Komfortable Lage für die EZB
Geldpolitik
Notenbank in
komfortabler Lage
Von Martin Pirkl
Nach der achten Zinssenkung innerhalb eines Jahres befindet sich die EZB nun an einem Scheideweg. Lockert sie weiter, kann es gut sein, dass die Geldpolitik die Konjunktur ankurbelt – und damit auch die Inflation. Ob das nötig sein wird, ist jedoch aktuell völlig offen.
Für eine weitere Zinssenkung in diesem Jahr sprechen einige der jüngsten Konjunkturdaten. Die Inflation ist im Mai knapp unter den Zielwert der EZB gerutscht. Entscheidender als das ist jedoch der deutliche Rückgang bei der Kerninflation als Indikator für den zugrundeliegenden Preisdruck. Ein nachlassendes Lohnwachstum hat insbesondere im Dienstleistungsbereich die Preise gedrückt. Und auch die Entwicklung im Güterbereich gibt den Anhängern einer eher lockeren Geldpolitik Futter. Frühindikatoren wie die Erzeugerpreise sinken wegen billigerer Energie. Folgerichtig ist die neue EZB-Projektion zur Inflation für 2025 und 2026 niedriger als noch im März.
Viel hängt von den Zöllen ab
Wenig spricht aktuell dafür, dass die Teuerung im weiteren Verlauf dieses Jahres höher ausfällt als es der Notenbank lieb ist. Dennoch gibt es gute Argumente im Juli nicht erneut die Leitzinsen zu senken. Wesentlich für den Ausblick auf die Euro-Inflation wird der Ausgang des Zollkonflikts zwischen den USA und der EU sowie China sein. Zwar steht bis zum nächsten Zinsentscheid der EZB fest, ob es innerhalb des ausgerufenen 90-tägigen Zollmoratorium eine Verhandlungslösung der EU mit der US-Regierung gibt. Das amerikanische Moratorium mit China ist bis dahin jedoch noch nicht verstrichen.
Außerdem wird es noch eine Weile dauern, bis klarer ist, wie sich die Zollthematik genau auf die ökonomischen Daten auswirken wird. Durch den Handelskrieg gesunkene Energiepreise können etwa auch schnell wieder steigen, wenn es zu einer Lösung im Konflikt kommen sollte. Zudem deuten strukturelle Faktoren wie der demografische Wandel, die grüne Transformation der Wirtschaft und steigende Fiskalausgaben darauf hin, dass der Inflationsdruck ab 2026 wieder zunehmen könnte.
Genau dies macht der EZB jedoch das Leben leichter. Ohne diese Effekte müsste sie sich in handelspolitisch turbulenten und unvorhersehbaren Zeiten sorgen, dass die Inflation mittelfristig deutlich zu niedrig ausfällt. Sie müsste wohl stärker die Zinsen senken, ohne abwarten zu können, wie sich der Zollkonflikt entwickelt. So kann sie sich jedoch eine ruhige Hand leisten und mindestens bis September abwarten, ob eine weitere Lockerung nötig ist oder nicht.
Die EZB kann sich in handelspolitisch turbulenten Zeiten eine ruhige Hand leisten, denn die Inflation ist im Griff.