Tim McCourt

„Die europäische Nachfrage nach Krypto-Futures hat deutlich zugelegt“

CME-Manager Tim McCourt beobachtet eine steigende europäische Nachfrage nach Krypto-Futures. Nun lanciert die weltgrößte Terminbörse Produkte, die auf im Euro aktive Investoren zugeschnitten sind.

„Die europäische Nachfrage nach Krypto-Futures hat deutlich zugelegt“

Alex Wehnert.

Herr McCourt, die CME Group lanciert am 29. August Euro-denominierte Futures auf Bitcoin und Ether. Warum erweitern Sie Ihr Krypto-Angebot ausgerechnet jetzt über Dollar-basierte Produkte hinaus?

Die Nachfrage nach unseren Krypto-Futures aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika legt seit Jahren deutlich zu, mittlerweile ist die Region für 28% des gesamten Handelsvolumens in Bitcoin- und Ether-Kontrakten verantwortlich. Der Handel der beiden Cyberdevisen gegen den Euro ist die zweitbeliebteste Krypto-Fiat-Transaktion.

Was sind die Gründe für diese Popularität?

Es gibt im Krypto-Euro-Markt einen eigenständigen Preisbildungsprozess und ein eigenes Ökosystem. Sogar außerhalb der europäischen Währungsgemeinschaft besteht eine enorme Aktivität in Ländern, die den Euro als primären Liquiditätspool neben dem Dollar nutzen. Institutionelle Investoren und Produktanbieter gehen bei ihrem Risikomanagement zunehmend präziser vor. Dies erhöht die Nachfrage nach Euro-denominierten Bitcoin- und Ether-Futures.

Inwieweit könnten die neuen Kontrakte die ausländische Nachfrage nach Ihren Krypto-Dollar-Produkten beschneiden?

Nach der bisherigen Kundennachfrage zu urteilen sehen Investoren die Produkte als komplementär zu den bestehenden Kontrakten an. Wir glauben, dass wir durch die Euro-Futures neue Nutzer ansprechen können, die in Bezug auf ihr Funding und ihre Managementstrategien stärker Euro-zentriert agieren. Da die neuen Kontrakte auf Referenzzinssätzen basieren, die Fiat-Spot-Transaktionen in der europäischen Gemeinschaftswährung einschließen, sollten Arbitrage-Möglichkeiten zwischen den Krypto-Dollar- und Krypto-Euro-Währungspaaren entstehen. Sobald sich der Euro-Dollar-Wechselkurs weiter von der Parität entfernt, könnte es auch zu Hedging-Effekten auf unsere sonstigen Devisenkontrakte kommen.

Sie sprechen die historischen Tiefstände des Euro zum Dollar an. Wie werden sich transatlantische Unterschiede in der Geldpolitik künftig auf Ihre Futures auswirken?

Da sich das geldpolitische und makroökonomische Umfeld wandelt, verändern sich auch die Ansichten vieler Investoren zu Cyberdevisen. Geldpolitische Unterschiede nach Region oder Währung werden zu abweichenden Krypto- und Hedging-Strategien führen. Der jüngste Sturz des Euro auf Parität zum Dollar unterstreicht die Notwendigkeit für mehr Euro-spezifische Zugänge zu Bitcoin und Ether. Auch für individuelle Investoren außerhalb der USA sinken die Kosten, wenn sie nicht jedes Mal über den Dollar gehen müssen.

Sind Ihre Kontrakte angesichts ihrer Größe überhaupt für individuelle Investoren gangbar?

Selbst unsere regulären Bitcoin- und Ether-Kontrakte, die einen Multiplikator um den Faktor 5 beziehungsweise 50 enthalten, werden von individuellen Investoren gehandelt. Natürlich richten sich diese Produkte aber an hochkapitalisierte Accounts und anspruchsvolle, aktive Trader, deren Teilnahme natürlich mit der Regulierung in ihrem Rechtsraum in Einklang stehen muss. Aus unserer Sicht ist aber kein Investor aufgrund der Kontraktgröße vom Handel mit unseren regulären Futures ausgeschlossen. Wir hoffen auch auf eine gesunde individuelle Aktivität in unseren Euro-denominierten Produkten, die ebenfalls fünf Bitcoin- beziehungsweise 50 Ether-Einheiten abbilden werden.

Die CME hat bereits Dollar-denominierte Micro-Futures auf Cyberdevisen eingeführt, die ein Zehntel einer Einheit Bitcoin beziehungsweise Ether repräsentieren. Haben Sie für die Euro-basierte Seite des Marktes ähnliche Pläne?

Aktuell haben wir zwar keine spezifischen Pläne in diese Richtung, aber wir werden den Markt und die Investorennachfrage beobachten. Ich bin optimistisch, dass unsere neuen Euro-Kontrakte erfolgreich werden, aber sie werden uns sicherlich wochen- und monatelang stark in Beschlag nehmen. Schließlich müssen wir sicherstellen, dass sie ausreichend liquide werden. Anschließend werden wir mögliche Erweiterungen unseres Produktangebots abwägen.

Bereits im März haben Sie Optionen auf Ihre Dollar-basierten Micro-Futures auf Kryptowährungen eingeführt, am 12. September sollen Optionen auf Ihre regulären Ether-Kontrakte folgen. Werden Sie ähnliche Produkte auch auf Basis Ihrer Euro-denominierten Futures folgen lassen?

Solche Optionen könnten durchaus interessant werden. Aber Optionsmärkte hochzuziehen ist in jeder Assetklasse etwas herausfordernder, als Futures-Märkte auszubauen. Denn dafür müssen Liquiditätsanbieter abweichende technologische Lösungen entwickeln, unsere Risikomanagement-Vorkehrungen müssen ebenfalls anders aussehen als bei linearen Terminkontrakten. Bevor wir die Nachfrage nach Optionen einschätzen können, müssen sich die Euro-denominierten Futures erst einmal im Markt etablieren. Ungeachtet dessen macht die Volatilität am Kryptomarkt Optionen zu einem attraktiven Risikomanagement-Werkzeug. Zudem sind sie ein Mittel für Investoren, um ihren Wiedereinstieg kapitalschonender zu bewältigen, als es über Futures möglich wäre.

Erwarten Sie, dass sich die Handelsaktivität in Ihren Euro-denominierten Futures zeitlich konzentrieren wird?

Es ist noch zu früh, um das Marktverhalten vorauszusagen. Allerdings sehen wir bei Krypto-Euro-Währungspaaren durchaus über den gesamten 24-stündigen Handelstag Spot-Transaktionen. Der Derivatehandel könnte sich indes stärker um die europäischen Handelszeiten konzentrieren und die Aktivität zunehmen, wenn sich der Handel in den USA und Asien mit den europäischen Schluss- und Eröffnungszeiten überschneidet. Jedenfalls schläft der Kryptomarkt nie, daher können unsere Kontrakte rund um die Uhr gehandelt werden.

Sie sprechen den asiatischen Handel an. Welche anderen Währungen wären als Basis für Krypto-Referenzsätze an der CME interessant?

Nicht jedes Währungspaar generiert auf unseren Partnerbörsen genügend unabhängige Handelsvolumen zwischen Krypto- und Fiat-Spot-Märkten, um einen Referenzsatz kreieren zu können. Wir müssen uns ja an unsere eigenen Kriterien halten, wenn wir Produkte lancieren. Das heißt, dass in Frage kommende Währungspaare von mindestens zwei unserer Partner-Kryptobörsen angeboten werden müssen und dass jede Börse einen bedeutenden Beitrag zum Referenzsatz leistet.

Sie schreiben vor, dass der Referenzzinssatz auf Krypto-Fiat-Transaktionen basieren muss.

Richtig – auf einigen asiatischen Börsen, die bedeutende Volumen erzielen, liegen diese nicht ausschließlich in Krypto-Fiat-Paaren vor, sondern in Stablecoins oder anderen Cyberdevisen auf der Plattform. Wir beobachten die Entwicklungen im Markt indes kontinuierlich. Wo sich Gelegenheiten bieten, um die Kundennachfrage zu bedienen und gleichzeitig unsere Standards und Benchmark-Methodik einzuhalten, werden wir auch zusätzliche Referenzsätze einführen.

Ist die Methodik für andere Währungen dieselbe wie für den ­Dollar?

Es ist dieselbe übergeordnete Methodik, aber bei jedem Referenzsatz gibt es spezifische Anpassungen, die unser Aufsichtskomitee vorschreibt. Wenn wir in einer Devise aus dem Raum Asien-Pazifik aktiv wären, würden wir zum Beispiel den Beobachtungszeitraum vor der Einführung anpassen. Die Kriterien, nach denen wir Partnerbörsen einbeziehen oder ausschließen und nach denen wir die Referenzsätze kalkulieren, bleiben die gleichen.

Nach welchen Kriterien werden Sie denn den Erfolg Ihrer Euro-denominierten Krypto-Futures be­urteilen?

Da gibt es keine spezifischen Zielmarken. Doch die meisten unserer Kryptoprodukte haben gleich nach dem Launch hohe Handelsvolumen generiert. Daher hoffen wir natürlich, dass die Euro-denominierten Futures ähnlich erfolgreich werden. Wir werden uns zunächst auf die Marktqualität fokussieren, die sich über die verfügbare Liquidität bemisst, außerdem werden wir die geografische Verteilung der Partizipation einbeziehen. Die neuen Futures sind globale Produkte, also wollen wir eine rege Teilnahme aus Europa, den USA und Asien. Zusätzlich achten wir natürlich auf die Entwicklung des Open Interest.

Ihr Produktlaunch erfolgt in äußerst unruhigen Zeiten für den Kryptomarkt. Wie werden die Auswirkungen der jüngsten Stable­coin-Crashes und Insolvenzen von Lending-Plattformen, Krypto-Brokern und -Hedgefonds den Handel an der CME beeinflussen?

Wir glauben daran, dass die CME weiterhin einen sicheren Hafen für individuelle und institutionelle In­vestoren bietet, die Kryptowährungen auf regulierte Weise über eine regulierte Plattform handeln wollen. Trotz all der negativen Entwicklungen am breiteren Kryptomarkt wachsen die Volumen und das Open Interest auf unserem Handelsplatz anhaltend, und wir lancieren weiterhin neue Produkte im Segment. Die jüngsten Marktereignisse haben unsere Ansicht darüber untermauert, auf welche Weise der Kryptohandel angeboten werden sollte. Die Nachfrage in dem Bereich setzt ihr Wachstum fort – die institutionellen Investoren, die bei uns investieren, verfolgen üblicherweise mehrjährige Kryptostrategien.

Die zuletzt bekannt gegebene Partnerschaft zwischen dem Asset­manager Blackrock und der Kryptobörse Coinbase erhöht zudem die Hoffnung auf einen Einstieg weiterer institutioneller Anleger in den Markt . . .

Das ist eine interessante Entwicklung. Ich glaube fest an Wechselbeziehungen innerhalb der Finanzmärkte. Diese werden zwischen den Krypto-Spotmärkten, Derivaten, ETFs und Assetmanagement-Dienstleistungen sicher besonders gut sichtbar. Wenn ein großer Assetmanager neu in den Markt kommt, profitieren alle Teilnehmer. Wenn mehr und mehr Vermögensverwalter spot-basierte Krypto-Angebote auflegen, wächst auch der Bedarf an Hedging- und Risikotransfer-Lösungen. Und genau dafür werden unsere Futures genutzt.

Das Interview führte

BZ+
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