Nikola Steinbock, Landwirtschaftliche Rentenbank

„Jeder versteht, dass ein Wandel unvermeidlich ist“

Unter der Ampel-Koalition kommen absehbar neue Aufgaben auf die Landwirtschaftliche Rentenbank zu. Der Berufsstand der Bauern steht Zielen wie Klimaschutz und Tierwohl durchaus aufgeschlossen gegenüber, sagt Bankchefin Nikola Steinbock.

„Jeder versteht, dass ein Wandel unvermeidlich ist“

Jan Schrader und Bernd Neubacher.

Frau Steinbock, seit Jahren reicht die Landwirtschaftliche Rentenbank immer weniger Programmkredite aus. Woran hapert es?

Viele Landwirte fragen sich, ob eine heutige Investition auch morgen noch Bestand hat – oder ob politisch oder gesellschaftlich etwas anderes gewollt sein wird. Wir reden hier oft von Amortisationszeiträumen von 20 oder 30 Jahren – und entsprechend langen Laufzeiten der Darlehen. Die Unsicherheit hemmt das Investitionsklima erheblich.

Was bedeutet der Ukraine-Krieg für die Landwirtschaft?

Zuerst einmal: Das menschliche Schicksal macht mich sehr betroffen. Natürlich hat der Krieg Auswirkungen auf die Agrarmärkte. Sowohl die Ukraine als auch Russland gehören zu den führenden Erzeuger- und Exportländern von Getreide und weiteren Ackerfrüchten weltweit. Da­durch erreichen die Preise für Getreide, Raps und Sonnenblumen derzeit Höchststände. Wegen des Krieges fällt wohl die Frühjahrsaussaat in der Ukraine aus. Es ist dadurch mit einer erheblich verringerten Ernte im Jahr 2022 zu rechnen. Die Lebensmittelversorgung ist wegen der hohen Selbstversorgung in der EU zwar nicht gefährdet. Aber es ist schlimm, dass besonders Länder in Nordafrika und Asien von den Folgen des Krieges betroffen sein werden. Sie sind sehr von den Importen aus der Ukraine abhängig.

Sind steigende Agrarpreise für Landwirte eine gute Nachricht?

Der Krieg wirkt sich nicht nur auf Agrarmärkte aus. Zugleich spürt die Landwirtschaft die steigenden Gas-, Rohöl- und Energiepreise. Gerade Düngemittel sind extrem teurer geworden. Dabei waren die Betriebskosten schon vor Kriegsbeginn hoch. Die ohnehin bestehende Unsicherheit in der Branche wird also insgesamt noch befeuert werden.

Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

Ich wünsche mir für meine Kundschaft einen verlässlichen Rahmen, damit eine Planung über lange Zyklen möglich ist. Das gilt übrigens nicht nur für die Landwirtschaft, sondern im Prinzip für alle Wirtschaftszweige. Und gerade auch in den Kriegstagen ist Planungssicherheit für wirtschaftliches Handeln elementar. Die Bundesregierung ist natürlich noch frisch im Amt und wird ihre Pläne noch darlegen.

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien enthält eine Reihe an Vorhaben für die Landwirtschaft. Welche Aufgaben kommen ab­seh­bar auf die Bank zu?

Wir führen intensive Gespräche mit dem Bund. Nach unserer Wahrnehmung steht das Tierwohl als Ziel weit vorn. Für dessen Umsetzung wäre die Rentenbank geeignet, da wir aus unseren eigenen Förderprogrammen und den Bundesprogrammen bereits ein etablierter Finanzierungspartner sehr vieler landwirtschaftlicher Be­triebe sind. Ein weiteres Thema sind erneuerbare Energien. Dabei fördern wir nur Anlagen, wenn Landwirte – gegebenenfalls gemeinsam mit Bürgern oder ländlichen Initiativen – hinter den Projekten stehen, wir also Wertschöpfung im ländlichen Raum mit unterstützen können. Die ökologische Landwirtschaft könnte für uns ebenfalls ein stärkeres Thema werden. Und auch darüber hinaus ist vieles vorstellbar.

Tierwohl, Windräder, Biolandwirtschaft – hat die Politik dafür in Kriegstagen einen freien Kopf?

Über Entscheidungen der Politik kann ich nichts sagen, die Prio­risierung der Themen liegt bei der Bundesregierung. Immerhin, so viel war von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu hören, soll bis 2035 Strom nur noch aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Das deutet darauf hin, dass der Krieg in der Ukraine die Energiewende be­schleunigen könnte.

Zieht die Landwirtschaft bei dem erhofften Wandel überhaupt mit?

Nach meiner Wahrnehmung gibt es einen breiten Veränderungswillen in der Gesellschaft. Jeder versteht, dass ein Wandel unvermeidlich ist. Auch die Landwirtschaft will sich an einer Transformation beteiligen. Es gibt viele Landwirte, die sich auf unterschiedliche Art und Weise engagieren. Sie sind der Auffassung, dass sich etwas ändern muss.

Bisher äußern sich Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wohlwollend übereinander. Dabei müsste es doch zwischen den Landwirten und einem grünen Minister viele Reibungspunkte geben.

Ist Ihnen die Debatte etwa zu kommod? Es ist doch in der Politik ähnlich wie in der Unternehmenswelt: Wer nicht alle einbezieht, wird vermutlich havarieren. Es ist immer besser, einen Kompromiss anzustreben. Dass beide Seiten offenbar einen guten Einstieg in die notwendige Zusammenarbeit gesucht und gefunden haben, ist also ein sehr gutes Zeichen. Es gab in der Vergangenheit einen anderen Konsens, und der war unter anderem, dass wir billiges Fleisch wollen. Für eine Transformation ist es jetzt wichtig, dass alle mitgenommen werden. Eine Kontroverse werden wir vielleicht in einzelnen Punkten noch sehen, aber die Auseinandersetzung sollte dazu dienen, Lösungen zu finden. Die Notwendigkeit einer Transformation wird von allen gesehen.

Wie könnte die Förderung aussehen? Ist das Anfang 2021 eingeführte „Investitionsprogramm Landwirtschaft“ ein Modell?

Ja, durchaus! Das Programm fördert Maschinen und Geräte zum Beispiel zur emissionsarmen und bodenschonenden Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutz. Aber auch die Gülleseparation sowie der Bau emissionsmindernder Güllelager wird ge­fördert und trägt damit nicht nur zum Klima- und Umweltschutz bei, sondern auch zur Schonung von Ressourcen. Die Zuschüsse betragen bis zu 40 % der Investitionssumme. Sie werden mit einem Darlehen der Rentenbank kombiniert. Ich rechne da­mit, dass es weitere Programme geben wird, die in ähnlicher Weise einen Zuschuss des Bundes mit einem Förderdarlehen kombinieren. Natürlich ist dabei noch alles offen.

Auch die KfW rechnet unter der Ampel-Koalition mit neuen Aufgaben, die sich wegen der Vorbereitung aber nicht vor 2023 spürbar im Neugeschäft zeigen.

Für 2022 haben wir unseren Refinanzierungsrahmen über mittel- bis langfristige Anleihen auf 11 Mrd. Euro gesetzt und stünden für neue Aufgaben bereit. Aber wir nähern uns jetzt dem April, politische Entscheidungen müssen noch in konkrete Programme überführt werden. Einen größeren Push wird es vermutlich nicht mehr in diesem Jahr geben.

Auch die Rentenbank wandelt sich. Wie nehmen Sie die Belegschaft mit, um bis 2026 eine Frauenquote von 30% in der oberen und 40% in der mittleren Führungsebene durchzusetzen?

Auch hier ist es wichtig, alle einzubinden, damit jeder versteht, was wir machen. Das Ziel klingt erstmal nicht nach viel, aber es wird sehr anstrengend. In der Führungsebene unterm Vorstand kommt auf 14 Positionen bisher nur eine Frau. In der mittleren Führungsebene ist das Verhältnis heute schon deutlich höher, aber auch noch längst nicht bei den geplanten 40%. Das bedeutet, dass wir für jede Stelle, die wir neu besetzen, möglichst eine Frau finden wollen. Dazu überlegen wir auch, wen wir von unseren bisherigen Mitarbeiterinnen für diese Positionen entwickeln können und wo wir uns extern verstärken wollen. Und natürlich sprechen wir mit allen Beteiligten.

Auch Investoren wollen bei einem Wandel mitgenommen werden – über nachhaltige Anleihen. Eckhard Forst, Präsident des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) und Chef der NRW.Bank, sieht noch immer viel Spielraum für Green Bonds. Gilt das auch für die Rentenbank?

Diese Ansicht teile ich, es besteht noch viel Luft nach oben. Als wir im September 2020 unseren ersten öffentlichen Green Bond emittierten, war das Papier mit 3,9 Mrd. Euro überzeichnet, am Ende haben wir 1,75 Mrd. Euro emittiert. Der Bond basiert auf einem schon existierenden Kreditportfolio für Fotovoltaik und Windkraft. Die eingesparten CO2-Emissionen können wir dabei konkret messen. Wir können uns vorstellen, dass wir künftig auch im Segment Biogas einbeziehen. Und meine Vision ist es, dass wir einen Bond mit dem Ziel des Tierwohls verbinden. Dafür müssen wir aber noch eruieren, wie wir den Impact valide messen können. Das ist nicht nur gut für die Akzeptanz bei Investoren, sondern auch notwendig für eine effiziente Steuerung. Ob wir den Bond dann öffentlich oder privat platzieren, ist eine weitere Frage. Auch sonst ist vieles denkbar, aber immer unter der Bedingung, dass das Impact-Reporting auf einer wissenschaftlich belastbaren Basis erfolgt.

Wie hoch ist das Volumen grüner Anleihen, das die Bank anpeilt?

Dazu will ich keine Zahl nennen.

Wo liegt der Vorteil von Green Bonds für die Bank? Wird die Refinanzierung dadurch günstiger?

Green Bonds können durchaus zwei bis drei Renditestellen günstiger sein als konventionelle Anleihen. Die zusätzliche Nachfrage der „reinen“ grünen Investoren wirkt sich auf jeden Fall positiv auf die Nachfrage und die Preisentwicklung im Sekundärmarkt aus.

Setzt die Rentenbank mit einem Green Bond auch ein Symbol für ein politisch oder gesellschaftlich gewolltes Ziel?

Green Bonds dokumentieren unseren Beitrag zur Erreichung der glo­balen Klima- und Umweltziele. Wir wollen notwendige Transformationsprozesse möglichst vielfältig begleiten und die erneuerbaren Energien spielen hier eine sehr große Rolle. Heute sicher noch mehr als vor dem 24. Februar.

Die Rentenbank hat eine harte Kernkapitalquote von 31,8%. Kommt sie im Zuge neuer Programme an ihre Grenzen?

Die aktuellen Quoten liegen weit über den geltenden Anforderungen. Auch in allen Planungsszenarien bietet unsere Kapitalausstattung genug Spielraum für Neugeschäft, ohne auf externes Kapital angewiesen zu sein.

Die Vollendung von Basel III bringt für Förderbanken strengere Kapitalvorgaben mit sich, weil Kredite, die über gewöhnliche Banken ausgereicht werden, künftig eher stärker ins Gewicht fallen. Was folgt daraus für die Rentenbank?

Insgesamt kann unsere Kapitalquote durch Basel III um drei bis vier Prozentpunkte sinken. Das ist für uns gut verkraftbar.

Dann haben Sie keine Einwände gegen eine Verschärfung der Kapitalregeln für Förderkredite?

Doch, durchaus! Auch wenn wir die Last verkraften können, ist uns eine angemessene Betrachtung unserer Risiken wichtig. Im Förderkreditgeschäft treten Hausbanken ihre Forderungen, die sie an ihre Endkreditnehmer haben, an uns ab. Wir haben daher mit anderen Förderbanken zusammen dafür gekämpft, dass diese Kredite anders bewertet werden als unbesicherte Darlehen an andere Banken. Aber das ist uns nicht gelungen. Und das finden wir sehr schade.

An anderer Stelle geht die Rentenbank neue Risiken ein. Sie beteiligt sich neuerdings an Start-ups.

Wir haben eine Venture-Capital-Strategie im Verwaltungsrat vorgestellt. Als Förderbank beteiligen wir uns mit 25 Mill. Euro am European Circular Bioeconomy Fund (ECBF), der in Agtechs und Foodtechs investiert. Außerdem haben wir in diesem Jahr schon insgesamt 2,9 Mill. Euro aus Mitteln des Zweckvermögens des Bundes bei der Rentenbank als Nachrangdarlehen direkt in vier Start-ups investiert: Constellr, die mit einer eigenen Satellitenflotte Daten zu Boden- und Pflanzengesundheit erhebt; Cropzone, die Beikraut – also Unkraut – über elektrischen Strom entfernt; Feldklasse, die präzise Hackwerkzeuge gegen Beikraut bietet; und schließlich Organifarms, die Farmroboter entwickelt.

Von der KfW mit ihrer Beteiligungstochter KfW Capital, die bis Ende 2030 rund 4,5 Mrd. Euro an Wagniskapital aufbringen will, ist die Rentenbank noch entfernt.

Ich kann mir vorstellen, dass wir in enger Abstimmung mit dem Verwaltungsrat weitere Schritte gehen. Beteiligungen binden Kapital, doch auch dafür reichen unsere Mittel aus.

Warum muss eine Förderbank Kapital bereitstellen? Es gibt doch auch viele private Geldgeber!

Natürlich ist viel Geld da, das in vielen Branchen auch bereitsteht. Doch die Perspektiven von Agtechs und Foodtechs sind sehr langfristig, schwieriger zu verstehen und auch abhängig vom Klima. In einigen anderen Märkten, etwa in den USA, in Großbritannien oder in Israel, kommen aber auch solche Start-ups leichter an Kapital.

Über den Mangel an Wagniskapital wird oft geklagt. Können Förderbanken das grundsätzliche Problem, also die Struktur des Kapitalmarkts, angehen? Oder lindert das Geld nur die Symptome?

Wir können die Probleme nicht allein beheben, wir können sie aber, wie Sie sagen, lindern und einen An­schub geben, damit private Inves­toren ebenfalls einsteigen. Es geht dabei nicht nur um Kapital, sondern auch um ein Netzwerk. Aus diesem Grund veranstalten wir in diesem Jahr zum fünften Mal im Frankfurter Techquartier unser Bootcamp „Growth Alliance“, bei dem wir junge Agtech- und Foodtech-Start-ups und Investoren zusammenbringen.

Im vergangenen Jahr stiegen die Kosten der Bank um 19% auf 90 Mill. Euro, unter anderem wegen der IT. Wieso steigt der Aufwand?

Wir wollen unter anderem unser Kernbanksystem, eine Eigenentwicklung, ablösen. Und wir haben wie alle Unternehmen auch das Thema Cybersicherheit im Blick. Für alle IT-Maß­nahmen haben wir eine Roadmap erstellt, die bis 2026 reicht und einen hohen zweistelligen Millionenaufwand für die Umsetzung vorsieht.

Auch das denkmalgeschützte und 1956 errichtete Gebäude am Eschenheimer Tor in Frankfurt wird umgebaut. Dabei stockt die Bank die Etagen in einem Gebäudeteil von sieben auf elf auf. Wie lange dauert der Umbau noch?

Wir wollen das traditionsreiche Gebäude erhalten, das auch für das Stadtbild einen hohen Wert hat. Aber das erzeugt einen erheblichen Zeitaufwand. Nicht nur die Fassade, auch Elemente wie Treppengeländer, Wandbilder und Böden müssen erhalten bleiben. Wir hoffen, dass wir in guten Gesprächen mit der Stadt Frankfurt Ende des Sommers die letztendliche Baugenehmigung erhalten, um das Gebäude aufzustocken. In vier Jahren könnten wir mit dem Umbau fertig sein.

Die Rentenbank hatte im vergangenen Jahr im Einklang mit KfW und anderen Förderbanken negative Einstandszinsen im Kredit­geschäft eingeführt. Nachdem die Marktzinsen wieder gestiegen sind, kann die Rentenbank kaum noch negative Sätze weiterreichen. War das Projekt für die Katz?

Nein, vergebens war das nicht. Der Aufwand war vertretbar und wir haben zeitweilig günstigere Kredite ausreichen können. Insgesamt ist es aber gut, wenn die Zinsen wieder ein normales Niveau erreichen. Die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Tiefzinsen sind schließlich weitreichend. Profitiert haben davon vor allem diejenigen, denen es schon vorher gut ging, also etwa Besitzer von Immobilien und Aktien. Gleichzeitig haben viele Menschen für ihre Altersvorsorge nur mit kleinen Guthaben in kurzfristige Geldanlagen investiert. Das hat seinen Preis. Die Effekte werden wir in 20, 30 Jahren sehen. Es wundert mich, dass in der Gesellschaft und in den Medien nicht öfter über das Thema gesprochen wird.

Bremsen die zuletzt gestiegenen Zinsen das Neugeschäft aus?

Natürlich freuen sich unsere Kreditnehmer über niedrige Zinsen. Der Anstieg ist bisher moderat. Die anfangs angesprochene Unsicherheit prägt das Investitionsklima in der Landwirtschaft viel stärker als das absolute Zinsniveau oder konkret der jüngste Zinsanstieg.

Das Interview führten

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