Andy Flury

„Wir verbinden Banken mit Kryptobörsen“

Wenn Banken, Online-Broker und Hedgefonds mit Kryptowerten handeln wollen, fühlt sich das Schweizer Fintech Algotrader als Rundum-Plattform berufen. Trotz eingetrübter Stimmung im Kryptomarkt sei die Nachfrage groß, berichtet der Firmenchef.

„Wir verbinden Banken mit Kryptobörsen“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Das Wertpapiergeschäft kennen die Banken aus dem Effeff und haben dafür ihre Prozesse und die Infrastruktur aufgebaut. Aber wie soll das im Handel von Kryptowährungen funktionieren, der rund um die Uhr an rund 350 Handelsplätzen weltweit läuft? Welche Handelsplätze bieten genug Liquidität und welche Gegenpartei­risiken ergeben sich dabei und wie wird das in den eigenen Systemen verbucht? Das sind Fragen, die sich fast alle institutionelle Investoren stellen, die mit dem Einstieg in den Kryptohandel liebäugeln. Immerhin bekunden 80% der institutionellen Investoren eine Absicht dazu, so eine Studie von Fidelity Digital Assets.

In einer ersten Welle haben Banken und Assetmanager in das Verwahrgeschäft („Crypto Custody“) investiert, mit Branchenriesen wie BNY Mellon an der Spitze. Und als Nächstes stehe jetzt die Handelsinfrastruktur im Fokus, sagt Andy Flury, Gründer und CEO des Schweizer Fintechs Algotrader, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Einen ersten Prototyp hatte Flury vor Jahren für einen Hedgefonds entworfen, um zu sehen, wie sich algorithmusbasiertes Handel von Volatilitätsfutures und Optionen bewerkstelligen lässt. Aus diesen Anfängen entwickelte sich Algotrader als modulare Plattform für den Handel von digitalen Assets. Vom Prüfen der Vorhandels­risiken und der Orderausführung mit „Best Execution“ bis hin zum automatisierten Settlement und der Verwahrung findet alles über eine Plattform statt. „Wir verbinden Banken und andere institutionelle Marktteilnehmer über APIs mit Kryptobörsen und OTC Desks für den Handel und haben kürzlich die zehnte Bank für uns gewinnen können.“ 

Dabei ist Algotrader mit ihrem Service-Portfolio auch eine Adresse für ambitionierte Handelshäuser. Neben Kryptofonds und Wertpapierhandelsbanken bindet die Gesellschaft auch quantitative Hedgefonds an, die bekanntermaßen hohe Ansprüche an die Umsetzung automatisierter Handelsstrategien stellen. Hinzu kommen Banken mit Online-Trading sowie Retailbroker. Algotrader sei dabei, eine Bank für einen großen Neobroker anzubinden, sagt Flury.

Lieber nicht „wurschteln“

Zu den Vorzügen des Kryptohandels über die Algotrader-Plattform gehöre es, dass zum Beispiel das Prefunding für alle Handelsplätze zusammenfassend gesteuert werden kann. Außerdem sei das Management der Gegenparteirisiken sehr speziell, so dass viele Fehler denkbar sind. Für Banken lohne es sich in der Regel nicht, „sich da hineinzuwurschteln. Und Dienstleistungen wie die Verwahrung machen wir über Integrationspartner wie Fireblocks, Metaco und Tangany. So können wir den kompletten Wertpapierzyklus digitaler Assets managen.“

Dabei fährt Algotrader eine zweigleisige Strategie für die Installationen bei institutionellen Kunden: Zum einen gibt es die Module als Software-as-a-Service-Paket über die Cloud – ein bekanntes Verfahren im Fintech-Sektor. Zum anderen gibt es Vor-Ort-Installationen, wo die Systeme dann in den Datencentern von Banken und Hedgefonds integriert werden. Für diese Klientel sei die integrierte Sicherheit entscheidend, wenn sie Funktionen in ihr Leistungsportfolio aufnehmen. Regulatorisch handele es sich immer um eine wesentliche Auslagerung und auf rechtlicher Seite sei die Nuss zu knacken, dass Banken auch an Wochenenden betriebsfähig sein müssen.

Die Plattform läuft heute auf der Version 6.4 und wird ständig mit neuen Anbindungen erweitert, womit Algotrader gewissermaßen zum „Kernbankensystem für Kryptowerte“ aufsteige. Als nächste Funktion sei Portfoliomanagement geplant. Auch auf dem deutschen Finanzplatz hat die Gesellschaft Fuß gefasst. „In Deutschland sind wir gut vernetzt und befinden uns mit fast jeder Bank im Gespräch, für die Kryptohandel in Frage kommt.“

Algo­trader komme entgegen, dass es hier schon ein Regime für die Kryptoverwahrung gibt. Trotz abgekühlter Stimmung im Kryptomarkt sei noch kein einziges Projekt verlangsamt oder gestoppt worden. „Die Banken sehen ja auch, dass der Kryptomarkt eine gewisse Reife erreicht hat und es ausreichend Liquidität und gute Spreads gibt im Spothandel.“ Die über Algotrader zugänglichen Kryptomärkte hätten ein höheres Volumen als der Xetrahandel, so dass eine Handelsausführung zu geringen Kosten möglich sei. Zu den beliebtesten über Algotrader angebundenen Kryptobörsen gehören laut Flury Kraken und Bitstamp. Rund 70% des Volumens gehe über OTC-Desks, ein typisches Merkmal institutionellen Handels.

Und auch wenn die regulatorische Umsetzung der Asset-Tokenisierung von Immobilienanteilen bis Aktien Zeit braucht, so erscheint der Einsatz der Algotrader-Plattform für Banken im Prinzip schon ein Vorgriff zu sein auf die zukünftige Welt des Börsenhandels. „Jede Bank wird sich mit dem Thema auseinandersetzen müssen – und für Retailinstitute ist es die Chance, den Kryptohandel als Berater für ihre Kunden zu erschließen und mit digitaler Finanzbildung zu begleiten.“ In Deutschland ringen gerade die Sparkassen um eine gemeinsame Haltung auf der Verbundebene der Dienstleister – aber jede Sparkasse ist ihr eigener Herr und kann den Bitcoinhandel nach Gusto integrieren. Erste regionale Institute haben das bereits getan und die DWP Bank bereitet als zentraler Wertpapierdienstleister der Kreditwirtschaft die Anbindung des Kontos für Bitcoin-Käufe vor.

Wagniskapital eingesammelt

Für Algotrader geht es jetzt darum, das internationale Marktpotenzial zu erschließen. Dafür hat das Fintech bislang mehr als 12 Mill. Dollar an Kapital aufgenommen. Zuletzt wurden im Februar 4,9 Mill. Dollar aufgenommen mit Credit Suisse Entrepreneur Capital und dem Fonds „C3 EOS VC“ im Lead. Daneben steuerten unter anderem SBI Investment und Fenbushi Capital Mittel bei. „Für Ende des Jahres planen wir eine Series-B-Finanzierung, die soll dann auch ein bisschen größer sein.“ Die zehnte Bank in der Kundschaft sei für das Fintech ein „Meilenstein“ und wichtig für Investorengespräche. Algotrader hat heute einen Mix aus Wagniskapitalinvestoren wie C3 Management, ehemals Finlab, und Neue Capital sowie strategischen Adressen wie Credit Suisse und die japanische SBI.

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