Grüne Geldanlage

Sustainable Finance ist ein nachhaltiger Boom

Sustainable Finance nimmt immer weiter an Fahrt auf. Und auch 2023 dürfte die nachhaltige Geldanlage an Bedeutung gewinnen.

Sustainable Finance ist ein nachhaltiger Boom

Rund 3 Bill. Dollar beträgt das Volumen an ausstehenden grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen – die Billion im deutschen Sinn, versteht sich. Wer vor rund 15 Jahren, als die Geburtsstunde der Green Bonds in Luxemburg war, diese Entwicklung prophezeit hätte, wäre wohl nur müde belächelt worden. Als einen Träumer hätte man ihn abgestempelt. Nun, hinterher ist man immer schlauer und heute weiß man, dass der Traum wahr geworden ist. Green und darauf aufbauend Sustainable Finance ist an den internationalen Finanzmärkten längst etabliert. Es ist schon lange zum Mainstream geworden.

Pionier aus Luxemburg

Pionier der Green Bonds ist die Europäische Investitionsbank – kurz EIB. Die im Großherzogtum Luxemburg beheimatete Bank der Europäischen Union (EU) brachte im Juli 2007 ihren ersten Green Bond auf den Markt. Mit den Erlösen aus grünen Anleihen werden Klima- und Umweltschutzprojekte finanziert, wie etwa Solarparks oder Windkraftanlagen zur Erzeugung von Energie. Im Laufe der Jahre kamen auch die Sustainability Bonds hinzu, mit denen die Emittenten nachhaltige Projekte im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN) finanzieren.

Der Markt der grünen, sozialen, nachhaltigen und nachhaltigkeitsgebundenen Anleihen ist im Laufe der vergangenen 15 Jahre immer stärker gewachsen. Waren es anfangs die internationalen Förderinstitutionen – wie eben die EIB –, kamen in den Folgejahren immer mehr andere Adressen hinzu, aus dem supranationalen Bereich, den halbstaatlichen Institutionen, den Staaten, aber dann auch aus der gesamten Banken- und Un­ternehmenswelt­. Heute sind praktisch alle Emittentengruppen am Markt vertreten.

Die Anleihen laufen am Markt in der Emission und später am Sekundärmarkt regelmäßig gut. Es hat sich dabei ein sogenanntes Greenium herausgebildet, die grünen Anleihen eines Emittenten werden also zu geringeren Renditen am Markt platziert als die nichtgrünen Pendants. Auch das ist eine Errungenschaft, und sie zeigt, auf welch positive Resonanz die Papiere bei den Investoren stoßen. Es gibt Anleger, denen die nachhaltige Rendite und damit die nachhaltigen Kapitalanlageformen wie Sustainability Bonds wichtiger sind als die finanzielle Rendite. Und längst kommen diese Anleger nicht mehr nur aus der Anlegergruppe der Millennials, also derjenigen Anleger, die einige Jahre vor der Jahrtausendwende geboren wurden und die heute eben nach anderen Kriterien als nur nach der finanziellen Rendite ihr Geld anlegen.

Schub durch die Krise

Einen Schub hat dieses Marktsegment der sozialen, grünen und nachhaltigen Anleihen in der Covid-19-Krise erfahren. Seinerzeit erst auf diese Art und Weise von vielen nicht erwartet, lag es später doch auf der Hand. Denn die Coronakrise hat vor Augen geführt, wie wichtig soziale Aspekte sind, etwa im Arbeitsleben – Stichwort Homeoffice –, in der Kinderbetreuung, der Pflege und anderen Bereichen mehr. Die Lockdowns – so schmerzlich sie für die Bevölkerung gewesen sind – haben zudem demonstriert, wie gut sich das Klima entwickelt, wenn eben nicht mehr so viel Straßenverkehr vorhanden ist, sondern dieser ruht. Das hat vielen gezeigt, dass eben mehr in Sachen Klima, Umwelt, Soziales und Nachhaltigkeit getan werden muss als bisher, und es hat darüber hinaus gezeigt, welche Erfolge das auch auf kurze Sicht mit sich bringt.

Viele Emittenten sind in der Zeit der Covid-19-Krise denn auch auf den Zug der grünen und nachhaltigen Anleihen aufgesprungen. Es hat einen enormen Emissionsschub bei diesen Anleihen gegeben. Durch die Bank weg konnten sich die Emittenten über eine hohe Nachfrage freuen. Da ist nur an die Europäische Union zu denken, die mit ihren entsprechenden Bonds enorme Erfolge feierte und Meilensteine setzte. Die Orderbücher platzen aus allen Nähten.

Inflation geht deutlich nach oben

Und diese Tendenz hat sich auch 2022 unter dem Eindruck einer sehr traurigen Entwicklung fortgesetzt: des Ukraine-Kriegs. Dieser hat vielen Menschen vor Augen geführt, was eine Energiekrise für heftige Auswirkungen hat. Sie hat die Inflation enorm nach oben getrieben in den vergangenen Monaten. Heute liegen die Teuerungsraten in vielen Ländern rund um den Globus auf Niveaus, die zuletzt vor 40, 50 oder noch mehr Jahren gesehen wurden. Das hätte zu Beginn des Jahres 2022 wohl kaum einer für möglich gehalten. Und in diesem Gefolge hat auch der Klimawandel und damit alternative Energiequellen, soziale Aspekte, nachhaltige Entwicklung nochmals einen höheren Stellenwert auf der Agenda der kommenden Jahre erhalten. Der Übergang hin zu einer grünen und nachhaltigen Welt muss noch mehr Nachdruck erhalten. Entsprechende Projekte dulden eben keinen langen Aufschub mehr, sondern müssen unter dem Eindruck und den Erkenntnissen der Covid-19-Pandemie und des Ukraine-Krieges in den kommenden Jahren mit allem Nachdruck angegangen werden.

Und damit können sich die Anleger an den internationalen Finanzmärkten darauf einstellen, dass der Nachschub an grünen, sozialen und nachhaltigen so­wie nachhaltigkeits-gebundenen Anleihen in den kommenden Jahren wohl kaum abreißen wird, sondern eher zusätzlichen Schwung aufnehmen wird. Der Markt wird noch stärker wachsen, es kommen noch mehr Emittenten dazu. Das ist absehbar eine sehr positive Entwicklung, die da Fahrt aufnimmt.

Finanziert wird in den kommenden Jahren nun der Übergang zu dieser grünen und nachhaltigen (Kapitalmarkt-)Welt. Schließlich gibt es keinen Knopf, auf den man kurz drücken kann, und dann ist auf einmal alles grün und nachhaltig. Transformationsprozesse laufen und müssen vielerorten auch erst noch in Gang gesetzt werden. Und es ist auch die Frage, ob es mit den gegenwärtig vorhandenen Instrumenten dann letztendlich getan ist. Viele Experten gehen davon aus, dass es in den kommenden Jahren noch eine ganze Reihe von neuen Finanzinstrumenten geben wird, deren Ausgestaltung und Funktionsweise wir heute noch nicht einmal erahnen können. Sie werden notwendig sein, um genau diesen Transformationsprozess zu bewerkstelligen und ihn damit auch zu finanzieren.

Auf dem Weg dahin wird es auch eine Reihe von traditionellen Assets geben, die ins Abseits gestellt werden, weil sie den An­forderungen einer grünen und nachhaltigen Welt eben nicht mehr genügen. Es ist schwer heute abzuschätzen, welche Assets das sein werden. Aber diese Stranded Assets werden dann auch Probleme aufwerfen, für die Emittenten dieser Finanzierungsformen. Es werden all diejenigen Assets und Emittenten dazu gehören, die nicht mehr in grüne und nachhaltige Kategorien einsortiert werden können und deshalb dann auch nicht mehr von den Anlegern nachgefragt werden. Damit einher gehen dann auch erhebliche Verluste. Das wird absehbar ein sehr schmerzlicher Prozess.

Enormes Wachstumspotenzial

Man geht heute davon aus, dass grüne, soziale und nachhaltige Anleihen in etwa einen Anteil im einstelligen Prozentbereich des globalen Anleihemarktes ausmachen. Das zeigt das enorme Entwicklungspotenzial dieses Marktes in den kommenden Jahren. Die Global Sustainable Investment Alliance schätzt, dass das gesamte Kapitaluniversum, das für grüne, soziale und nachhaltige bzw. nachhaltigkeitsgebundene Anlageformen in den kommenden Jahren in Frage kommt und damit mobilisiert werden kann, bei mehr als 35 Bill. Dollar liegen wird. Also mehr als das Zehnfache dessen, was an ausstehendem Volumen solcher Papiere derzeit vorhanden ist. Das zeigt, welche Zukunft dieser Markt und seine Finanzinstrumente in den kommenden Jahren noch vor sich haben. Der Boom hat somit im Grunde genommen gerade erst angefangen.

Neue Bereiche kommen hinzu

Und er wird auch längst nicht mehr nur diejenigen Lebensbereiche betreffen, in die heute schon investiert wird. Es werden vielen neue Bereiche hinzukommen. So steht der Bereich Geschlechtervielfalt und Inklusion erst ganz am Anfang der Entwicklung. Aber auch dieser Bereich wird die Kapitalmärkte in den kommenden Jahren entscheidend mitprägen. Nicht nur über die Emission entsprechender Bonds, deren Erlöse hier zum Einsatz kommen.

Von Kai Johannsen, Frankfurt

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