Finanztechnologie

Fintech-Sektor steht vor weiterer Konsoli­dierung

Insbesondere B2C-Start-ups werden 2023 nur noch schwer Zugang zu Anschlussfinanzierungen haben. Es ist damit zu rechnen, dass im Frühjahr/Sommer noch einige Fintechs pleitegehen bzw. im Rahmen der Marktkonsolidierung geschluckt werden.

Fintech-Sektor steht vor weiterer Konsoli­dierung

Kein zweites Fintech steht so exemplarisch für den Boom-and-Bust-Zyklus des Sektors wie die schwedische Klarna. Vor knapp zwei Jahren noch mit 46 Mrd. Dollar bewertet, wollten Investoren zunächst zu 60 Mrd. Dollar nachschießen, was sich dann allerdings ins Gegenteil verkehrte, als Klarna-Chef Sebastian Siemiatkowski im Sommer ein Closing für eine Anschlussfinanzierung suchte. Von 30 Mrd. wurde er zunächst auf 15 Mrd. Dollar runtergehandelt – nur um dann bei 6,5 Mrd. Dollar zu landen. Und auch zu diesen Bedingungen fanden sich nur Altaktionäre zur Zeichnung frischer Anteile bereit, da sich mit dem Abkühlen der Konjunktur und heraufziehender (und inzwischen verabschiedeter) Regulierung von „Buy now, pay later“ (BNPL) das Umfeld für Retail-Fintechs verdüsterte.

Diese Bestandsaufnahme ist auch heute noch gültig, und sie belastet den gesamten Fintech-Sektor, der vor einem schwierigen Jahr 2023 steht. Denn beim Funding zeigen sich bislang keine Entspannungssignale. Daten von CB Insights zufolge verringerte sich das globale Fundingvolumen im dritten Quartal um 38% gegenüber dem vorigen Abschnitt auf 12,9 Mrd. Dollar – der tiefste Wert seit neun Quartalen. Die durchschnittliche Dealgröße verringerte sich um 38% auf 20 Mill. Dollar, denn es gibt immer weniger Blockbuster-Deals – nur sechs neue Einhörner entstanden im dritten Ab­schnitt. M&A in Fintech verringerte sich um 14% auf 20 Mill. Dollar pro Transaktion.

Das hört sich alles fürchterlich an, erscheint im Kontext aber relativiert: Das Fintech-Funding befindet sich immer noch oberhalb des Niveaus von 2020. 2021 war die Szene aber so richtig explodiert, als Adressen wie Softbank und Tiger Global prozyklisch immer höhere Summen in Fintech pumpten und Skalierung Priorität genoss. Diese Phase ist vorbei, jetzt wollen die Investoren profitables Wachstum sehen, was die Start-ups zum Kurswechsel zwingt. Expansionsprojekte werden eingedampft, Kostenkontrolle ist das neue Mantra. Zu diesem Paradigmenwechsel gehören auch die Entlassungswellen insbesondere in B2C, da in rezessivem Umfeld das Geld beim privaten Konsumenten nicht mehr so locker sitzt.

Und da die VC-Fonds derzeit zwar viel Geld auf der hohen Kante haben, aber eben auch sehr risikoavers sind, dürften einige Fintechs Schwierigkeiten haben, im kommenden Jahr Anschlussfinanzierungen zu erhalten. Es ist damit zu rechnen, dass im Frühjahr/Sommer noch einige Fintechs pleitegehen bzw. im Rahmen der Marktkonsolidierung geschluckt werden. Zu den Insolvenzen in Deutschland gehört mit Nuri auch ein Kryptofinanzvermittler, der mangels eigener Lizenzen keinen Käufer anlocken konnte. Krypto & DeFi hatten schon im ersten Quartal global 8% weniger Finanzierungen erhalten, was sich mit den Pleiten von Three Arrows, Celsius und FTX immer weiter ausdünnte (ein Drittel weniger war es im zweiten Quartal). Der Sektor ist für viele VCs derzeit nicht mehr investierbar, da neben betrügerischen Aktivitäten auch offenbar wurde, dass man das Geschäft erst aufdrehen kann, wenn mit Vorschriften wie der Micar für Europa ein Rahmen für Compliance im Geschäft mit digitalen Assets besteht. Die „Markets in Crypto Assets Regulation“ wird aber erst 2024 in Kraft treten. Bis dahin sind die Start-ups mit den Antragsverfahren beschäftigt.

Banken sind aufgewacht

Sehr viel besser sieht es für Fintechs im Zahlungsverkehr aus. Auch wenn der Rückgang beim Funding hier den Daten von Dealbook zufolge im ersten Quartal um −22% sehr heftig ausfiel, so sind die Wachstumsaussichten doch grundsätzlich intakt. Denn der Megatrend in den verschiedenen Segmenten des Payment hält an, wie zuletzt eine Studie der Boston Consulting Group zeigte. Allerdings sind die Banken im Zahlungsverkehr mittlerweile äußerst alert und ertüchtigen sich für BNPL und In-App-Käufe – die sich abzeichnende starke Stellung des Instant-Payment-Backends spielt den Banken in die Karten, da sie auf der Basis Mehrwertdienste für den Handel aufsetzen können, die besser vergütet sind als das Massengeschäft. Aber da bleibt immer noch viel Raum für Payment-Fintechs, solange die Vergütungen über Kreditkarten fließen.

Gerupft wird der Sektor der Neobanken, die Dealbook zufolge im zweiten Quartal mit nur noch 0,5 Mrd. Dollar 59% weniger erhielten gegenüber dem Vorjahr. N26 hatte 2021 glücklicherweise noch mal 900 Mill. Dollar zu einer Bewertung von über 9 Mrd. Dollar aufgenommen, bevor sich der Abwärtstrend und der Stimmungswechsel manifestierten. Am heftigsten werden die Neobroker abgewertet, wo mit dem Ende des Aktienhypes das Funding um 78% einbrach auf nur noch 0,4 Mrd. Dollar. Hier setzt die Konsolidierung bereits ein: Der britische Neobroker Freetrade ist offen für Angebote. Weiter gut läuft es für B2B und Banking-Infrastruktur. Und Dealroom zufolge hält sich Europa beim Funding insgesamt besser als die USA, auch London ist stark.

Klarna schafft die Wende

Es ist also doch nicht alles „doom and gloom“ in Fintech. Auch Klarna-Chef Sebastian Siemiatkowski wittert Morgenluft, nachdem man im dritten Quartal den Nettoverlust halbieren und die Einnahmen um immerhin 13% steigern konnte. Ab August/September 2023 soll Klarna auf Monatsbasis profitabel sein (nach dann drei Jahren in Rot bei dieser Kennziffer). Angesichts der Konsumflaute und sinkenden Einkaufsbudgets bei der Retail-Kundschaft hat Klarna BNPL-Kredite restriktiver gehandhabt, insbesondere am längeren Ende. Die Credit Loss Rate wurde im dritten Abschnitt gegenüber dem Vorquartal um 8% verbessert, aber netto war es mit gut 400 Mill. Dollar doch die Hälfte mehr gegenüber dem Vorjahr, da man bei Neukunden in neuen Ländern immer mehr Abrieb hat. Und Klarna hatte insbesondere in den USA aufgedreht. Das trug auch zum Umsatzplus von 22% bei. Dabei sieht es grundsätzlich nach einem soliden Trend für BNPL aus: Das Bruttoverkaufsvolumen erhöhte sich um 22% auf gut 60 Mrd. Dollar, während das E-Commerce-Volumen nur um 3% zulegte. Das heißt, dass die Händler weiter bereit sind, für BNPL Provisionen zu zahlen, und das mit steigender Tendenz. Das Geschäftsmodell von Klarna dürfte sich damit wohl behaupten können.

Von Björn Godenrath, Frankfurt

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