Corona-Politik

China-Aktien rutschen weiter in den Keller

Fehlende Perspektiven einer Linderung der chinesischen Nulltoleranzpolitik zu Corona beunruhigen die Investoren. Der Rundumschlag von Chinas Zentralbank zeigt kaum Wirkung am Aktienmarkt.

China-Aktien rutschen weiter in den Keller

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Fehlende Perspektiven für eine Linderung der chinesischen Nulltoleranzpolitik zu Corona und der Eindämmung der damit verbundenen Wirtschaftsschäden kaufen den Investoren auf dem Festland immer mehr den Schneid ab. Im Nachgang zum heftigen Kurseinbruch vom Wochenbeginn hat Chinas Zentralbank nun mit einem verbalen Rundumschlag zur Bekräftigung von Konjunkturstützungsmaßnahmen und einer finanzmarktfreundlichen Wirtschaftspolitik beruhigend auf das Marktgeschehen einzuwirken versucht, ohne damit allerdings wesentlich zu einer Aufhellung des Sentiments beitragen zu können.

Am Dienstag kam es in Reaktion auf ein entsprechendes Statement der People’s Bank of China (PBOC) zwar zunächst zu einer Gegenbewegung mit einem Anstieg der Leitindizes um bis zu 1,5%, im Nachmittagshandel allerdings drehte die Stimmung wieder und führte zu erneuten Einbußen auf breiter Front. Während der CSI-300-Blue-Chip-Index für die Märkte in Schanghai und Shenzhen den weiteren Verlust am Dienstag auf 0,8% begrenzte, fiel das marktbreite Barometer Shanghai Composite Index um weitere 1,4% auf 2886 Zähler zurück und entfernt sich damit weiter von der am Montag frisch geknackten Resistenzlinie bei 3000 Punkten. Binnen zwei Tagen hat der Shanghai Composite nun 6,5% verloren und liegt mit −20,5% für das laufende Kalenderjahr im Bärenterritorium. Beim CSI 300 mit gegenwärtig 3784 Punkten stellt sich die diesjährige Performance mit −23% noch negativer dar.

Extremer Pessimismus

Marktteilnehmer in Schanghai sprechen von einer resignierten Stimmungslage, wie man sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Tatsächlich zeigen technische Indikatoren zum Marktsentiment wie der 30 Day Relative Strength Index (RSI) ein Niveau auf, wie man es zuletzt zur Jahresmitte 2018 auf dem Höhepunkt des nervenzerreibenden Handelskonflikts zwischen China und den USA gesehen hatte. Dabei gibt es gegenwärtig keine geeigneten Zufluchtsorte etwa bei nichtzyklischen und tendenziell dividendenstarken Titeln und schon gar nicht im Wachstumsbereich mit Techwerten. So steht der RSI-Wert für die vier zentralen Anlagemotive „Growth“, „Value“, „Large Caps“ und „Small Caps“ derzeit gleichzeitig jeweils unter der Marke von 30, was als eine äußerst seltene Konstellation gilt, die „extremen Pessimismus“ an allen Fronten ausdrückt.

Zwar befinden sich die einschlägigen Indikatoren nun eindeutig im Bereich „Oversold“, was für eine übertriebene Korrekturbewegung spricht, die als Wiedereinstiegssignal gewertet werden kann. Bezeichnenderweise zeigen aber gerade auf asiatische und chinesische Aktien geeichte Hedgefonds derzeit kaum Elan für sogenanntes „Bottomfishing“. Auch was die Leitindizes auf dem chinesischen Festland angeht, ist es mit Gewissheiten über eine Bodenbildung nicht mehr weit her.

Mittlerweile müssen Worst-Case-Szenarien zu konjunkturellen Beeinträchtigungen der chinesischen Lockdown-Taktik und ihrer Ausstrahlung auf die Unternehmensgewinne unter negativem Vorzeichen immer neu angepasst werden. Unter diesen Umständen machen auch die Beruhigungsversuche der PBOC wenig Eindruck im Markt.

Analysten betonen, dass die Hinweise der Notenbank auf monetäre Konjunkturhilfen rein verbaler Natur sind und die von Aktienanlegern erhofften Zinsimpulse auch weiterhin ausbleiben werden. Dies liegt vor allem am globalen Kapitalmarktumfeld, das der PBOC die Hände bindet. Der kräftige Zinsauftrieb in den USA macht die gewohnten Renditevorteile chinesischer Staatsanleihen zunichte und macht das Wörtchen Kapitalabzug zum Thema. Zuletzt sah man einen rapiden Wertverfall des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar mit einem Rückgang von 3% binnen nur einer Woche. Damit verbietet sich aus Sicht der PBOC eine Zinslockerung allein schon wegen der Signalwirkung gegenüber globalen Investoren.