Auf der Jagd nach Waymo
Notiert in San Francisco
Auf der Jagd nach Waymo
Von Alex Wehnert
Frank Bullitt wäre heute wohl aufgeschmissen. Denn der Lieutenant des San Francisco Police Department, im Filmklassiker von 1968 von Steve McQueen gespielt, muss einen Mord an einem Kronzeugen gegen das organisierte Verbrechen aufklären – er macht Fortschritte bei seinen Ermittlungen, als er die letzte Fahrt des Opfers in einem Taxi rekonstruiert und der Fahrer einen Hinweis liefert. Dieser Tage müsste Bullitt wohl versuchen, Informationen aus einem Uber-Fahrer herauszukitzeln, der kaum des Englischen mächtig ist. Und wenn es ganz hart käme, würde der Polizist an ein selbstfahrendes Taxi des Google-Schwesterunternehmens Waymo geraten. Dieses könnte ihm zwar die Route verraten, der das Mordopfer vor seinem Tod gefolgt ist – nicht aber, ob es sich wohl verfolgt fühlte, was es vor sich hinmurmelte oder mit wem es bei Zwischenstopps wie interagierte.

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Doch obwohl die autonomen Fahrzeuge von Waymo für Polizei und Feuerwehr auch sonst nicht gerade als hilfreich gelten, da sie gemäß Beschwerden in den vergangenen Jahren wiederholt die Straße blockiert und nicht auf Signale von Einsatzkräften reagiert haben, schreiben sie eine Erfolgsgeschichte. Ende 2023 überschritt das Unternehmen erstmals die Marke von 1 Million bezahlten Fahrten – inzwischen sind es bereits über 10 Millionen. Analysten sehen das Unternehmen vor einem Wendepunkt, nach dem es Fahrgäste nicht mehr nur aus einer kleinen Gruppe an Experimentierfreudigen, sondern aus der Breite der Gesellschaft schöpfen werde.
Bedenken von Anwohnern
Dieser Tage kommen allerdings Zweifel am Durchbruch auf. Die Golden Gate City gehört mit Los Angeles und Arizonas Hauptstadt Phoenix zu den wenigen Märkten, in denen Waymo verfügbar ist. Dass andere Gemeinden bei der Zulassung zögern, liegt auch an Bedenken von Anwohnern, denen sich tödliche Unfälle mit autonomen Taxis des gescheiterten General-Motors-Programms Cruise ins Gedächtnis eingebrannt haben.
Bei den Ausschreitungen in Los Angeles beschmierten Vandalen gezielt Waymo-Fahrzeuge oder steckten diese sogar in Brand. Denn diese sind nicht zur Zielscheibe geworden, da sie länger und heißer brennen als gewöhnliche Autos. Viele in Kalifornien sind von ihnen ganz einfach genervt: Mitunter halten sie den Verkehr auf, wenn zum Beispiel eine ihrer Türen nicht richtig geschlossen ist und der Sensor sich gegen das Weiterfahren wehrt. Mal beschallen sie beim Zurücksetzen die ganze Nachbarschaft mit durchdringenden Pieptönen, mal hupen nah beieinander abgestellte Waymos sich in einer ewigen Schleife gegenseitig an.
Nutzerunfreundliche App
Alphabet hat den Service in den kalifornischen Metropolen im Zuge der Proteste gegen die Abschiebungspolitik der US-Regierung eingeschränkt. In San Francisco offenbart sich dabei, wie nutzerunfreundlich die App ist. Ziele in der Innenstadt lassen sich nicht mehr ansteuern – wer indes so nah wie möglich heranfahren will, der bekommt nicht die nächstbeste Destination angeboten, sondern muss per Click auf den Stadtplan raten, wo er sich absetzen lassen kann.
Wer endlich eine Fahrt ergattert, dessen weiteres Schicksal hing von seinem Standort ab. Befindet er sich in den Außenbezirken, darf er mindestens 20 Minuten auf eine Karre warten. Will er aus der Innenstadt starten, muss er erst die Waymo-Todeszone verlassen. Die Alphabet-Tochter bietet flugs einen Wagen an, der in elf Minuten am „Pickup-Point“ sein, dort aber nur zwei Minuten warten könne – trifft sich schlecht, wenn der vereinbarte Ort 15 Minuten entfernt ist. Angesichts dieser Hindernisse entscheiden sich viele Besucher lieber für Bus, Cable Car oder das klassische Taxi. Frank Bullitt würde es freuen.