Marktausblick

Berenberg rechnet mit fallenden Gewinn­prognosen

Die Privatbank Berenberg erwartet, dass negative Gewinnrevisionen für Aktiengesellschaften in der anstehenden Berichtssaison an Fahrt gewinnen. Dies gelte sowohl für die USA als auch für Europa.

Berenberg rechnet mit fallenden Gewinn­prognosen

wrü Frankfurt

Die Anlagestrategen von Berenberg gehen davon aus, dass die Gewinnerwartungen der Analysten für börsennotierte Unternehmen unter Druck geraten dürften. Sowohl in den USA als auch in Europa seien deutliche Anpassungen nach unten zu erwarten, heißt es im aktuellen Märkte-Monitor der Privatbank.

„Die Berichtssaison für das zweite Quartal hat an Fahrt aufgenommen“, halten die Strategen fest. In den kommenden zwei Wochen berichteten mehr als 50% der Unternehmen des S&P 500 und des Stoxx Europe 600. In den USA habe die Berichtssaison mit ersten negativen Überraschungen begonnen. „Das ist wenig verwunderlich, da die Gewinnerwartungen der Analysten trotz Rezessionsanzeichen, Inputkosteninflation und Lieferkettenproblemen seit Jahresanfang weiter angestiegen sind“, kommentieren die Berenberg-Analysten. „Negative Gewinnrevisionen waren bisher jedoch kaum zu beobachten. Diese dürften aber deutlich an Fahrt aufnehmen, was historische Vergleiche zeigen.“

In Krisen stets unter Druck

Nach der Bewertungskorrektur im ersten Halbjahr dürften Fundamentaldaten bei Anlegern nach Meinung von Berenberg somit wieder vermehrt im Fokus stehen. So sind die Gewinnerwartungen im S&P 500 in früheren Krisen, zum Beispiel in der Finanzkrise im Jahr 2008, wiederholt unter Druck geraten. Allgemein ist bekannt, dass Aktienanalysten dazu neigen, bei Wendepunkten der Konjunktur die künftigen Gewinne der Unternehmen noch zu positiv einzuschätzen.

Laut Berenberg sind die Aktienanalysten noch weit davon entfernt, eine deutliche Wirtschaftsabkühlung in ihren Gewinnschätzungen zu berücksichtigen. „Sie prognostizieren beispielsweise ein Gewinnwachstum von gut 10% für Europa für 2022“, stellen die Strategen der Privatbank fest. Zuletzt habe es zwar leichte Reduktionen der Gewinnschätzungen gegeben, mit der jetzt angelaufenen Berichtssaison zum zweiten Quartal sei aber mit deutlicheren Anpassungen nach unten zu rechnen. Insofern verspricht die anstehende Berichtssaison spannend zu werden. Denn es wird sich zeigen, wie einzelne Unternehmen mit dem deutlich schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Umfeld fertig werden.

Aber nicht nur fundamental wird es nach Meinung von Berenberg spannend – so verweist die Privatbank darauf, dass die Europäische Zentralbank für die unmittelbar bevorstehende Sitzung am 21. Juli ihre erste Zinserhöhung seit 2011 angekündigt hat. Für die Sitzung der Federal Reserve am 27. Juli erwarte der Markt eine Zinserhöhung zwischen 75 und 100 Basispunkten. Geopolitisch gelte es zu beobachten, ob nach dem geplanten Ende der Nord-Stream-1-Wartung am 21. Juli der Betrieb wieder aufgenommen werde.

Weltweit habe der Inflationsdruck auch im Juni nicht nachgelassen. In den USA sei die Teuerung im Juni mit 9,1% erneut höher und stärker als erwartet ausgefallen. Merklich steigende Spritpreise seien dafür mitverantwortlich gewesen. Der Markt preise nun sogar eine Chance von 20% darauf ein, dass die Fed die Zinsen auf ihrer Juli-Sitzung um 100 Basispunkte anheben werde. Bis Anfang 2023 werde ein US-Leitzins von in der Spitze knapp über 3,5% impliziert. Für 2023 würden dann allerdings zwei bis drei Zinssenkungen seitens der Fed eingepreist. Der Markt rechne mit einem „Fed Pivot“, also dass die US-Notenbank angesichts schwächeren Wachstums und nachlassender Inflationssorgen (ho­he Lagerbestände, fallende Rohstoffpreise, weniger Nachfrage) zügig eine Umkehr in der Geldpolitik vollziehe.

Bewertungen rückläufig

Doch nicht nur in den Industriestaaten, auch in vielen Schwellenländern steige die Inflation weiter. So sei die Inflation in China im Juni auf 2,5% gestiegen, befinde sich aber noch deutlich unter dem globalen Niveau. „Der OECD-Frühindikator zeigt mit deutlich unter 100 und fallend schon seit einer geraumen Zeit eine deutliche Verlangsamung der Weltwirtschaft an“, erläutern die Berenberg-Strategen. „Dieses Bild wird von den lokalen Indikatoren bestätigt – nur 8% der Länder sahen eine Verbesserung des Frühindikators zum Vormonat.

Auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis von europäischen und US-Aktien sei deutlich zurückgegangen. Sowohl der S&P 500 als auch der Stoxx Eu­rope 600 handeln nun unter ihrer historischen Durchschnittsbewertung“, analysieren die Berenberg-Volkswirte. „Im Falle einer härteren Rezession dürften die Bewertungslevel jedoch noch weiter fallen.“ Dies gelte insbesondere für den S&P 500, welcher nur leicht unter dem historischen Durchschnitt handele.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.