Geldpolitik

Rehn plädiert für entschlossenen EZB-Zinskurs

Im Interview der Börsen-Zeitung spricht EZB-Ratsmitglied Olli Rehn Klartext: Er plädiert für weitere Zinserhöhungen über März hinaus, warnt davor, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, und erteilt baldigen Zinssenkungen eine klare Absage.

Rehn plädiert für entschlossenen EZB-Zinskurs

ms Helsinki

EZB-Ratsmitglied Olli Rehn warnt eindringlich vor einem zu frühen Nachlassen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die hohe Inflation. Die EZB müsse vielmehr ihre Leitzinsen auch über März hinaus weiter „kontinuierlich“ und „präventiv“ anheben, um die Inflationserwartungen unter Kontrolle zu halten und um so eine spätere „Schocktherapie“ mit extremen Leitzinserhöhungen wie in den USA in den 1980er Jahren zu vermeiden, sagt Rehn im Interview der Börsen-Zeitung. Sein Blick richtet sich besonders auf die aktuellen Tarifrunden wie etwa in Deutschland im öffentlichen Dienst. Bei überzogenen Lohnerhöhungen müsse die EZB „notfalls noch stärker gegensteuern“.

Mit seinen Aussagen befeuert Rehn die Debatte über den weiteren Zinskurs der EZB. Nachdem Finanzmarktteilnehmer und Ökonomen ihre Zinserhöhungserwartungen nach der EZB-Sitzung Anfang Februar eher zurückgenommen hatten, findet aktuell ein gewisses Umdenken statt. Rehns Aussagen sind besonders bemerkenswert, weil er im EZB-Rat nicht als Hardliner, also als „Falke“, gilt, sondern eher als Mann der Mitte oder sogar als „Taube“. Für März hat der Rat eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte avisiert, sich aber darüber hinaus bedeckt gehalten.

„Wir dürfen auf keinen Fall zu früh nachlassen“, sagt Rehn im Interview. Das sei eine der zentralen Lehren der späten 1970er und frühen 1980er Jahre in den USA. Damals sei die US-Notenbank Fed von einer zweiten Inflationswelle überrascht worden, weil die Inflationserwartungen nicht mehr verankert gewesen seien. Darauf habe die Fed mit Zinserhöhungen auf rund 20% reagieren müssen, die zu hoher Arbeitslosigkeit geführt hätten. „Wir als EZB-Rat müssen eine solche Schocktherapie vermeiden und stattdessen präventiv agieren“, sagt Rehn. „Wir müssen unsere Zinsen vorbeugend und kontinuierlich erhöhen, um die Inflationserwartungen unter Kontrolle zu halten und eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern.“ Das könne jetzt etwas niedrigeres Wachstum bedeuten. „Aber das ist die bessere Alternative zu einer späteren Schocktherapie samt sehr hoher Arbeitslosigkeit.“

Die EZB müsse jetzt „achtsam sein und die Lohnentwicklung sehr genau beobachten“. Rehn: „Es ist entscheidend, dass die Löhne nur so stark anziehen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft erhalten und eine Lohn-Preis-Spirale vermieden wird. Sonst müssten wir notfalls noch stärker gegensteuern.“

Mit Blick auf die neuen EZB-Projektionen im März geht Rehn davon aus, dass diese etwas mehr Wachstum und etwas weniger Inflation als im Dezember prognostizieren dürften. Die Inflation sei aber immer noch „übermäßig hoch“. „Bei einer so hohen Inflation scheinen weitere Zinserhöhungen über den März hinaus wahrscheinlich, logisch und angemessen.“ Entscheidend sei jetzt vor allem die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel, die zuletzt auf ihrem absoluten Rekordhoch verharrt hat. „Es ist kaum vorstellbar, dass wir die Zinserhöhungen stoppen, solange die Kerninflationsrate weiter anzieht und derart hoch liegt“, sagt Rehn. Er erwartet den Höhepunkt im Zinszyklus „im Laufe des Sommers“. Das aktuelle Zinsniveau sieht der Notenbanker noch nicht als restriktiv an. Die EZB solle jetzt auch „nicht übereilt über Zinssenkungen diskutieren“.

Interview Seite 7

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