Niedrige Liquidität

Cash-Polster der US-Pensionsfonds schrumpfen

Die Cash-Allokation von US-Pensionsfonds fällt äußerst niedrig aus. Dies weckt angesichts des turbulenten Marktumfelds Sorgen davor, dass die Vehikel unter erheblichen Verkaufsdruck geraten könnten.

Cash-Polster der US-Pensionsfonds schrumpfen

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Die Liquiditätspolster amerikanischer Pensionsfonds schrumpfen. So ist die Cash-Allokation von Vehikeln, die Rücklagen für US-Angestellte im öffentlichen Dienst verwalten, 2022 laut Daten des Analysedienstleisters Wilshire auf 1,88% des verwalteten Vermögens gesunken – dies stellt das niedrigste Niveau seit der Finanzkrise 2008 dar. Bei Pensionsfonds aus der Privatwirtschaft fällt der Anteil mit 1,74% sogar noch niedriger aus, wobei die Quote an Barreserven bei diesen Vehikeln schon im Vorjahr auf ein 13-Jahres-Tief von 1,25% eingebrochen war.

Bei Beschäftigten und Pensionären wächst angesichts der Aussicht auf eine schwere Rezession in den USA die Sorge, dass die Polster nicht mehr ausreichen, um Nachschusspflichten auf riskantere Investments nachzukommen und zugleich bestehende Rentenansprüche zu erfüllen. In einer derartigen Situation könnten die Pensionsfonds gezwungen sein, Beteiligungen zu äußerst ungünstigen Konditionen zu liquidieren.

Deutliche Wertverluste

Der Wert der liquidesten Nicht-Cash-Positionen des 307 Mrd. Dollar schweren California State Teachers’ Retirement System (Calstrs), einer Kasse für Lehrer an staatlichen Schulen, ist zuletzt beispielsweise deutlich zurückgegangen. Reichten die Beteiligungen an Assets wie Aktien und Anleihen mit hohen Handelsvolumen im Juli noch aus, um Versorgungsleistungen für eine Dauer von 10,5 Jahren abzudecken, hätten sie im November nur noch für 8,5 Jahre genügt. Bei einer durch akuten Liquiditätsbedarf bedingten Veräußerung würde Calstrs also erhebliche Verluste realisieren – so wie viele andere Kassen auch.

So schlossen Pensionsfonds für Angestellte im öffentlichen Dienst das im Juni 2022 beendete Fiskaljahr mit einem Performance-Minus von 7,9% ab, wie Wilshire-Daten zeigen. Gegenüber den breiten Aktienmärkten mag dies gering erscheinen, für die Kassen bedeutet dies historisch betrachtet aber durchaus einen heftigen Rückschlag: Schlechter fiel die Entwicklung zuletzt im Jahr 2009 aus, als die Vehikel um 17,4% einbrachen.

Infolge der jüngsten Schwäche ist die sogenannte Funded Ratio staatlicher Pensionsfonds, also der Quotient aus Assets und Verpflichtungen, deutlich gesunken. Laut der Beratungsgesellschaft Milliman ging sie zwischen Juni 2021 und dem gleichen Monat des Folgejahres um elf Prozentpunkte auf 74% zurück, im November 2022 fiel sie mit 74,7% nur geringfügig höher aus.

Bereits kleinere Finanzierungslücken führten in der Vergangenheit dazu, dass die Pensionsfonds sich in eine Art Teufelskreis begaben: Im Versuch, offensiv formulierte Renditeziele von durchschnittlich 7% per annum zu erfüllen und das Wachstum ihrer Assets wieder dem ihrer Verpflichtungen anzugleichen, wagten sie sich in zunehmend riskantere Anlagen wie Kryptowährungen oder Private Equity vor. Die hohe Volatilität dieser Investments bedingte zeitweise wiederum umso deutlichere Rückgänge der Funded Ratio.

Trend hält an

Die zuletzt veröffentlichten Daten zu den Liquiditätspolstern deuten darauf hin, dass sich der Trend auch im nun zu Ende gehenden Jahr fortgesetzt hat. Dabei müssen Marktteilnehmer zwar beachten, dass die Erhebung bereits mit Abschluss des alten Fiskaljahres erfolgte und die Kassenquoten seither gestiegen sein können – zumal Cash-Positionen angesichts der gestiegenen Zinsniveaus in den Vereinigten Staaten etwas attraktiver geworden sind.

Das Management dieser Positionen wird aber nicht nur aufgrund der ambitionierten Renditeziele der Pensionsfonds, sondern auch aufgrund des demografischen Wandels langfristig schwieriger. Schließlich fallen die Beitragszahlungen infolge dieser Entwicklung bereits deutlich niedriger aus als die gezahlten Versorgungsleistungen – ein Missverhältnis, das sich noch verschärfen dürfte.

Hinzu kommt, dass sowohl Kassen für Angestellte im öffentlichen Dienst als auch für die Privatwirtschaft Cash Calls von Private-Equity-Fonds auffangen müssen, die für Calstrs und andere Institutionen hunderte Milliarden Dollar an Pensionsrücklagen verwalten. Denn die Kassen verpflichten sich, diesen Vehikeln über einen mehrjährigen Zeitraum Mittel zur Verfügung zu stellen, die Private-Equity-Manager bestimmen indes über den Ausgabezeitpunkt – und aus ihrer Sicht bietet ein angespanntes Marktumfeld häufig Einstiegsgelegenheiten. Bei Calstrs haben die Cash Calls auf Private-Equity-Investments zuletzt entscheidend zum Rückgang der Liquiditätspolster beigetragen.

Stressszenario im Blick

Der größte US-Pensionsfonds Calpers (California Public Employees’ Retirement System) bereitet sich nun auf ein Szenario vor, in dem binnen 30 Tagen 11,3 Mrd. Dollar an Cash Calls aus Privatbeteiligungen, 14,6 Mrd. Dollar an Margin Calls auf Derivate sowie Pensionszahlungen im Volumen von 2,2 Mrd. Dollar und Verwaltungskosten von 1,3 Mrd. Dollar zusammenkommen würden. Die Kasse sieht sich solide genug aufgestellt, um diese Anforderungen zu bewältigen – aber eben nur mit Hilfe von Assetverkäufen.

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