Gewerbeimmobilien

Die Kunst, eine gemeinsame Lösung zu finden

Deutsche Unternehmensimmobilien werden häufig im Eigenbestand gehalten. Im Wandel von Urbanisierung und der Implementierung erhöhter Umweltstandards müssen Konzepte für die Bewirtschaftung dieser Bestände angepasst werden. Eine Verkaufswelle für solche Objekte ist aber nicht in Sicht.

Die Kunst, eine gemeinsame Lösung zu finden

Von Thomas List, Frankfurt

Megatrends wie der soziodemografische Wandel, die Urbanisierung, die Digitalisierung, die Globalisierung und das wachsende Umweltbewusstsein wirken sich unmittelbar auf Unternehmensimmobilien aus. In Deutschland werden sie vielfach im Eigenbestand gehalten. Unternehmensimmobilien diesen neuen Anforderungen anzupassen, ist an­gesichts der erforderlichen Investitionen un­gleich schwerer als wenn man nur oder überwiegend gemietete Objekte nutzt, sagt Alexander von Erdély, CEO von CBRE Deutschland.

Niedrige Buchwerte

Werden sich also deutsche Unternehmen in Zukunft verstärkt von eigenen Immobilien trennen? Der Manager zeigt sich da im Gespräch mit der Börsen-Zeitung skeptisch. „In vielen Unternehmen stehen Immobilien mit niedrigen Buchwerten in der Bilanz. Bei einem Verkauf würden stille Reserven aufgedeckt werden. Das ist häufig nicht gewünscht.“ Allerdings gebe es auch das Gegenteil, wenn zum Beispiel bisher schwerindustriell genutzter Grund und Boden Schadstoffe enthalte.

Zur Liquiditätsbeschaffung ist der Verkauf von Immobilien in der aktuellen Zinslandschaft nicht erste Wahl. Denn für eine zehnjährige An­leihe müssen bonitätsstarke Unternehmen jetzt unter 1% Zinsen zah­len. „Die Renditeerwartungen eines Immobilieninvestors sind deutlich höher.“ Ein rein finanzieller Anreiz reiche nicht aus, um eine Verkaufswelle bei Unternehmensimmobilien auszulösen. „Sonst hätte man das in den vergangenen fünf bis zehn Jahren schon gesehen“, so von Erdély.

Die Zeit war noch nicht reif für den Verkauf von Unternehmensimmobilien, bestätigt Hendrik Staiger, Vorstand der Beos AG, eines auf Industrie- und Unternehmensimmobilien spezialisierten Assetmanagers. „Die Unternehmen hatten andere Themen in der Boomphase nach der Finanzkrise. Das hat sich etwas geändert.“ Durch Megatrends wie Digitalisierung und E-Commerce müssten sich die Unternehmen auch bei ihren Immobilien ganz neu aufstellen. „Ein Verwaltungsgebäude oder eine Produktionshalle nur mit leichten Modifikationen 50 oder 100 Jahre zu nutzen, geht heute nicht mehr.“

Hochspezialisierte Mitarbeiter seien nicht bereit, in der Provinz zu arbeiten, nur weil das Unternehmen dort irgendwann seinen Hauptsitz begründet hatte, sagt Staiger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Angesagt seien Hubs in Uninähe oder an Fraunhofer-Instituten. „Man arbeitet als Firma nicht mehr allein an einem Standort, sondern auf einem Campus mit anderen Unternehmen, Unis, Forschungsinstituten oder Zulieferern.“ Das ist mit eigenen Immobilien nur noch teilweise machbar, folgert der Beos-Manager. Angesichts des flexibleren Arbeitens infolge der Corona-Pandemie fragten sich die Un­ternehmen: Bin ich langfristig gut aufgestellt, wenn ich (alle) Im­mo­bilien im Eigenbestand halte?

Durch das Thema Nachhaltigkeit/ESG wird der Verkauf von Unternehmensimmobilien eine neue Dynamik gewinnen, ist von Erdély überzeugt. „Wenn ein Externer ein Objekt kauft und es auf eigene Kosten und eigenes Risiko zu einer nachhaltigen Immobilie entwickelt, dann wird es auch für Unternehmen mit einer Nachhaltigkeitsagenda interessant. Statt hohe eigene Mittel zu investieren, übernimmt das ein Spezialist, der das tagtäglich macht. Wir erwarten, dass da in den kommenden Jahren einiges passieren wird.“ Ein entsprechend saniertes Objekt kann dann auch für Investoren interessant sein – wenn es sich in einer guten Lage befindet und flexibel für mehrere potenzielle Mieter nutzbar ist – über den ur­sprünglichen Eigentümer hinaus.

Nicht alles ist interessant

Für Beos-Vorstand Staiger ist aber klar: Nicht jede Immobilie ist für In­vestoren interessant. „Einige Unternehmen in Deutschland haben riesige Liegenschaften an nicht drittverwendungsfähigen Stellen. Es gibt aber auch viele Liegenschaften an sehr guten Lagen, die man problemlos anderen Nutzern zur Verfügung stellen kann.“ Beos habe schon oft alte Standorte, die ursprünglich nur von einem Unternehmen genutzt wurden (Single Tenant), in sehr erfolgreiche Multi-Tenant-Industrie- und -Gewerbeparks umgewandelt.

Laut Staiger gibt es viele Möglichkeiten – von Sale & Leaseback der kompletten Fläche über Mischlösungen (anfangs mietet das abgebende Unternehmen den Standort komplett, gibt dann aber Teile nach und nach ab) bis zu Unternehmen, die ihren alten Standort ganz verlassen wollen. „Wir versuchen in den Ge­sprächen mit den Unternehmen ihre langfristigen Bedürfnisse he­raus­zu­finden. Viele wissen das noch gar nicht“, beobachtet Staiger. Dabei ergäben sich oft ganz neue Möglichkeiten, z.B. Nutzung zwar nicht auf der bisherigen Fläche, aber ein Neubau auf einer Erweiterungsfläche. „Die Kunst ist, gemeinsam eine Lö­sung zu entwickeln.“

Langfristige Sale-&-Leaseback-Objekte mit geringem Entwicklungsanteil gibt Beos in die eigenen langfristig orientierten Fonds für deutsche institutionelle Anleger. Es gebe für sie aber auch einen Fonds mit ertragreicheren Value-Add-Objekten. „Bei reinen Projektentwicklungen be­ginnt das Investitionsvolumen bei 30 Mill. Euro und geht typischerweise bis 150 Mill. Euro, kann aber auch wie bei unserem Industrie- und Gewerbepark in Frankfurt-Griesheim über zehn Jahre erheblich höher liegen.“ Für Projektentwicklungen setzt Beos eigene Mittel bzw. die der Mutter Swiss Life, aber auch von Family Offices ein. „Wenn die Projekte fertig entwickelt sind, können die in einen unserer Fonds gehen oder am Markt verkauft werden“, sagt Staiger.

Outsourcing zur Wahl

Unternehmen können aber auch nur Immobiliendienstleistungen wie die Objektbewirtschaftung abgeben (Outsourcing). Nach Meinung des CBRE-Managers gibt es dafür eindeutige Kostenvorteile. „Schon vor Corona haben wir ausgerechnet, dass allein die Dax-30-Unternehmen nur im Betrieb von Immobilien 3 Mrd. Euro einsparen können. Das sind etwa 10% der auf 30 Mrd. Euro geschätzten Betriebskosten und etwa 5% der Gewinne aller Dax-Unternehmen.“ Das Outsourcing nehmen laut von Erdély zwar mehr und mehr Unternehmen in Anspruch – aber kaum deutsche.

Das hat nach seiner Meinung mehrere Gründe. So seien sich nur wenige Finanzchefs der Einsparungspotenziale bewusst. Außerdem hätten sie mehr die größeren Posten wie Personal- und F&E-Kosten im Blick. Und: „Nur wenige Verantwortliche im Corporate Real Estate waren bisher bereit, ihre eigene Aufgabe und ihr eigenes Personal radikal zu reduzieren und sie zum Guten des eigenen Unternehmens nach draußen zu geben.“

Deutschland hinkt hinterher

Deutschland hinke im internationalen Vergleich beim Outsourcing von Immobiliendienstleistungen – wenn es nicht um Einzelleistungen wie Facility-Management oder Projektsteuerung bei Einzelimmobilien geht – fünf bis zehn Jahre hinterher. „Im Ausland werden alle Immobilienleistungen eines Unternehmens an einen Dienstleister übergeben, der dann Skalen- und Synergieeffekte durch die Kombination von kaufmännischen und technischen Aspekten nutzen kann.“ Einziges Beispiel für ein solches komplettes Outsourcing des Immobilienbereichs in Deutschland ist für von Erdély die Deutsche Bank – die CBRE als weltweiten Partner ausgewählt hat. „Da sehen wir ein riesiges Potenzial.“