Währungseffekte

Dollar-Stärke belastet Japans Banken

Energiekrise und Inflation haben Japan bisher noch nicht erreicht. Daher ändert sich für Japans große Finanzgruppen vorerst nicht viel, ihr Geschäft läuft bisher gut. Doch die Dollar-Stärke belastet das Auslandsgeschäft bereits heute.

Dollar-Stärke belastet Japans Banken

Von Martin Fritz, Tokio

Die Schockwellen auf den globalen Energie- und Finanzmärkten in diesem Jahr haben Japans Banken kaum erschüttert. Auch hat sich ihr Umfeld weit weniger verändert als das von Finanzinstituten in China, Europa und den USA. Die Bank of Japan erhöhte ihren negativen Leitzins gar nicht erst und setzte ihre massiven Anleihekäufe fort. Zugleich stieg die Inflationsrate nur um rund 3 Prozentpunkte zum Vorjahr auf moderate 3,0%. Japans Russland-Sanktionen verursachten den drei größten Finanzgruppen aber Abschreibungen und Rückstellungen von insgesamt knapp 360 Mrd. Yen (2,5 Mrd. Euro) zwischen Januar und März.

In dieser Gemengelage behaupten sich die Institute gut: So konnten die Gruppen bei Vorlage ihrer Ergebnisse für das erste Quartal zwischen April und Juni an den Anfang Mai ausgegebenen Jahresprognosen festhalten. Mitsubishi UFJ Financial Group (MUFG) erwartet weiter einen Nettoertrag von rund 1 Bill. Yen (7,4 Mrd. Euro), knapp 12% weniger als der Rekord von 2021. Sumitomo Mitsui Financial Group (SMFG) und Mizuho Financial Group sagen unterm Strich 730 Mrd. Yen (5,4 Mrd. Euro) bzw. 540 Mrd. Yen (4 Mrd. Euro) jeweils nahe dem Vorjahreswert vorher. Die Stabilität zeigt Wirkung: Der Topix-Subindex für die Banken schnitt in diesem Jahr besser ab als der marktbreite Topix.

Jedoch könnte sich die aktuelle Phase noch als Ruhe vor dem Sturm erweisen, weil der Stress im globalen Finanzsystem tendenziell eher zugenommen hat. Sprunghaft steigende US-Zinsen, der Einbruch der japanischen Währung sowie die Null-Covid-Politik und die Immobilienkreditkrise in China drohen einige Ge­schäftsgrundlagen der japanischen Großbanken zu untergraben. Unklar ist, ob die eigene Zentralbank ihre geldpolitische Lockerung wirklich fortsetzen kann.

Zinswende am Horizont

Jedenfalls mehren sich inzwischen Stimmen, dass die Bank of Japan die Zinskurve nicht dauerhaft kontrollieren kann. Im April 2023 gibt Haruhiko Kuroda nach zehn Jahren die Führung der Zentralbank ab. Sein Nachfolger könnte den jetzigen Kurs korrigieren. Seit Mitte Juli ge­hören dem Lenkungsrat der Notenbank auch zwei neue Mitglieder an, die für Änderungen nach dem Führungswechsel offen zu sein scheinen: Der Ökonom Hajime Takata warnte bereits vor den Nebenwirkungen einer ultralockeren Geldpolitik, Naoki Tamura vertritt als bisheriger Berater von SMFG die Interessen der Großbanken.

Bereits jetzt machen der starke Anstieg der US-Zinsen und die Kursverluste von Dollar- und anderen Auslandsanleihen den japanischen Finanzgruppen zu schaffen. Als Re­aktion auf ihren rasch alternden und schrumpfenden Heimatmarkt und die extreme Geldpolitik in Japan haben die Finanzgruppen in den vergangenen zehn Jahren ihren Bestand an japanischen Staatsanleihen abgeschmolzen und in großem Stil in dollardenominierte Anleihen investiert. Außerdem erwarben sie Dollar-Assets von ausländischen Banken. Zum Beispiel kaufte SMFG vor zehn Jahren das Flugzeug-Leasing der damaligen Royal Bank of Scotland mit einem Volumen von damals 7,2 Mrd. Dollar. Zugleich vergaben die japanischen Geldhäuser vermehrt Dollar-Kredite an japanische Unternehmen für ihre Expansion ins Ausland.

Unter den geänderten Umständen entwickelt sich diese Strategie zum Bumerang. Bereits Ende März bezifferten die drei Finanzgruppen die unrealisierten Verluste ihrer Bestände an Auslandsanleihen auf 1,7 Bill. Yen (12 Mrd. Euro). Seitdem ist die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe von 2,7% auf 3,8% gestiegen, was Wertverluste um weitere 40% impliziert. Immerhin standen diesem Minus zu Ende März unrealisierte Gewinne von 6,4 Bill. Yen gegenüber. Dennoch schichten die Großbanken schon seit Mitte 2021 ihre Kurzläufer von US-Staatsanleihen in Langläufer um, damit sie die Wertverluste leichter aussitzen können. Zugleich profitieren sie von den im Vergleich zu Japan attraktiv hohen Zinskupons.

Aber dieses Vorgehen bleibt eine riskante Wette, wenn die Inflation zum dauerhaften Phänomen wird. Bei Marktführer MUFG standen Ende Juni 22,2 Bill. Yen (156 Mrd. Euro) an Auslandsanleihen in der Bilanz, die Auslandskredite summierten sich auf 51,9 Bill. Yen (365 Mrd. Euro). Dazu kommt die Beteiligung von 21,5% an der US-Bank Morgan Stanley, die bislang das Ergebnis stützte.

SMFG bezifferte den Auslandskreditsaldo zum gleichen Zeitpunkt auf 295 Mrd. Dollar und die Auslandsanleihen auf 13,3 Bill. Yen (94 Mrd. Euro). Und Mizuho hatte Ende Juni ausstehende Auslandskredite von 253,3 Mrd. Dollar und Auslandsanleihen von 11,5 Bill. Yen (81 Mrd. Euro) in der Bilanz. Die Bilanzierung in Yen kann die Wertverluste dieser Wertpapiere und Kredite durch die Abwertung von 20% zum Dollar nur vorübergehend verstecken. Der Leiter der MUFG-Sparte für Global Markets, Hiroyuki Seki, kündigte im Juli den Einsatz von „Hedging-Werkzeugen“ an, um die Wertverluste von Auslandsanleihen aufzufangen.

Verluste für Privatanleger

Doch Gefahren lauern manchmal in unerwarteten Ecken: Strukturierte Schuldverschreibungen im Volumen von 29 Mrd. Dollar brachten Japans Banken laut einer Schätzung von Jefferies jährlich 1 Mrd. Dollar Gewinn ein. Aber die Aufsicht verlangt, dass Banken diese Papiere nicht mehr an Privatleute verkaufen. Zuvor hatten sich viele Käufer, überwiegend ältere Japaner, über abrupte Verluste durch unerwartete Bewegungen von zu­grundeliegenden Vermögenswerten beklagt. Daher verzichten viele Institute inzwischen auf das einträgliche Geschäft, das ursprünglich für Profianleger gedacht war.

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