Corona-Profiteure

Hellofresh & Co müssen ohne Corona-Schub auskommen

Die Kurse der Stay-at-Home-Aktien, die besonders von der Pandemie profitiert haben, stehen stark unter Druck. Die Unternehmen wachsen zwar langsamer, aber der Trend zum Einkaufen im Internet setzt sich fort.

Hellofresh & Co müssen ohne Corona-Schub auskommen

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Die Infektionszahlen bewegen sich auf Rekordniveau, aber mit den Kursen der Stay-at-Home-Aktien, die besonders von der Corona-Pandemie profitiert haben, geht es seit Monaten abwärts. Ein klassischer Fall ist der Kochboxenanbieter Hellofresh, dessen Notierung von 95 Euro im November 2021 bis auf ein Tief von 35 Euro abgesackt ist. Ähnliche Verläufe zeigen die Aktien des Online-Modehändlers Zalando, der Lieferdienste Delivery Hero und Just Eat Takeaway sowie der Online-Möbelverkäufer Home24 und Westwing.

Die Kurseinbrüche haben zum einen mit eingetrübten Geschäftsaussichten zu tun. Das Wachstum verlangsamt sich deutlich, da der coronabedingte Nachfrageschub abebbt. Doch die Unternehmen wachsen nach wie vor mit Raten, die häufig im zweistelligen Bereich liegen. Und das von stark erhöhtem Niveau aus. Auch ist die Profitabilität oft höher als vor Ausbruch der Pandemie oder ähnlich hoch, wenngleich geringer als in der Hochphase des Booms. Zum anderen schlägt der Abbau von Überbewertungen durch. Das zwischenzeitlich erklommene Kursniveau war mit Blick auf Ertragsperspektiven und langfristiges Wachstum offensichtlich übertrieben hoch.

Als dauerhafter Effekt bleibt eine Verhaltensänderung der Verbraucher. Bisher wenig onlineaffine Kunden haben Erfahrungen mit dem Einkaufen von Bekleidung, Elektronik oder Möbeln auf Internetplattformen gesammelt und nutzen diesen Kanal nach Abflauen der Pandemie weiter. Ähnliches gilt für das Bestellen von Nahrungsmitteln und Mahlzeiten im Internet. Dass Läden und Restaurants wieder geöffnet sind, bremst nun das Wachstum, doch der Trend zu Onlinekäufen setzt sich fort. „Die Corona-Pandemie hat das Verbraucherverhalten fundamental geändert“, versichert beispielsweise Hellofresh-Chef Dominik Richter.

Der Kochboxenanbieter hat in besonderem Maße von Kontaktbeschränkungen, Restaurantschließungen und verstärktem Arbeiten im Homeoffice profitiert. Die bestellten Lebensmittel-Boxen werden nämlich im Abonnement mit abgemessenen Zutaten und Rezept an die Haustür gebracht. Zeitweise war der Nachfrageschub so groß, dass der Konzern mit der Produktion kaum hinterherkam. Daher baut Hellofresh nun die Fertigungskapazität massiv aus und verdoppelt das Technologieteam. Auf dem Kapitalmarkttag im Dezember kündigte das Management an, die Investitionen in Produktion, Infrastruktur und Produktentwicklung im Jahr 2022 auf 450 Mill. bis 550 Mill. Euro zu verdoppeln. Binnen zwei Jahren würden die Kapazitäten um das 2,5-Fache erweitert.

Für das laufende Jahr stellt Hello­fresh eine währungsbereinigte Umsatzausweitung zwischen 20 und 26% und eine adjustierte Marge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), bezogen auf die Mitte der Prognosespannen, von 7,3 % in Aussicht. 2021 waren die Erlöse bei konstanten Wechselkursen um 61,5% expandiert, 2020 sogar um 111%. Und auch die Marge gibt deutlich nach, lag sie 2020 doch noch bei 13,5% und im vergangenen Jahr bei 8,8%. Doch im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019, als es 2,6% waren, bleibt ein klarer Anstieg.

Zurück auf Vor-Corona-Pfad

Auch Zalando stellt sich auf das Ende des coronabedingten Verkaufsbooms ein. Für 2022 erwartet Europas größter Online-Modehändler noch zwischen 12 und 19 % Wachstum auf 11,6 Mrd. bis 12,3 Mrd. Euro Umsatz und eine um Sondereinflüsse bereinigte Marge vor Zinsen und Steuern von 3,9%, bezogen auf die Mitte der Prognosespannen. 2021 kamen die Berliner auf 4,5%, 2020 auf 5,3% und 2019 auf 3,5%. „Zalando kehrt bei Wachstum und Profitabilität auf den Vor-Corona-Pfad zurück, aber bezogen auf ein deutlich höheres Niveau“, sagt der bisherige CFO David Schröder, der nun als Chief Operating Officer tätig ist.

Der Online-Möbelhändler Home24 ist zuletzt kaum noch gewachsen. Im vierten Quartal stagnierten die Erlöse mit 152 Mill. Euro auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Konkurrent Westwing hält sogar im laufenden Jahr einen Umsatzrückgang um bis zu 12% für möglich. Im günstigen Fall sind gemäß der Firmenprognose 3 % Wachstum drin. Bemerkenswert ist der explizite Hinweis auf die deutlich schlechtere Konsumentenstimmung.

Auch die Essenslieferdienste stellen sich auf nachlassende Zuwächse im laufenden Jahr ein. Just Eat Takeaway, die mit ihrer Tochtergesellschaft Lieferando den deutschen Markt beherrscht, erwartet eine Ausweitung des Bruttotransaktionsvolumens im mittleren Zehner-Prozent-Bereich. Das entspricht einer Halbierung zum 2021er-Anstieg von währungsbereinigt 31 %. Die in Berlin ansässige Delivery Hero, deren Geschäft sich auf Asien und Nahost/Nordafrika konzentriert, rechnet mit einer Ausweitung des über die Plattformen abgewickelten Bruttowarenvolumens von einem Viertel nach währungsbereinigt plus 66% im vergangenen Jahr. Beide Unternehmen stecken noch tief in roten Zahlen. Folge der enttäuschenden operativen Performance sind Kursabstürze von 62% bei Just Eat Takeaway und sogar 71% bei Delivery Hero seit September 2021.

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