Andreas Utermann

Vontobel sieht Unternehmens­welt vor „Reinigungs­prozess“

Die Turbulenzen am Bankenmarkt haben aus Sicht von Vontobel-Präsident Andreas Utermann noch nicht den notwendigen Bereinigungsprozess gebracht. In dieser Marktphase will er das Geschäft mit Private Markets ausbauen.

Vontobel sieht Unternehmens­welt vor „Reinigungs­prozess“

Wolf Brandes.

Herr Utermann, jüngst hat die Zinswende zu Turbulenzen im Bankensektor geführt. Mit der Insolvenz der Silicon Valley Bank und der Übernahme der Credit Suisse zeigen sich hohe Risiken für Investoren und Märkte. Sind die Gefahren unterschätzt worden?

Die Risiken sind nicht durch die veränderten Marktbedingungen entstanden, sondern die veränderten Marktbedingungen sind eine Folge der Risiken, die sich seit 15 Jahren aufgebaut haben. Höhere Zinsen bedeuten eben auch ein höheres Risiko. Das wird jetzt einen notwendigen Reinigungsprozess mit sich bringen. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren angesichts des billigen Geldes nicht mehr vernünftig gewirtschaftet. Das wird in der Realwirtschaft zu Problemen führen.

Ist das, was wir am US-Bankenmarkt oder bei den Großbanken in der Schweiz sehen, auch ein Teil dieser Bereinigung?

Nein, das war noch keine Bereinigung. Der Fall der Silicon Valley Bank war ein politisches Eigentor. Die Bank ist nicht pleitegegangen, weil sie sich verspekuliert hat oder weil sie eine Notlage bei Krediten hatte. Die Ursache war, dass sie Papiere mit einem erheblichen Wertverlust verkaufen musste.

Wie ist das Ende der Credit Suisse in dem Zusammenhang mit den Marktbedingungen zu bewerten?

Die Credit Suisse ist ein Einzelfall mit ganz spezifischen Themen. Ich bin für die Banken durchaus optimistisch, weil sie in der Regel von steigenden Zinsen profitieren. Andererseits dürfen wir aber die Folgen steigender Zinsen auf die Realwirtschaft nicht vergessen. Die niedrigen Zinsen haben manchem Unternehmen erlaubt, länger am Markt zu bleiben, als dies in einem normalen Zinsumfeld möglich gewesen wäre. In dem neuen Umfeld werden wir möglicherweise nun die eine oder andere Überraschung sehen. Ich gehe davon aus, dass wegen der Folgen auf die Realwirtschaft die Unruhe an den Märkten noch etwas bleiben wird.

Sie sprechen von Eigentoren der Politik. Warum?

Im Fall der US-Banken hat die Regulierung zu langsam reagiert. Wenn man 10 bis 15 Jahre lang eine Niedrigzinspolitik fährt und jetzt die Zinsen hochfährt, dann muss man davon ausgehen, dass das Konsequenzen am Kapitalmarkt hat. Man hätte sich vorher Instrumente überlegen sollen, die den Banken helfen, diesen schnellen Zinsanstieg zu bewältigen. So wie das jetzt gemacht wird. Die langen Niedrigzinsen hatten nun mal eine gewisse Anlagepolitik zur Folge, die so kurzfristig nicht zu ändern war. Es gibt aber Möglichkeiten, solche Liquiditätsprobleme zu meistern. Das sieht man jetzt wieder ex post, man hätte es aber auch ex ante machen können. Ich denke, dass die Schweizer Behörden Wesentliches zur Stabilisierung des Finanzsystems getan haben und sie und die weiteren internationalen Behörden dies auch weiterhin tun würden. Wir rechnen weiterhin nicht mit einer Wiederholung der globalen Finanzmarktkrise von 2008.

Auch Vontobel war von Marktunruhe betroffen. Im Zuge der Krise britischer Pensionsfonds wurden erhebliche Mittel abgezogen. Konnte man damit rechnen?

Die Krise der britischen Pensionsfonds war nicht nur völlig unnötig, sondern wurde auch noch durch eine verfehlte Politik ausgelöst. Die Anpassungen der Fonds an die veränderten Zinsbedingungen wären ohne Probleme möglich gewesen. Entscheidend waren die unvernünftige Politik und die unverantwortlichen Aussagen zur Fiskalpolitik, die sich bar jeder Realität bewegten. Das hatte überhaupt nichts mit veränderten Marktbedingungen zu tun.

Sie sagen aber, es könnte also noch einiges kommen?

Ich glaube, dass wir in der Realwirtschaft in den nächsten 12 bis 18 Monaten noch einzelne Ereignisse sehen werden. Von Übernahmen bis Insolvenzen wird alles dabei sein.

An anderer Stelle wird die Zinswende gefeiert. Ist die Entwicklung für Anleger wirklich positiv?

Klar ist, dass Investoren jetzt viel mehr Anlagemöglichkeiten zur Verfügung haben, die weniger riskant sind. Das sollten sie nutzen. Aber die finanzielle Repression ist mit der Inflation und dem Zinsanstieg nicht vorbei, die negative Realverzinsung ist sogar noch größer als in der Niedrigzinsphase. Jetzt ist es für Anleger noch viel teurer, kurzfristige Liquidität zu haben als vor einem Jahr.

Wie sieht es in diesem Umfeld bei Vontobel aus? Kann die Bank von den Entwicklungen und der Unsicherheit am Markt profitieren?

In unseren Geschäftsfeldern digitales Investment und Assetmanagement können wir in einem solch schwierigen Markt nur bedingt profitieren. Es liegt auch daran, dass vor allem institutionelle Kunden in unklaren Märkten eher abwarten. Andererseits wollen in diesem Umfeld die vermögenden Privatkunden mehr Beratung. Sie sorgen sich um ihr Geld, und das umso stärker, je stärker geopolitische Faktoren eine Rolle spielen. In Krisen suchen Kunden Qualität und Sicherheit. Hierfür stehen traditionell die Schweiz und auch Investmenthäuser wie unseres.

Wealth Management ist also der Bereich der Stunde. Wie sieht es 2023 aus?

Wie auf der Bilanzpressekonferenz gesagt, sind wir 2023 robust gestartet. Schon im vergangenen Jahr konnten wir beim Wealth Management überdurchschnittlich zulegen, was die Nettomittelzuflüsse angeht.

Im vergangenen Jahr gab es hohe Mittelabflüsse. Warum hat Vontobel mehr verloren als andere Schweizer Privatbanken?

Im internationalen Vergleich waren die Abflüsse im Assetmanagement durchschnittlich. Anders sieht es im Vergleich zu vielen Schweizer Privatbanken so aus, da Vontobel einen höheren Anteil im Assetmanagement hat. Das hat durchgeschlagen.

Bleibt es bei dieser Struktur?

Die Strategie steht und hat sich bewährt. Unabhängig davon werden wir aber immer schauen, was unsere Kunden wünschen und von uns erwarten. So haben wir vor einiger Zeit die Entscheidung getroffen, dass wir im Bereich Private Markets Investments stärker werden wollen. Wir arbeiten daran, die besten Lösungen für unsere Kunden und uns zu finden.

Was haben Sie vor? Wollen Sie zukaufen?

Da kann man sich alles vorstellen, aber es muss zu uns passen. Wir suchen einen Partner in unseren Zielmärkten, der eher ein Geschäft mit einem moderaten Risiko betreibt. Es muss natürlich auch eine relevante Größe sein, damit es für Vontobel einen echten Unterschied macht.

Welche Herausforderung sehen Sie in der Regulierung?

Die allergrößte Herausforderung in den letzten Monaten waren die Sanktionen gegen Russland und der Umgang damit in der Bank. Die Sanktionsbeschlüsse ließen vielfach Interpretationsspielräume. Man musste erst einmal verstehen, was wirklich gemeint war. Das war alles andere als trivial, denn hier müssen sie als Bank in allen Punkten alles richtig machen. Für das Thema gingen und gehen überdurchschnittlich viele Ressourcen drauf.

Was beschäftigt Sie noch?

Das betrifft Großbritannien und die Einführung der Anlegerschutzvorschriften, also die Consumer Duty. Da ist überhaupt nicht absehbar, was das für Finanzdienstleister bedeutet, weil die Anforderungen so unscharf formuliert sind. Es geht darum nachzuweisen, wie Produkte bei einem Kunden tatsächlich einen Wert schaffen. Wie das ermittelt werden soll, ist unklar. Es mag uns als Vontobel in unserer Spezialistenrolle in Großbritannien weniger betreffen. Aber es ist eine riesige Welle, die da auf die Branche zukommt.

Das Interview führte

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.