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Alternatives-Stratege: „SVB-Kollaps bietet Chancen“

Der Kollaps der Silicon Valley Bank rechtfertigt laut dem Alternatives-Strategen Alexander Stern keine Abgesänge auf die Anlageklasse Venture Capital. Vielmehr dürften nun neue Spieler in den Markt vordringen.

Alternatives-Stratege: „SVB-Kollaps bietet Chancen“

Alex Wehnert.

Herr Stern, der Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) hat Schockwellen durch die globale Start-up-Szene gejagt. Was bedeutet der Zusammenbruch langfristig für die Anlageklasse?

Die jüngsten Turbulenzen schmälern die Güte der Anlageklasse Venture Capital keineswegs. Der Bedarf an jungen Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen bleibt hoch. Dennoch ist klar, dass die Silicon Valley Bank enorm bestimmend für die Welt der Tech-Start-ups war. Sie war im Rahmen von Finanzierungsrunden, der Bereitstellung von Kontoverbindungen und Netzwerken ein entscheidender Dienstleister. Und auch für uns als Investoren waren Verbindungen von Firmen zur SVB in vielen Weltregionen ein Qualitätskriterium.

Inwiefern?

Wir schauen uns ja nach Venture-Zielfonds in verschiedenen Regionen um, zum Beispiel im asiatischen Raum. Dort stünden weit über 20000 General Partner von Venture-Fonds zur Verfügung. Von diesen hatten allerdings nur 10% ein Konto bei der SVB. Für uns machte das diese Fonds besonders interessant. Denn die Verbindung zur SVB zeigte an, dass wir uns mit Investitionen in diese Vehikel auf jeden Fall innerhalb regulatorischer Vorschriften bewegen. Hinzu kommt, dass das Geldhaus jungen Unternehmen durch seine globale Vernetzung viele Verbindungen herstellen konnte.

Das schuf Abhängigkeiten, die bestimmten Marktteilnehmern wohl ein Dorn im Auge waren.

Das ist gut möglich, zumal die SVB für viele junge Unternehmen auch ein bedeutender Eigen- und Fremdkapitalgeber war und über ein enormes Wissen in Bezug auf Bewertungsniveaus und Opportunitäten verfügte. Damit liegt zumindest nahe, dass die Marktposition der SVB von einigen führenden Venture-Capital-Köpfen aus der Tech-Landschaft als ungewöhnlich stark wahrgenommen wurde, und dies auch zu den Unsicherheiten geführt hat, deren Konsequenzen wir momentan erleben. Das ist ein eher seltenes und bemerkenswertes Phänomen.

Droht dies auch bei weiteren Finanzierern der Start-up-Szene?

Das Risikomanagement verschiedener Institute rückt nun sicherlich stärker in den Fokus, aufgrund der stark gestiegenen Zinsen war es ohnehin schon ein Schlüsselfaktor. Zugleich bietet der Kollaps der SVB für andere Marktteilnehmer auch Chancen. So haben Firmen wie Ares Management das Venture-Debt-Portfolio des kalifornischen Geldhauses unter die Lupe genommen. Das sind Marktteilnehmer, die aufgrund der starken Präsenz der SVB vorher nicht tief ins Segment vordringen konnten und dies nun umso stärker tun. Auch Investmentbanken wie Goldman Sachs haben in hohem Maß Venture-Debt-Investments ausgereicht. Es verbleiben also großvolumige Mittel im System, wenn auch vielleicht aus anderen Quellen als zuvor.

Doch wie ist es nach dem jüngsten Chaos im Markt und der allgemein hohen Unsicherheit um die Ausgabebereitschaft der Endinvestoren bestellt?

Natürlich ist das Fundraising für Venture-Capital-Fonds angesichts der gestiegenen Zinsen in den vergangenen zwölf Monaten deutlich schwieriger geworden. Dabei haben insbesondere Later-Stage- und Early-Growth-Funds Probleme, Mittel einzusammeln. Im Bereich von Pre-Seed-, Seed- oder Early-Stage-Finanzierungen ist das Interesse dagegen noch deutlich stabiler. Hinzu kommen die robusten Bewertungsniveaus und der Zeithorizont der Investoren in diesem Bereich. Denn diese wissen ja, dass es bis zu einem Exit sieben bis acht Jahre dauern kann, und bringen deshalb von vornherein einen langfristigen Fokus mit.

Welche Aktivität erwarten Sie nach den aktuellen Marktverwerfungen seitens der Investoren, die in Venture-Dachfonds wie Ihre investieren?

Wir für unseren Teil haben uns bemüht, schnell und umfangreich an die Investoren zu kommunizieren. Für unsere vier Fund-of-Funds-Strategien haben wir präzise quantifiziert, ob Risiken vorliegen. Dabei hat sich herausgestellt, dass unsere Vehikel nicht direkt vom SVB-Crash betroffen sind. Den Investoren unserer Fonds dürfte dies als Bestätigung der Strategie dienen. Denn über einen Fund of Funds erzielen sie Diversifikationseffekte – über Regionen, Finanzierungsphasen und die hohe Anzahl an Einzelportfoliounternehmen hinweg. Wir bilden in Summe fast 350 Firmen ab, auch durch die Arbeit mit 19 Zielfonds-Managern sind wir breit aufgestellt.

Die Turbulenzen um SVB haben auch regulatorische und geldpolitische Folgen. Wie wird sich das auf Venture-Investments auswirken?

Investmentseitig ändert sich durch die Aussicht auf eine weniger restriktive Geldpolitik erst einmal wenig. Denn dass Marktteilnehmer Investitionen auf dieser Basis um Monate verschieben, erscheint im aktuellen Umfeld unwahrscheinlich. Interessant wird es aber, wenn die Kapitalmarktzinsen anhaltend zurückgehen – dann sollte auch der IPO-Markt wieder anlaufen. Zuletzt waren die Exit-Gelegenheiten insbesondere in Deutschland und Europa rar, auch der Porsche-Börsengang im vergangenen September hat nicht den erhofften Schwung gebracht. Dabei ist die Pipeline an jungen Unternehmen, für die IPOs eine Option darstellen, eigentlich voll.

Welche Auswirkungen wird der SVB-Crash über die aktuellen Verwerfungen hinaus auf das Interesse an Venture-Investments in den USA, relativ zu anderen Regionen, haben?

Für alle Investoren, die ein diversifiziertes Portfolio wollen, führt auch nach dem SVB-Kollaps kein Weg an den Vereinigten Staaten vorbei. Wir gewichten die USA in unseren Portfolios mit 45 bis 50 %. Denn es gibt ja auch viele Teilmärkte, die sehr eng an die USA angebunden sind. Israel beispielsweise hat einen hervorragenden Ruf mit Blick auf Cybersecurity, Gesundheitstechnologie und KI. Der Markt an sich ist aber sehr klein. Das heißt, die dortigen Unternehmen gehen in sehr frühen Phasen mit ihren Geschäftsmodellen in die USA. Dieser Trend wird anhalten.

Was bedeutet dies wiederum für Europa?

Die Europäer haben in der Vergangenheit schon einige Chancen verspielt, sich im Markt stärker aufzustellen. Das hat auch mit der Mentalität zu tun, die grundsätzlich viel pessimistischer ausfällt als in den USA. Mit Blick darauf hoffe ich auch, dass der Schock durch den SVB-Kollaps in Europa am Ende nicht stärker nachwirkt als in den Vereinigten Staaten, wo die Marktteilnehmer die jüngsten Entwicklungen recht schnell wieder abschütteln dürften.

Das Interview führte

BZ+
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