zu verantworten, die nach einer strategischen Dollar-Abwertung trachten, um die US-Exportwirtschaft zu stärken – und dabei einfachste Grundsätze der Wirtschaftswissenschaften verkennen.
Denn erstens ist die Welthandelsordnung weder auf Merkantilismus noch auf das ausgelegt, was Trump als „Fairness“ bezeichnet. Wer Güter und Waren produziert, für die international kaum Nachfrage besteht, der muss sich nicht wundern, wenn diese nicht gekauft werden. Zweitens ist der größte Exportschlager der USA nicht Stahl, Aluminium oder selbst Dienstleistungen, sondern Schulden – also Treasuries, Dollar-Unternehmensbonds und Zinsprodukte. Dem brummenden Geschäft mit diesen dreht der Republikaner durch die Wertverluste des Greenback den Saft ab.
Fatales Signal von der Fed-Spitze
Die Fed hat es in der Hand, weitere Turbulenzen am Devisenmarkt einzudämmen. Powell existiert dabei nicht in einem Vakuum. Die Börsen-Zeitung hat in ihrer Serie „Amerikas Leitzins-Lenker“ einige der Köpfe vorgestellt, die den geldpolitischen Ton in den USA angeben. Ob sie wie Fed-Gouverneur Christopher Waller fest von der Vergänglichkeit der inflationären Effekte durch die Zölle überzeugt sind oder sich wie die designierte Vize-Vorsitzende für Bankenaufsicht, Michelle Bowman, bereits im vergangenen Jahr gegen Lockerungen auflehnten: Sie alle sollten es mit dem Chef der Fed von Chicago, Austan Goolsbee, halten. Denn der liberale Ökonom betont schlicht, wie wichtig die Unabhängigkeit der Notenbank von politischen Einflüssen für ihre Arbeit ist.
Der bisherige Chefregulator der Notenbank, Michael Barr, hat mit seinem Rücktritt Ende Februar indes eine möglicherweise fatale Entscheidung getroffen. Denn der Demokrat kam einer Entlassung durch Trump und einem Rechtsstreit zuvor, der ein großes Störfeuer für die Fed dargestellt hätte. Nun will Barr als Gouverneur einen Platz im Führungsgremium der Fed blockieren, den Trump nicht mit eigenen Kandidaten füllen kann. Das mag kurzfristig pragmatisch sein, doch sendet der Abtritt vom Vize-Posten das Signal an den Präsidenten, dass sich Notenbanker vor ihm wegducken. Doppelt problematisch: Die für die Barr-Nachfolge nominierte Bowman steht für eine gelockerte Bankenregulierung – und dies in einer Phase, in der Trumps Politik die Finanzstabilität gefährdet.
Ex-Notenbanker werfen Nebelkerzen
Die Spitzenkräfte der Notenbank dürfen sich künftig nicht mehr so leicht ins Bockshorn jagen lassen – auch nicht von wenig konstruktiven Attacken ehemaliger Kollegen wie dem einstigen Fed-Gouverneur Kevin Warsh, der als Favorit Trumps auf die Powell-Nachfolge gilt. Debatten darum, ob die Notenbank durch ein verstärktes Engagement für den Klimaschutz und Inklusion in der Vergangenheit zu stark von ihrer Kernaufgabe abgewichen ist, mögen grundsätzlich berechtigt sein. In der aktuellen Lage sind sie aber nur Nebelkerzen, die von dem ablenken, was eigentlich auf dem Spiel steht: eine unabhängige Geldpolitik und ein funktionierendes Wirtschafts- und Finanzsystem.
Alle Beiträge zur Serie „Amerikas Leitzins-Lenker“ finden Sie hier.