Im BlickfeldStrafzölle treffen Transportsektor

US-Trucker fahren in unsichere Nacht

Lastwagenbauer fürchten, dass US-Präsident Donald Trump neben Strafzöllen auf Stahl und Aluminium hohe sektorspezifische Abgaben verhängen wird. Anstiege der globalen Transportkosten gelten damit als unvermeidlich.

US-Trucker fahren in unsichere Nacht

Im Blickfeld

US-Transportsektor muss ohne Navigation fahren

Lastwagenbauer fürchten, dass US-Präsident Donald Trump neben Strafzöllen auf Stahl und Aluminium auch hohe sektorspezifische Abgaben verhängen wird. Enorme Anstiege der globalen Transportkosten gelten damit als unvermeidlich.

Von Alex Wehnert, New York

Die Schrauben in den Rahmen des Führerhaus des Lastwagens zu drehen, ist kleinteilige Arbeit. Der Roboter, der den Rest der Kabine mit seinen orangenen Hydraulik-Armen zusammensetzt, ist für derart filigrane Aufgaben nicht gemacht – deswegen springen immer wieder zwei Mitarbeiter auf das Fließband und leisten flinke Handgriffe. Im Werk von Daimler Truck in Cleveland, North Carolina, weniger als eine Autostunde nördlich von Charlotte, ist trotz hohem Automatisierungsgrad der Produktion auch für die menschlichen „Autoworker“ viel zu tun – schließlich soll hier rund alle fünf Minuten ein fertiger Truck vom Band rollen.

Ein Western Star 47X wird in der vergangenen Woche zum 850.000. Lkw, den das deutsche Unternehmen am Standort fertigstellt. Damit kann Daimler Truck gemeinsam mit dem Abnehmer, dem Industrie-, Infrastruktur- und Agrarequipment-Anbieter Alamo Group, rechtzeitig zu ihrem auf dem Werksgelände ausgerichteten Kapitalmarkttag anstoßen. Doch während Produktionsdirektor Brian Smith – ein mit breitem Südstaatenakzent und sichtlichem Stolz über die Fertigung und sein Team sprechender Baum von einem Mann mit raspelkurzen Haaren – und die rund 2.000 Mitarbeiter am Standort schon Kurs auf die Millionenmarke nehmen, fahren der amerikanische und globale Transportsektor in eine unsichere Nacht.

„Frustrierender“ Mangel an Klarheit

Denn US-Präsident Donald Trump nimmt nicht nur Herstellern von Personen-, sondern auch den Produzenten von Lastkraftfahrzeugen jegliche Navigationsmöglichkeit. „Der Mangel an Klarheit hinsichtlich der Strafzölle ist frustrierend“, sagte John O'Leary, CEO von Daimler Truck North America (DTNA), bei einer Medienrunde in der vergangenen Woche.

Fühlt sich wohl in Isolation: US-Präsident Donald Trump heizt den Handelskrieg neuerlich an.
Fühlt sich wohl in Isolation: US-Präsident Donald Trump heizt den Handelskrieg neuerlich an.
picture alliance / Xinhua News Agency | Hu Yousong

Die ohnehin schwelende Sorge vor einer neuen Eskalation des globalen Handelskriegs hat wieder deutlich zugenommen, seitdem Trump am Samstag trotz laufender Verhandlungen ankündigte, ab dem 1. August Zölle von 30% auf alle Waren aus der Europäischen Union und Mexiko erheben zu wollen. Zuvor hatte er eine am 9. Juli ausgelaufene Frist zu Einigungen im Handelskonflikt noch um dreieinhalb Wochen verschoben – dabei aber angekündigt, dass es keine weiteren Verzögerungen geben werde.

Preiserhöhungen nötig

Gerade der Stop-and-Go-Modus in der „Tariff“-Politik geht O'Leary auf die Nerven. „Sagt uns einfach, welche Zölle für uns gelten, und unsere Kunden und wir werden schon irgendwie damit umgehen“, poltert der DTNA-Chef. Es sei viel einfacher, einmalige Preiserhöhungen infolge steigender Importzölle zu kommunizieren, als den Truck-Großabnehmern damit scheibchenweise zu kommen.

Die Unsicherheit machte sich indes schon vor der jüngsten Eskalation in den Quartalszahlen bemerkbar. Der Lkw-Absatz von Daimler Truck in Nordamerika sackte im ersten Quartal um 16% ab. Das Unternehmen sah sich laut O'Leary schon gezwungen, die Preise um 3.500 Dollar pro Einheit anzuheben, bevor Washington die Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte per Anfang Juni auf 50% verdoppelte. Wettbewerber schlossen sich mit Erhöhungen an.

Auch enge Partner vor Härtefällen

Bisher waren Stahl- und Aluminiumeinfuhren, die unter die USMCA-Handelsvereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada fallen, zollfrei. Dies galt für Stahl, der zu 100% in den drei Ländern geschmolzen und gegossen wird sowie für Aluminium, das keine Bestandteile aus China, dem Iran, Russland oder Weißrussland enthält. Doch nun stehen selbst die engsten US-Handelspartner vor Zollerhöhungen. Auch Mexiko, das im Juni noch eine Einigung angebahnt hatte, um zumindest die „Tariffs“ auf Stahl zu reduzieren, steht nach Trumps Provokationen vom Wochenende vor Härtefallszenarien.

Die Strafzölle dürften laut dem Greenberg Center for Geoeconomic Studies noch zu massiven Preisanstiegen führen. Dies werde zwar der US-Stahlindustrie den Rücken stärken und potenziell einen Aufbau von Arbeitsplätzen im Sektor ermöglichen. Jegliche Zugewinne würden wahrscheinlich aber durch Verluste in der Fertigung und anderen Industrien, die viel Stahl benötigten, zunichte gemacht. Dabei produzierten die Vereinigten Staaten schon rund 74% ihres verbrauchten Stahls im Inland – bei Aluminium seien es nur 56%. Bei dem Leichtmetall entfielen 36% der Fertigung auf den Transportsektor.

Furcht vor spezifischen Abgaben

Selbst wenn Daimler Truck einen bedeutenden Teil der benötigten Materialien aus den USA beziehen könne und über langfristige Liefervereinbarungen verfüge, schützt dies den Lastwagen-Hersteller nicht vor dem Effekt allgemeiner Kostenanstiege, wie O'Leary betont. „Viele Zulieferer heben in einer solchen Situation die Preise an, ganz einfach weil sie es können“, sagt der DTNA-CEO. Einige Geschäftspartner hätten bereits versucht, unter Verweis auf Force-majeure-Klauseln außerplanmäßige Erhöhungen durchzudrücken, bisher habe das Unternehmen dies noch abbügeln können.

Allerdings geht im Sektor die Befürchtung um, Trump könnte neben Stahl- und Aluminium-„Tariffs“ auch industriespezifische Importzölle beschließen. Das US-Handelsministerium startete Anfang Mai eine Untersuchung zu Mittel- und Schwerlast-Lkw sowie verbundenen Teilen. Diese könnten laut Ökonomen noch einmal zu Kostenanstiegen im gesamten Transportsektor führen und schwere zusätzliche Bürden für Lastwagen-Exporteure wie Japan, Kanada und insbesondere Mexiko bedeuten.

Abhängig von Mexiko

Daimler Truck produziert in dem mittelamerikanischen Staat einen bedeutenden Teil ihrer Fahrzeuge für den US-Markt. Zwar verfügt der Hersteller über Produktionskapazitäten in Oregon, Michigan sowie South und eben North Carolina. Zudem betonen Vorstandschefin Karin Rådström und CFO Eva Scherer im Rahmen von Investorenpräsentationen, über große Flexibilität in der Fertigung zu verfügen. Auch Jeff Allen, der als Senior Vice President für das Fertigungsnetz von DTNA verantwortlich ist, hebt im Rahmen einer Werksführung hervor, dass sich der Output verschiedener Standorte in Nordamerika stark bedarfsorientiert kombinieren lasse.

CEO Karin Rådström bewegt sich mit Daimler Truck in einem schwierigen Handelsumfeld.
CEO Karin Rådström bewegt sich mit Daimler Truck in einem schwierigen Handelsumfeld.
picture alliance/dpa/Jiji Press | -

Allerdings importiert der Lastwagenbauer einen höheren Anteil seines US-Absatzes, als er im Inland fertigt. Denn die Lohnkosten im verarbeitenden Gewerbe fallen in Mexiko nur ein Drittel bis weniger als ein Viertel so hoch aus wie in den Vereinigten Staaten. So oder so gelten Kostenanstiege also als unvermeidlich – und wie O'Leary betont, lassen sich diese eben nur begrenzt an Kunden weiterreichen. Laut Finanzchefin Scherer entscheiden sich viele Endabnehmer am Lkw-Markt zudem, ihre Bestandsfahrzeuge länger weiterfahren zu lassen und höhere Ausgaben für die Wartung in Kauf zu nehmen, statt Aufschläge für neue Laster zu zahlen.

Risiko für die Marge

Trumps Zollpolitik birgt damit noch erhebliche Profitabilitätsrisiken für die Produzenten. Bei Daimler Truck, die ihre Ziele in Bezug auf die Umsatzrendite im ersten Quartal verfehlte und zwecks Kostensenkung 5.000 Stellen in Deutschland abbauen will, stach die Marge in Nordamerika zuletzt noch positiv hervor. Mit 14,4% lag sie im ersten Quartal nicht nur über der vom Unternehmen gestellten Zielmarke von 11 bis 13%, sondern auch über den Vergleichswerten der profitabelsten europäischen Konkurrenten um Scania und Volvo Trucks.

Bis 2030 soll die bereinigte Umsatzrendite zwischen 10 und 14% liegen, wie Daimler Truck in North Carolina verkündete. Auf dem Kapitalmarkttag 2023 hatte das Unternehmen für Trucks North America eine Marge von 9 bis 12% angepeilt. Die Gefahr, dass Trump die Navigation auf der langen Fahrt bis Ende des Jahrzehnts noch ordentlich durcheinanderbringt, ist laut Analysten allerdings groß.

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