Kapitalmarktunion

Brüssel sieht latente Finanzstabilitäts­risiken

Die EU-Kommission treibt vor allem die nach wie vor hohe Abhängigkeit von Großbritannien beim Clearing um. Den Ukraine-Krieg hat das Finanzsystem laut EZB hingegen bislang gut weggesteckt.

Brüssel sieht latente Finanzstabilitäts­risiken

rec Frankfurt

Die EU-Kommission sieht eine Reihe latenter Risiken für die Finanzstabilität in der Europäischen Union. Vor allem die zögerliche Abnabelung von britischen Clearinghäusern und die aufgeflammte Inflation machen Brüssel Sorgen. Vom Ukraine-Krieg gehen nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) hingegen keine akuten Gefahren für die Finanzstabilität aus. Beides sind zentrale Erkenntnisse einer gemeinsamen Konferenz von EZB und EU-Kommission.

Das Finanzsystem der EU hat die Folgen des Ukraine-Kriegs EZB-Vize Luis de Guindos zufolge bislang gut weggesteckt. Bisher seien die Auswirkungen auf die Finanzstabilität relativ eingedämmt, sagte de Guindos. Die Märkte hätten generell gut funktioniert. Auch wenn einige Banken mit starkem direkten Engagement in Russland von der Krise betroffen seien, habe der wirtschaftliche Schaden keinen nennenswerten Einfluss auf das europäische Bankensystem als Ganzes gehabt.

Weniger entspannt zeigte sich EU-Finanzmarktkommissarin­ Mai­read McGuinness. Vor allem die nach wie vor hohe Abhängigkeit von Großbritannien bei Clearinggeschäften treibt die Irin um. Das sei ein Risiko für die Finanzstabilität. McGuinness kündigte bis Oktober Vorschläge an, um die Kapazität für das Clearing in der EU zu stärken. Laut McGuinness hat die Kommission in einer öffentlichen Konsultation 70 Rückmeldungen erhalten. Es gebe „einigen Widerstand gegen Veränderungen“, räumte sie ein. Die EU-Kommission sei sich der Schwierigkeiten bewusst. Trotzdem sei die Clearingagenda ohne Alternative. Zwischenzeitlich vereinbarte Übergangsregelungen mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit laufen 2025 aus.

Auch die hohe Inflation sieht die EU-Kommission inzwischen als Risiko in Sachen Finanzstabilität. Das sagte der zuständige Referatsleiter Peter Grasmann bei der Konferenz. Insgesamt wies Grasmann aber ähnlich wie EZB-Vize de Guindos darauf hin, der Bankensektor sei „sehr viel widerstandsfähiger und stabiler als zu Zeiten der globalen Finanzkrise“.

Das hat sich nach Auffassung der EZB auch in der Coronakrise gezeigt, wie die Notenbank in einem zweijährlichen Bericht zur finanziellen Integration und Struktur im Euroraum darlegt. „Eine Kombination fiskalischer und geldpolitischer Maßnahmen hielt die finanzielle Fragmentierung während der Pandemie in Schach“, hieß es. Der Bericht weist aber auch auf erheblichen Nachholbedarf hin, um die digitale und grüne Transformation im Euroraum mit privaten Investitionen zu stemmen.

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