Gemeinschaftswährung

Die Parität im Blick

Der Euro könnte sich als der große Verlierer im wirtschaftlichen Abnutzungskrieg zwischen Ost und West herausstellen, sofern die russischen Energielieferungen an Europa eingestellt werden.

Die Parität im Blick

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Im Nachgang der geldpolitischen Sitzungen der großen Notenbanken in der gerade beendeten Handelswoche ist der Euro zeitweilig unter die Marke von 1,05 Dollar gefallen. Dies ist zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Federal Reserve gegenüber der Europäischen Zentralbank einen Vorsprung aufweist – die geldpolitische Straffung macht amerikanische Anleihen attraktiver. Allerdings spielt auch eine Rolle, dass mit dem neuen Ost-West-Konflikt, der momentan auf einen regelrechten wirtschaftlichen Abnutzungskrieg hinausläuft, die EU zum großen Verlierer werden könnte. Die sich deutlich eintrübenden Perspektiven für die europäische Wirtschaft könnten sich noch stärker im Kurs des Euro niederschlagen.

So warnt Ulrich Leuchtmann, Chefwährungsanalyst bei der Commerzbank, dass der Euro derzeit stark unter der Unsicherheit über die weiteren Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg leidet. Über allem schwebe das Damoklesschwert einer Energiekrise, falls die EU ein Embargo russischer Energieträger beschließe oder falls die russische Seite die Lieferung von Energie in den Westen flächendeckend unterbreche. Der Euro könne unter die Parität zum Dollar fallen, sollte es zu einer solchen Energiekrise im Euroraum kommen. Dafür sprechen seiner Ansicht nach drei Gründe. So wäre eine Rezession auf Europa beschränkt und nicht wie zumeist in der Vergangenheit ein globales Phänomen. Steigende Energiepreise würden zudem die Inflation im Euroraum klettern lassen, womit – drittens – die Europäische Zentralbank in einem noch unangenehmeren Zielkonflikt wäre. Sie müsste sich entscheiden, entweder die Inflation entschlossen zu bekämpfen und damit die Rezession weiter zu verschärfen oder alternativ die Rezession zu mildern und eine hohe Inflation in Kauf zu nehmen.

Fronten verhärtet

Hinsichtlich der Energielieferungen haben sich in den vergangenen Tagen die Fronten zwischen der EU und Russland weiter verhärtet. So strebt die EU-Kommission einen Boykott russischen Erdöls an und will sogar beispielsweise über die Sanktionierung von Versicherungsdienstleistungen erreichen, dass russisches Öl auch nicht mehr in andere Weltregionen geliefert werden kann. Zwar ist es zweifelhaft, dass die Kommission damit Erfolg haben wird, weil sich der russische Finanzsektor – auch hinsichtlich Versicherungsdienstleistungen – seit 2014 weitgehend auf eigene Beine gestellt hat. Sollte die EU aber dennoch damit Erfolg haben, würde das dem Weltmarkt russisches Öl entziehen, mit der Folge, dass der dann stark steigende Ölpreis der europäischen Wirtschaft noch stärker zusetzt und die Inflation noch weiter anheizt.

Während sich die Perspektiven für den Euro zumindest im Fall eines eskalierenden Wirtschaftskriegs zwischen Ost und West stark verschlechtern, zeigt sich der russische Rubel immer fester. Er ist in der Spitze auf 65,3 Rubel je Dollar gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. Unmittelbar nach der Verhängung der westlichen Sanktionen war er noch auf rund 135 Rubel gefallen, und US-Präsident Joe Biden hielt öffentlich einen Absturz auf 200 Rubel für wahrscheinlich und wünschenswert.

Den Rubel stützt, dass mit dem neuen, vom Kreml vorgeschriebenen Abrechnungsmechanismus für russisches Erdgas ein größerer Teil der russischen Deviseneinnahmen an der Moskauer Börse in Rubel umgetauscht wird als früher, als Russland die Beträge überwiegend als (inzwischen beschlagnahmte) Devisenreserven hielt. Da die russische Regierung erklärt hat, künftig noch mehr Rohstoffe in Rubel abrechnen zu wollen, ist zu erwarten, dass der Rubel seine Stärkephase fortsetzt – bis hin zu einem Punkt, an dem dies der russischen Zentralbank mit Blick auf die negativen realwirtschaftlichen Auswirkungen eines zu starken Rubel unangenehm wird. Bislang aber, und daran wird sich so schnell aller Voraussicht nach nichts ändern, ist der Euro der Verlierer und der Rubel der Gewinner der mittlerweile globalen Krise.

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